Steuerung von Pick-and-Place-Anwendungen C gibt den Takt an

Bild: iStock, cuid
22.05.2017

Basierend auf der Hochsprache C hat der Automatisierungsspezialist Weiss eine Software für seine Handlinggeräte entwickelt. Mit Hilfe der Schnittstellentechnologie „Open Core Interface for Drives“ lässt sich die Software elegant in Antrieben implementieren. In dieser Kombination sind komplexe Pick-and-Place-Anwendungen mit mehr als 100 Takten pro Minute einfach realisierbar.

Die Anforderungen an Indus­trie-4.0-fähige Automatisierungslösungen zeichnen sich immer deutlicher ab: dezentrale Intelligenz, offene Schnittstellen und einfache Softwaretools. Dabei bleibt die Grundanforderung nach kürzesten Taktzeiten erhalten. Mit all diesen Anforderungen ist der Automatisierungsspezialist Weiss bestens vertraut. Bei seinen Pick-and-Place-Geräten setzt Weiss jetzt auch eine Antriebs- und Steuerungstechnik von Rexroth ein. Den Anfang macht das Handlinggerät HP70, das hochdynamische Pick-and-Place-Anwendungen ermöglicht und sich auch in zukünftige Industrie-4.0-Umgebungen einfügt.

Neue Antriebe, alte Software

Bei der Entwicklung seiner Handlingmodule legt Weiss größten Wert auf Kompaktheit und Dynamik. Die IndraDrive-Antriebe von Rexroth mit integriertem Motion-Logic-System unterstützen diese beiden Eigenschaften. Die Handlingmodule benötigen keine separate Steuerungshardware. Das spart Platz im Schaltschrank und senkt die Kosten. Dank offener Schnittstellen zu allen gängigen Kommunikationsprotokollen und Gebersystemen fügen sich die Module in unterschiedlichste Maschinen- und Anlagenarchitekturen ein.

Die IndraDrive-Servoantriebe decken einen Leistungsbereich von 100 W bis 4 MW ab. Sie verfügen über eine Multi-Ethernet-Schnittstelle für alle gängigen Ethernet-Protokolle. Die in den Antrieben eingesetzte Schnittstellentechnologie „Open Core Interface for Drives“ erlaubt Hochsprachenprogrammen einen direkten Zugriff auf Antriebsfunktionalitäten und die antriebsbasierte Steuerung „IndraMotion MLD“.

Breite an Programmiersprachen

Das Handlingmodul HP70 arbeitet mit zwei übereinander angeordneten Linearmotoren und einer virtuellen Z-Achse. Durch eine Verschiebung der Linearmotoren zueinander wird ein Hub in der Z-Richtung erzeugt. Damit lässt sich ein Greifer um bis zu 70 Millimeter heben und senken. „Für diese virtuelle Z-Achse haben wir eine komplexe Koordinatentransformation entwickelt und in C programmiert“, erklärt Detlev Philipp, in der Entwicklung von Weiss für Software und Antriebstechnik zuständig. Diese Koordinatentransformation lässt sich dank „Open Core Interface for Drives“ mühelos in die IndraDrive-Antriebsfamilie implementieren. Das Hochsprachenprogramm greift parallel zur SPS auf Antriebsfunktionalitäten zu.

Bei der Entwicklung konnten die Weiss-Ingenieure auf umfangreiche Bibliotheken für verschiedene Betriebssysteme und Programmierumgebungen zurückgreifen, die Rexroth im Rahmen von „Open Core Interface for Drives“ im Internet zur Verfügung stellt. Die Schnittstellentechnologie unterstützt eine auf dem Markt einzigartige Breite an verschiedenen Programmiersprachen, Entwicklungsumgebungen und Betriebssystemen. Die Antriebe verfügen über einen integrierten Webserver, über den Anwender auf Parameter und Zustände zugreifen können. Es lassen sich aber auch eigene, kundenspezifische Webserver einsetzen.

Produktiv und voll vernetzt

Im Vergleich zu anderen elektrischen und pneumatischen Lösungen sparen die Handlinggeräte HP70 in der Breite bis zu 50 Prozent Platz. Für Maschinenhersteller und Systemintegratoren bedeutet das, dass sie auf gleicher Fläche bis zu doppelt so viele Arbeitsstationen unterbringen und damit die Produktivität erheblich steigern können. Mit 100 Takten pro Minute bei einer Wiederholgenauigkeit von 0,01 Millimetern bricht das HP70 alle Geschwindigkeitsrekorde bei Pick-and-Place-Geräten. Es benötigt keine Energieführungsketten und arbeitet weitestgehend verschleißfrei.

Vor allem in der Automotive-, Elektro- und Pharmaindustrie kommen die intelligenten HP70-Module bereits zum Einsatz. Die frei programmierbaren Module passen sich neuen Rahmenbedingungen über einfache Softwarebefehle aus der vernetzten Umgebung sofort an. Sie schließen den Regelkreis dezentral. Ihre Rückmeldung bezüglich Position, Prozesskräften und Geschwindigkeit unterstützt Industrie-4.0-Ansätze in Bezug auf die Qualitätssicherung und digitales Lebenszyklusmanagement. Der Anwender kann sämtliche Prozessdaten für jedes einzelne Produkt erfassen. Den nahtlosen Datenaustausch gewährleistet die Multi-Ethernet-Schnittstelle des IndraDrive.

Einfache Inbetriebnahme

Bei aller Komplexität im Hintergrund legt Weiss großen Wert auf einen einfachen, intuitiven Umgang mit der Technik. Darum hat das Unternehmen für die Inbetriebnahme, Diagnose und Bedienung seiner Module die Software „W.A.S. 2“ (Weiss Application Software) entwickelt. Die Software ermöglicht es auch Anwendern ohne vertiefte Regelungskenntnisse, die Module in Betrieb zu nehmen.

Auch hier sorgt die Schnittstellentechnologie „Open Core Interface for Drives“ dafür, dass Weiss alle bisher getätigten Investitionen in die Software komplett weiterverwenden kann. Die Weiss-Entwickler bewegen sich in ihren gewohnten Betriebssystemen und Programmiersprachen, ohne auf der SPS-Ebene arbeiten zu müssen. Mit Hilfe der entsprechenden Bibliotheken von Rexroth realisieren sie die Visualisierung in der Windows-Umgebung. Der Kunde ist durch dieses Vorgehen in keiner Weise eingeschränkt, da Weiss aktuell auf Webbrowser-Oberflächen umstellt. „Wir setzen auf Webtechnologie, weil sie sowohl Maschinenhersteller als auch Endkunden unabhängig vom Endgerät macht. Beide müssen keinerlei Programme von Weiss installieren“, begründet Detlev Philipp die Entscheidung. Auch der Erstzugriff bei der Inbetriebnahme erfolgt ohne Windows. Über ihre eigenen Webserver lesen der Inbetriebnehmer und alle späteren Bediener die Logbuch- und Diagnosemeldungen aus und verändern SPS-Variablen. Dabei eröffnet die in IndraDrive integrierte Multi-Ethernet-Schnittstelle vielfältige Möglichkeiten der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation in Industrie-4.0-Umgebungen.

In der Regel rüstet Weiss jedes Handlinggerät mit einer eigenen dezentralen Intelligenz aus. Das erhöht die Transparenz des Systems. So sieht der Endanwender immer direkt, welcher Regler zu welcher Achse gehört. Probleme lassen sich dadurch schnell diagnostizieren.

Bildergalerie

  • Das Handlingmodul HP70 basiert auf zwei übereinander angeordneten Linearmotoren und einer virtuellen Z-Achse.

    Das Handlingmodul HP70 basiert auf zwei übereinander angeordneten Linearmotoren und einer virtuellen Z-Achse.

    Bild: Bosch Rexroth

  • Das Modul HP70 ermöglicht hochdynamische Pick-and-Place-Anwendungen mit mehr als 100 Arbeitstakten pro Minute.

    Das Modul HP70 ermöglicht hochdynamische Pick-and-Place-Anwendungen mit mehr als 100 Arbeitstakten pro Minute.

    Bild: Bosch Rexroth

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