Haber-Bosch-Verfahren Chemikern gelingt Durchbruch in der Ammonium-Herstellung

Wissenschaftler haben Ammonium erstmals unter moderaten Bedingungen aus Stickstoff herstellen können. Dabei verwendet haben sie das leichte Element Bor.

Bild: AG Braunschweig
21.09.2020

Die industrielle Umwandlung von Stickstoff in Ammonium liefert wichtigen Dünger für die Landwirtschaft. Würzburger Chemiker haben den Prozess nun erstmals bei Raumtemperatur, niedrigem Druck und mit leichten Elementen umsetzen können.

Die industrielle Herstellung von Ammonium, das sogenannte Haber-Bosch-Verfahren, erfordert hohe Temperaturen und Drücke. Es verbraucht schätzungsweise etwa zwei Prozent der gesamten auf der Erde erzeugten Energie. Der Prozess stützt sich zudem auf relativ schwere und reaktive Atome, die Übergangsmetalle.

Die Menschheit ist aber auf das Ammonium in synthetischem Dünger angewiesen, um ihre Ernährung zu sichern. Einer Würzburger Forschungsgruppe unter Leitung von Prof. Holger Braunschweig ist es nun gelungen, Stickstoff bei Raumtemperatur, niedrigem Druck und ohne Übergangsmetalle in Ammonium umzuwandeln. Der Schlüssel war eines der leichtesten Elemente im Periodensystem: Bor.

Einfach Wasser hinzufügen

Im Jahr 2018 gelang Braunschweig und seinem Team die Bindung und chemische Umwandlung von Stickstoff mithilfe eines Moleküls, das nur aus leichteren, nichtmetallischen Atomen besteht. Ein Jahr später demonstrierten die Forscher mit einem ähnlichen System die erste Kombination von zwei Stickstoffmolekülen im Labor. Diese Reaktion war zuvor nur in der oberen Erdatmosphäre und unter Plasmabedingungen beobachtet worden.

Der Schlüssel zu diesen beiden Entdeckungen war die Verwendung des fünftleichtesten Elements Bor als Atom, an das der Stickstoff bindet. „Nach diesen beiden Entdeckungen war klar, dass wir ein ganz besonderes System in den Händen hatten“, sagt Braunschweig.

Obwohl das System Stickstoff bindet und umwandelt, fehlte aber noch die Hälfte der Puzzleteile. „Wir wussten, dass die vollständige Umwandlung von Stickstoff in Ammonium eine große Herausforderung darstellen würde, da sie eine komplexe Abfolge chemischer Reaktionen erfordert, die oft nicht miteinander kompatibel sind“, erklärt der Professor der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Der Durchbruch gelang mit einfachsten Reagenzien: Spuren von Wasser, die in einer Probe zurückblieben, reichten aus, um eine Folge von Reaktionen zu fördern, die das Team bis auf einen einzigen Schritt an das Ziel „Ammonium erzeugen“ heranbrachte. Später wurde entdeckt, dass die Schlüsselreaktionen mit einer festen Säure so durchgeführt werden konnten, dass die Reaktionen in einem einzigen Reaktionskolben bei Raumtemperatur nacheinander abliefen.

Ammonium mit Bier herstellen

Als das Team erkannt hatte, dass die Reaktion selbst mit einfachen Reagenzien wie Wasser zu funktionieren schien, wiederholte es das Ganze mit Bier der örtlichen Brauerei Würzburger Hofbräu. Zu ihrer Freude konnten die Chemiker auch damit die Vorstufe von Ammonium erzeugen.

„Dieses Experiment haben wir aus Spaß gemacht. Aber es zeigt, wie tolerant das System gegenüber Wasser und anderen Verbindungen ist“, erklärt Postdoc Marc-André Légaré, der die Studie initiiert hatte.

Und Dr. Rian Dewhurst, Akademischer Oberrat und Koautor der Studie, ergänzt: „Die Reduktion von Stickstoff zu Ammonium ist eine der wichtigsten chemischen Reaktionen für die Menschheit. Dies ist zweifellos das erste Mal, dass sie mit Bier gemacht wurde, und es ist besonders passend, dass dies in Deutschland passiert ist.“

Bis zur industriellen Anwendung ist noch einiges zu tun

Diese Ergebnisse aus Würzburg sind aufregend, aber noch weit von der Anwendung in der industriellen Produktion von Ammonium entfernt. Es muss noch ein Weg gefunden werden, um den gesamten Prozess energieeffizient und wirtschaftlich zu gestalten.

Trotzdem demonstriert die Entdeckung, dass auch leichtere Elemente die größten Herausforderungen der Chemie meistern können. „Hier gibt es noch viel zu tun, aber Bor und die anderen leichten Elemente haben uns schon so oft überrascht. Sie sind eindeutig zu so viel mehr fähig“, ist Braunschweig überzeugt.

Die Forschungsarbeit wurde finanziell von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Alexander-von-Humboldt-Stiftung und dem Natural Sciences and Engineering Research Council of Canada unterstützt.

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