Verfahrenstechnik Cool bleiben trotz Stromspitzen

Bild: arissanjaya
09.10.2014

Bei der Herstellung von Lebensmittelverpackungen ist viel Kühlleistung nötig. Der Hersteller Huhtamaki hat deshalb in seinem Werk im Allgäu in neue Kälteanlagen investiert. Die darin integrierten Schraubenverdichter laufen bis zu sechs Mal in der Stunde an. Deshalb wurden dort Sanftstarter eingesetzt, die trotz der besonders hohen Stromspitzen störungsfrei arbeiten.

Für die Niederlassung des finnischen Huhtamaki-Konzerns in Ronsberg gilt: hochtechnische Verpackungslösungen für die Food-, Non-Food- und Pharmaindustrie stehen im Mittelpunkt. Als Spezialist für Konsumgüterverpackungen gehört der Konzern zu den renommierten Unternehmen dieser Branche. Im Werk Ronsberg im Allgäu mit etwa 1.000 Mitarbeitern stehen vor allem hochwertige, flexible Packstoffe im Mittelpunkt, die dort entwickelt und hergestellt werden.

Aufgrund von Produktionserweiterungen war es Ende 2012 notwendig geworden, die Kälteleistung deutlich zu erhöhen. Denn bei der Kunststoffextrusion der dort hergestellten Folien für Lebensmittelverpackungen wird viel Prozesskälteleistung benötigt – etwa 1,5 MW. Huhtamaki entschied sich, in drei weitere Kälteanlagen zu investieren. Die Split-Kältemaschinen WRK-BS-500-10-S stammen von L&R Kältetechnik. Diese Varicon-Anlagen arbeiten mit dem Kältemittel R134 A und sind entsprechend energiesparend, da der Systemdruck niedrig gehalten werden kann.

Durch den kontinuierlichen Vierschichtbetrieb erreichen die Kälteanlagen in Ronsberg etwa 8.000 Betriebsstunden pro Jahr. Das bedeutet für die einzelnen Komponenten eine jährliche Laufleistung bis zu 3.000 Betriebsstunden. Jörg Duwe, Betriebsingenieur bei Huhtamaki Flexible Packaging Germany, berichtet: „Vor diesem Hintergrund mussten wir regelmäßig Schütze ersetzen, die als Stern-Dreieck-Schaltung das Anlaufen der Motoren übernehmen.“

Systematischer Umstieg auf Sanftstarter

Hinzu kommt, dass durch nicht optimale Einstellung der Umschaltung von Stern auf Dreieck hohe Stromspitzen entstehen können, die das Netz belasten und die Energiekosten unnötigerweise in die Höhe treiben. Seit 2010 wurden deshalb bei entsprechenden Serviceeinsätzen als Starteralternative systematisch Sanftstarter für die großen Motoren installiert. Abgesehen davon ist auch die geringere Geräuschentwicklung von Sanftstartern gegenüber Schützsteuerungen in dieser Leistungsklasse deutlich zu empfinden.

Darüber hinaus sieht Duwe auch den großen Vorteil der höheren Verfügbarkeit und der Kostenersparnis, da der sanfte Anlauf die Motoren und die daran angebundenen Arbeitsmaschinen spürbar schonen. Hin und wieder kam es allerdings vor, dass beim Anlaufen der Schraubenverdichter in den Kälteanlagen eine ungewollte Auslösung stattfand. „Deshalb entschieden wir uns erstmals bei diesem Projekt für die Sanftstarter Sirius 3RW44 High Feature von Siemens“, berichtet Joachim Ullmann, Leiter der Elektrotechnik bei L&R.

Sie sind sehr robust und können über die Parametrierung sehr präzise an die vorhandenen Betriebsbedingungen angepasst werden. Denn die eingesetzten Verdichtereinheiten müssen bei den bis zu sechs Anläufen pro Stunde gegen ein hohes Lastmoment anfahren. Das damit verbundene Anlaufverhalten der Motoren ist nicht mit dem eines Motors mit einer üblichen Last zu vergleichen. „Hier fließen kurzzeitig große Ströme, die vom Sanftstarter toleriert werden müssen“, erklärt Joachim Ullmann. Im Betriebszustand fließen dann bei ungünstigsten Bedingungen – wenn zum Beispiel hohe Außentemperaturen herrschen – bis zu 200 A Dauerstrom.

Starterlösung erhöht Energieeffizienz

Selbstverständlich spielt dabei auch Energieeffizienz eine große Rolle. So ist der Sanftstarter durch seine Spannungs-Strom-Kennlinien in der Lage, die auftretenden Spitzenwerte auszugleichen und so Energiekosten zu sparen. Denn die Netzbelastung aufgrund exzessiver Spitzenströme lassen sich Energieversorger in der Regel entsprechend höher vergüten. Hinzu kommt ein weiterer wesentlicher Vorteil der Hochleistungs-Starter Sirius 3RW44. Sie haben ein integriertes Überbrückungskontaktsystem, das nach dem Hochlaufen aktiviert wird. Dadurch kann auf ein externes Bypassschütz verzichtet werden und trotzdem wird die Verlustleistung des Sanftstarters nachhaltig minimiert. Ein Beispiel macht es deutlich: Pro Ampere, das durch einen Thyristor fließt, werden üblicherweise circa drei Watt Verlustleistung erzeugt. Bei einem Motor mit 250 kW ergibt sich daraus ein Wärmeeintrag von rund 1.500 W in die Schaltgeräteumgebung.

Mehr Leistung herausholen

Energetisch betrachtet haben diese Geräte noch weitere Highlights zu bieten. In der möglichen Wurzel-drei-Schaltung sind die Phasen des Sanftstarters in Reihe mit den einzelnen Motorwicklungen geschaltet. Dann muss das Gerät nur noch den Strangstrom (Leiterstrom) führen, was etwa 58 Prozent des Motornennstroms bedeutet. Das heißt auch, dass die maximal verfügbare Leistung von 710 kW in der Standardschaltung auf diese Weise auf bis zu 1.200 kW erweitert werden kann. Die Sanftstarter 3RW44 arbeiten sehr zuverlässig und lassen sich in die gesamte Anlagensteuerung integrieren. Der damit verbundene Vorteil äußert sich nicht nur beim Engineering und der Inbetriebnahme, sondern auch beim Service. Denn auch bei den Anlagen für den Verpackungshersteller ist – ähnlich wie bei vielen anderen der rund 2.000 weltweit bereits gelieferten Kälteanlagen der L&R Kältetechnik – der Service inbegriffen.

Durch die direkte Anbindung an die Anlagensteuerung über Profibus können eine Reihe wichtiger Betriebs-, Mess- und Diagnoseinformationen beziehungsweise Warn- und Störmeldungen abgerufen oder ausgegeben werden. Dabei unterstützt die Parametriersoftware Soft Starter ES von Siemens den Einsatz des MPI-Teleservice zur Ferndiagnose der Geräte. Für vorbeugende Wartung ist es sogar möglich, Statistikdaten wie Betriebsstunden, Schaltspiele und Abschaltströme auszulesen und entsprechend auszuwerten. Diese Informationen geben wertvolle Hinweise über den praktischen Einsatz der Geräte; statt einer Momentaufnahme erhält man eine Langzeitbewertung.

Korrekte Parameter beim Start

Beim Allgäuer Projekt waren die automatisierungstechnischen Anforderungen allerdings nicht ganz so hoch. Dort genügte eine einfache Parametereinstellung über das Display und die Tastatur am Gerät. Gesteuert wird über die digitalen Kontakte am Sanftstarter. Der Anlauf findet in Dreieckschaltung statt, was einer 1:1-Leistungsauslegung entspricht.

Entscheidend war, dass bei Inbetriebnahme sämtliche Parameter sofort passten. Denn wird ein Verdichter, wie er hier zum Einsatz kommt, falsch gestartet, kann er blockieren. Das kann Schäden in der Größenordnung von Zehntausenden Euro zur Folge haben. Insofern wurden die Parameter am Sanftstarter in einer Live-Konferenz gemeinsam von Anlagenhersteller, Gerätehersteller und Verdichterlieferant optimal eingestellt.

Bildergalerie

  • Die Sanftstarter sorgen dafür, dass die Schraubenkompressoren trotz ihres hohen Drehmoments störungsfrei anlaufen.

    Die Sanftstarter sorgen dafür, dass die Schraubenkompressoren trotz ihres hohen Drehmoments störungsfrei anlaufen.

    Bild: Siemens

  • Die für eine Produktionserweiterung von Huhtamaki beschafften Anlagen von L&R Kältetechnik wurden erstmals mit Sanftstartern ausgerüstet.

    Die für eine Produktionserweiterung von Huhtamaki beschafften Anlagen von L&R Kältetechnik wurden erstmals mit Sanftstartern ausgerüstet.

    Bild: Siemens

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