Arbeitsmarkt Corona-bedingte Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit im regionalen Vergleich

Die Arbeitslosenquote steigt gerade in strukturschwachen Gegenden.

Bild: iStock, RyanKing999
02.07.2020

Ein massiver Einsatz von Kurzarbeit puffert derzeit die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den deutschen Arbeitsmarkt ab. Im bundesweiten Durchschnitt war im April für gut 31 Prozent der Beschäftigten Kurzarbeit angezeigt. Dabei gibt es aber sehr große regionale Unterschiede.

Bei der Kurzarbeit gibt es regional sehr große Unterschiede. Während die Betriebe in Emden, mit 56,0 Prozent und Wolfsburg, mit 52,2 Prozent für die Mehrheit der Beschäftigten Kurzarbeit angezeigt haben, weisen Ludwigshafen, mit 11,6 Prozent, Leverkusen, mit 16,2 Prozent und Mainz, mit 16,4 Prozent, die niedrigsten Quoten angezeigter Kurzarbeit in Deutschland auf. Zu diesen Ergebnissen kommt eine neue Untersuchung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

Die WSI-Experten Dr. Eric Seils und Dr. Helge Emmler haben für ihre Studie die neuesten verfügbaren Arbeitsmarkt-Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) ausgewertet. Die Untersuchung liefert für die 401 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland aktuelle Daten zur bei der BA angezeigten Kurzarbeit und zur Corona-bedingten Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Zu beachten ist, dass die Zahl der Anzeigen von Kurzarbeit bei der BA spürbar höher sein dürfte als die Anzahl der Beschäftigten, die tatsächlich kurzarbeiten, weil Unternehmen oft präventiv für größere Gruppen Kurzarbeit anmelden. Wie viele Menschen tatsächlich in Kurzarbeit waren, kann die BA nur mit mehrmonatiger Verzögerung ermitteln.

Kurzarbeit in Regionen der Metall- und Elektroindustrie

Die Unterschiede lassen sich durch spezifische regionale Beschäftigungsstrukturen erklären. Kurzarbeit wird in hohem Maße in Regionen genutzt, in denen die Metall- und Elektroindustrie verbreitet ist, insbesondere Standorte mit starker Automobilwirtschaft wiesen hohe Quoten auf. Aufgrund der besonderen Eigenheiten der Corona-Krise sind, anders als beispielsweise in der Finanzkrise 2008/2009, auch anders strukturierte Regionen stark betroffen. So ist auch in Tourismusregionen wie dem Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, mit 41,4 Prozent, dem Oberallgäu, mit 40,4 Prozent und Garmisch-Partenkirchen, mit 35,1 Prozent, nach den neuesten vorliegenden Daten im März/April für einen erheblichen Anteil der Beschäftigten Kurzarbeit angezeigt worden. An der Nord- und Ostseeküste trifft dies unter anderem auf Wittmund, mit 35,6 Prozent, Ostholstein, mit 34,7 Prozent und Vorpommern-Rügen, mit 35,5 Prozent, zu.

Dass in Leverkusen und Ludwighafen im März und April vergleichsweise wenig Kurzarbeit angemeldet wurde, beruht dagegen nach Analyse der Forscher wesentlich auf der großen Bedeutung der pharmazeutischen und chemischen Industrie, die von der Corona-Krise weniger betroffen ist als etwa der Automobilbau. Mainz weist überdurchschnittliche Beschäftigungsanteile bei Rundfunkveranstaltern, Finanzdienstleistern, der öffentlichen Verwaltung und im Gesundheitswesen auf, was den relativ geringen Anteil an angezeigter Kurzarbeit in der Stadt erklärt.

Betriebsschließungen treffen kleinere Betriebe hart

Entgegen landläufiger Vermutungen ist die Kurzarbeit vor allem in Regionen angezeigt worden, in denen die Beschäftigungsanteile von Großbetrieben unterdurchschnittlich ausfallen. „Die Betriebsschließungen haben viele kleinere Betriebe hart getroffen und die haben schnell mit Kurzarbeit reagiert“, erklärt Sozialwissenschaftler Emmler. Die Ergebnisse wiesen damit auf einen bedarfsgerechten Einsatz der Kurzarbeit hin. „Offensichtlich ist das Instrument gut geeignet, ganz unterschiedliche regionale Arbeitsmärkte einigermaßen passgenau zu entlasten.“

Arbeitslosigkeit gestiegen

Trotz des massenhaften Einsatzes der Kurzarbeit ist allerdings auch die Arbeitslosigkeit gestiegen – insgesamt noch relativ moderat, aber ebenfalls mit beachtlichen regionalen Unterschieden. Die Wissenschaftler haben auch den Corona-bedingten Anstieg der Arbeitslosenquote auf Ebene der Städte und Kreise berechnet. Generell sind die Anstiege im Osten Deutschlands auffällig hoch, während sie im Süden meist niedrig ausfallen.

Besonders starke Corona-bedingte Anstiege der Arbeitslosenquote haben dabei die Tourismusregionen Vorpommern-Rügen, mit 3,2 Prozentpunkten und Wittmund, mit 2,6 Prozentpunkten, zu verkraften. Aber auch in Berlin, mit 2,5 Prozentpunkten, Garmisch-Partenkirchen, mit 2,4 Prozentpunkten, dem Berchtesgadener Land und in Wilhelmshaven, beide mit 2,3 Prozentpunkten, ist die Arbeitslosenquote Corona-bedingt deutlich angestiegen, während es im Bundesmittel 1,3 Prozentpunkte waren. Im Vogelsbergkreis, mit 0,3 Prozentpunkten, Tirschenreuth, mit 0,4 Prozentpunkten sowie Erlangen-Höchstadt, Neumarkt in der Oberpfalz und Neustadt an der Waldnaab, erscheint die Zunahme um 0,5 Prozentpunkte hingegen im Deutschland-Vergleich sehr moderat.

Arbeitslosenquote steigt in strukturschwachen Gegenden

Laut Studie liegt die wichtigste Ursache für die regionalen Unterschiede bei der Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Rückgang entlastender Arbeitsmarktpolitik, also beispielsweise von Qualifizierungskursen, die die BA organisiert. Menschen, die an solchen Maßnahmen teilnehmen, zählen in der Statistik nicht zu den Arbeitslosen. „Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit profitieren besonders von diesen Maßnahmen“, erläutert Emmler. Corona-bedingt können aber zeitweilig viele Maßnahmen nicht stattfinden, weshalb die Arbeitslosenquote gerade in strukturschwachen Gegenden steige. Daneben sind hohe Corona-bedingte Anstiege der Arbeitslosenquote auch in Regionen zu erwarten, in denen das Gastgewerbe verbreitet ist.

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