Studie und Roadmap veröffentlicht Smart City aus dem Baukasten


Bild: VDE, DIN/DKE
28.05.2015

Wer eine Smart City aufbauen will, muss ganz unten anfangen, aber nicht zwingend auf der grünen Wiese. Was zählt, ist der richtige Ansatz.

Es wird eng in der Stadt: Bis 2050 werden 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben, derzeit sind es noch 52 Prozent. Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern wird es die Menschen in die Städte ziehen, die dort bessere Lebensbedingungen erwarten. Gerade dort werden Städte deshalb eine intelligente, effiziente und kostengünstige Infrastruktur benötigen, um sowohl Einwohnern als auch Handel, Gewerbe und Industrie gute Bedingungen zu bieten.

In Industrienationen werden die Städte indes nicht mit der gleichen Dynamik wachsen: Sie müssen mit Lebensqualität, Nachhaltigkeit und attraktive Infrastrukturen für die Wirtschaft punkten. Wie der Aufbau neuer Smart Cities (Green-Field-Ansatz) und der Umbau bestehender Städte (Brown-Field-Ansatz) gelingen kann, zeigt die neue VDE-Studie „Smart City – Herausforderungen und Potenziale einer lebenswerten Stadt von morgen“. Die Studie richtet sich an Entscheidungsträger aus Politik, Wirtschaft und EU-Kommissionen.

Darin entwerfen die VDE-Experten einen neuartigen integrativen Ansatz zur Modellierung komplexer Stadtstrukturen. Denn bisher behindere der Mangel an Gesamtmodellen den Fortschritt von Smart Cities. Der neu entworfene modulare Modellierungsansatz unterstützt deshalb die Entwicklung bereichsübergreifender Lösungen. Der Ansatz berücksichtigt Aspekte wie Planung und Betrieb verschiedener Infrastrukturen und bietet die Basis für ein mehrschichtiges Konzept, das eine Stadt in ihrer Vielfalt abbildet, so die Studienautoren.

Bauchgefühl wird abgelöst

Diese Herangehensweise ist neu: Bislang wurde individuell und quasi „aus dem Bauch heraus“ geplant. Bisher funktionierte das tadellos, da die Versorgungsstrukturen mit großen Sicherheitsmargen ausgelegt wurden. Heute aber schrumpft dieser Spielraum aufgrund von wirtschaftlichen und umwelttechnischen Einschränkungen sowie damit einhergehender Überlastung der Systeme. Die Smart City muss nun vielmehr die Versorgungs- und Infrastrukturen koppeln und übergreifend steuern.

Die einzelnen Subsysteme wie etwa Strom-, Gas- und Wasserversorgung, Gebäude oder Mobilität müssen in ihrer unterschiedlichen Dynamik und ihrem Zusammenspiel betrachtet werden. Egal ob es sich um den Auf- oder Umbau von Smart Cities handelt: In beiden Fällen sei der Aufbau einer intelligenten Infrastruktur zur effizienten Vernetzung, Interaktion und Steuerung von Stadt- und Versorgungsstrukturen erforderlich.

Die Studie empfiehlt deshalb ein standardisiertes, modulares Konzept. Dieses soll einzelne Elemente, Infrastrukturen und Ressourcen einer Smart City definieren und klassifizieren. Die Autoren analysieren Elementarbausteine wie Straßen, Gebäude, Heizungssysteme, Beleuchtung, dezentrale Erzeugungsanlagen, thermische oder elektrische Speicher. So wird eine exakte virtuelle Abbildung einer Stadt in ihrer Vielfalt ermöglicht anhand derer sich der Bedarf an Maßnahmen ermitteln lässt.

Modellierung auf unterster Ebene

So analysieren die Autoren einzelne Stadtviertel („Quartiersansatz“) mit ihren zellularen Strukturen (wie Häusern und anderen Gebäuden), zum anderen die Datenplattformen zum interaktiven Betrieb und zur Optimierung der einzelnen Subsysteme darin. Die Modellierung der Komponenten auf unterster Ebene bietet den Vorteil, dass das Systemmodell beliebig erweiterbar ist. Es lässt sich somit auf Städte und Kommunen beliebiger Größe mit beliebigen Kombinationen von Elementen und Infrastrukturen übertragen und flexibel skalieren.

Neben der Umsetzung des Quartiersansatzes postulieren die Autoren den Aufbau einer geeigneten Datenplattform als unabdingbare Voraussetzung für eine intelligente Stadt. Diese muss Bestandteil der Infrastruktur werden und liegt genauso in der Verantwortung der Administration wie Straßen, Schulen und Krankenhäuser. Darüber hinaus ist nach Meinung der Autoren die weltweite Standardisierung zur Sicherung der Interoperabilität der einzelnen Systeme voranzutreiben. Hier gibt es bereits vielversprechende Ansätze bei IEC, ISO und ITU.

Sensoren müssen weiter erforscht werden

Weiterer Forschungsbedarf über die bereits erwähnte Modulierung von Stadtstrukturen hinaus besteht im Bereich der Sensoren und der sie verbindenden Netzwerke. Sie sind als Datenlieferanten für die Steuerung der Infrastruktur zwingend notwendig. Neben der Datensicherheit sind dabei unter anderem Fragen der drahtlosen Kommunikation sowie der effizienten Stromversorgung der Sensoren zu untersuchen.

Aber auch Politik und Bürger sind gefordert. Die Politik muss die Bürger aktiv einbinden und die Akzeptanz durch umfassende Information und durch Datensicherheit erhöhen. Zudem muss sie neue Rahmenbedingungen schaffen. Hierzu gehört etwa die bereits erwähnte Datenplattform. Zusätzlich können neue Geschäftsmodelle und Fördermaßnahmen den Finanzierungsrahmen für Städte vergrößern. Zugleich erfordern neue technische Lösungen und Geschäftsmodelle die Novellierung der juristischen Rahmenbedingungen – auch auf internationaler Ebene.

Roadmap für Normen und Standards

Neben der Smart-City-Studie ist im Mai 2015 auch die „Normungs-Roadmap Smart City 1.1“ erschienen. Damit schreiben die DIN und die DKE die erste Normungs-Roadmap fort, die im April 2014 erschienen ist. Die aktuelle Ausgabe gibt einen Überblick über laufende Standardisierungsaktivitäten und zwischenzeitliche Ergebnisse sowie über internationale Entwicklungen. Die Roadmap erläutert zudem das Selbstverständnis und die Vorgehensweisen der Standardisierungsgremien.

Bei der weltweiten Diskussion um Urbanisierungsprozesse und die Anforderungen an die künftige Stadtentwicklung spielen Normen und Standards eine immer wichtigere Rolle. Sie bieten Sicherheit und unterstützen darin, Hürden zu reduzieren und so die Vision von der Smart City realisieren zu können – sind jedoch nicht unumstritten.

Neuland für Standardisierung

Die Verwirklichung einer Vision Smart City kann zu größerem Wirtschaftswachstum führen, ohne urbane Individualität und technologische Kreativität zu behindern. Diese Überlegung steht im Mittelpunkt einer nicht mehr allein produktgetriebenen Standardisierung, wie sie bei Smart City der Fall ist. So sind nicht nur Technologien standardisierbar, sondern auch Prozesse und Dienstleistungen die unter anderem das Beschaffungswesen unterstützen.

Die Technikkonvergenz der Themen Smart Cities und Industrie 4.0 setzt zudem eine stärkere Interaktion voraus, die neue Herausforderungen in der Organisation von Schnittstellen mit sich bringt. Hier betrete die Standardisierung laut DKE weltweit Neuland: Nicht nur die traditionellen Normungsorganisationen DIN/DKE sehen sich bei dieser Herausforderung in der Pflicht. Auch auf internationaler Ebene sei ein Umbruch der vertikalen Themen-Struktur zu beobachten.

Weitere Informationen

Die Studie „Smart City - Herausforderungen und Potenziale einer lebenswerten Stadt von morgen“ ist für 250 Euro als Download auf der Website des VDE erhältlich. Für VDE-Mitglieder ist die Studie kostenlos.

Die Roadmap steht zum kostenlosen Download bereit.

Bildergalerie

  • Smart City: Struktur der intelligenten Stadt von morgen ist ein koordiniertes System
von Systemen

    Smart City: Struktur der intelligenten Stadt von morgen ist ein koordiniertes System
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    Bild: VDE

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