Verfahrenstechnik Blick in die Zukunft der Biopharmazie

19.09.2013

Auslaufende Patente von Biopharmazeutika, der Wunsch nach kleineren Chargen und die zunehmende Globalisierung drängen die Unternehmen dazu, sich mit Zukunftsinvestitionen auseinanderzusetzen. Welche Herausforderungen und Vorteile für biopharmazeutische Anlagen es in der Zukunft geben wird, ist hier aufgezeigt.

Während der letzten fünf Jahre hat sich die pharmazeutische Industrie gewandelt: von einer Industrie, die auf sogenannten Blockbuster-Produkten aufbaute, die dann eine Zeit mit auslaufenden Patenten durchlief, zu einer Industrie mit neuen und diversifizierten Produktportfolios. Diese Entwicklung scheint nachhaltig zu sein und über die nächsten Jahre anzudauern. Doch die Reise ist noch nicht abgeschlossen, da wir uns in einer Phase mit signifikanten �?nderungen befinden. Beobachter aus der Wirtschaft wie PriceWaterhouseCoopers, IMS Health, Burill und andere erwarten, dass die derzeitigen �?nderungen einen bedeutenden Einfluss auf die nächsten Jahre haben werden und sich daher auch die zukünftigen Geschäftsmodelle erheblich von denen in Blockbuster-Zeiten unterscheiden werden. Aus Sicht der Industrie ist der interessanteste Aspekt hier wohl die neu diversifizierten großen Pharmaunternehmen und das starke Wachstum von spezialisierten mittelgroßen Firmen mit vielen verschiedenen Fachgebieten, wie Generika, Biosimilars, Applikationssystemen und anderen.Einige Firmen haben seit vielen Jahren ein diversifiziertes Geschäftsfeld aufgebaut und decken verschiedene Bereiche mit unterschiedlichen technologischen Ansätzen ab. Dies benötigt mehr und mehr flexible Anlagen, da sich die Produktionsanforderungen im Laufe der Jahre geändert haben. Es ist ein Weckruf für viele Firmen, die die gleichen grundlegenden und weniger flexiblen Anlagenkonzepte seit vielen Jahren angewendet haben. Aus vielen Gründen, wie zum Beispiel regulatorischer Flexibilität, Single-Use-Produktionsausrüstung, neuer Containment-Konzepte und anderen neuen Technologien haben sich Anforderungen und Kompetenzen geändert.

Die flexible Fabrik der Zukunft

Es gibt mehrere Faktoren, die zu berücksichtigen sind, wenn Anlagen für die Zukunft ausgerichtet werden. Einige wichtige Entscheidungen, die flexible Anlagen beeinflussen, sind zum Beispiel:

  • Greenfield-Anlage oder Upgrade einer bestehenden Anlage?

  • Soll die Anlage zur Herstellung von Drug Substance Manufacturing (DS), Drug Product Manufacturing (DP) oder beidem geeignet sein?

  • Welche Funktionen soll die Anlage beinhalten (zum Beispiel Qualitätskontroll-Labore, Lager, Clean Utilities oder andere Utilities)?

  • Welche anderen Support-Funktionen sollen mit eingeschlossen werden (administrative Abteilungen, Instandhaltung, Trainingsmöglichkeiten)?

Weitere wichtige Entscheidungskriterien sind:

  • Erweiterung der Fähigkeiten/Ressourcen und flexibler Einsatz sowie einfache Anpassung an neue Technologien,

  • vollständige Konformität mit nationalen und internationalen GMP-Regularien - in Theorie und Praxis,

  • „Lean Operations” - unter Berücksichtigung der Risiken und Vorteile der Single-Use-Technologie,

  • Fast-track-Bauweise, die auf konventionellen, bewährten Bauverfahren basiert,

  • optimierter Einsatz von lokalen Einkaufsressourcen

Flexibilität als ein schrittweiser Ansatz

Viele Firmen möchten nicht länger grundlegende Entscheidungen im Voraus treffen. Sie möchten während des Lebenszyklus des Produkts flexibel bleiben. Ein schrittweiser Ansatz, der auf einem typischen pharmazeutischen Produktlebenszyklus basiert, ermöglicht es, Entscheidungen mit hohen Kapitalbindungen nicht im Voraus treffen zu müssen. Ein Beispiel für den schrittweisen Ansatz ist folgendes Herangehen:

  • Erste Phase: Vorbereitung für eine frühe Produktionsphase mit dem Ziel, Produkte der ersten Generation für klinische Zwecke zu erzeugen.

  • Zweite Phase: Produktion der zweiten Generation des Produkts für klinische Zwecke und gleichzeitig Produktionsstart für die Produkte der ersten Generation.

  • Dritte Phase: Produktion von weiteren Generationen des Produkts für klinische Zwecke und gleichzeitig Start der Produktion der freigegebenen Produkte im kommerziellen Maßstab, lizensiert für den lokalen Markt und eventuell auch für globale Märkte.

Eine erhöhte Flexibilität voranzutreiben, gewinnt mehr und mehr Akzeptanz bei den Aufsichtsbehörden. Der Entwurf der neuen europäischen Guideline für bestimmte Anlagen führt die zu berücksichtigenden Punkte sowie risikobasierte Tools auf, die für Flexibilitätsentscheidungen von Nutzen sind. Durch die verstärkte internationale Zusammenarbeit wird die Durchsetzung dieser neuen Regularien gefördert. Das Bedürfnis, Segmentierung und Containment basierend auf neuen, rationalisierten Prinzipien zu führen, wird mehr und mehr erkannt und verstanden. Einige Aufsichtsbehörden ermutigen sogar die Industrie, ihre Herstellungsprinzipien aufzurüsten und moderne Methoden im Qualitätsmanagement zu nutzen. Ihrer Meinung nach hat sich die Herstellung in der pharmazeutischen Industrie seit 1950 nur sehr wenig geändert und eigentlich sollte in 25 Jahren die Herstellung signifikant modernisiert worden sein - bevorzugt basierend auf kontinuierlichen Herstellungsprozessen.

Regularien in den Emerging Markets kennen

Aus Sicht von NNE Pharmaplan, ein Partner und Dienstleistungsanbieter für pharmazeutische Firmen, wird das technische Wissen für das Geschäftsumfeld der nächsten drei bis fünf Jahre nicht mehr ausreichend sein. Das Verstehen der Pharmaindustrie und die Kenntnis von aktuellsten Entwicklungen bezüglich Regularien und Inspektionen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Im neuen, stärker international ausgerichteten Geschäftsumfeld ist die Kenntnis von regulatorischen Trends in den USA, Europa und Singapur nicht länger ausreichend. Auch das Wissen um lokale Regularien in Ländern wie Brasilien, Russland, Indien, Indonesien, China und weiteren Emerging-Market-Ländern, die starke lokale Regularien aufgebaut haben, wird immer wichtiger. Dieses lokale Wissen sollte mit einem globalen Ausblick kombiniert werden, da die regulatorische Konsequenzen immer stärker grenzübergreifend sind. Auch Beratungsunternehmen wie McKinsey argumentieren, dass Pharmaunternehmen aufwachen und ihre veralteten Produktionsansätze überdenken sollten. Viele Pharmaunternehmen haben ähnliche Ambitionen. Nach zehn eher ruhigen Jahren steigt das Interesse an Konzepten für eine „Facility of the Future“. Einige Firmen haben bereits Projekte begonnen, um flexiblere, kleinere und benutzerfreundlichere Anlagen der nächsten Generation zu schaffen und um ihre traditionellen Anlagen zu ersetzen oder zu ergänzen. Bei rechtzeitiger Umsetzung von modernen Herstellungskonzepten sind nicht unbedingt hohe Investitionen erforderlich. Es wird angenommen, dass flexible Anlagen der Zukunft innerhalb der nächsten ein bis drei Jahre zum Markttrend werden. Der kritische Punkt bei flexiblen Anlagen ist nicht so sehr die Anlage selbst. Aufgrund von Prozessintensivierung und Standardisierung von Maschinen und Systemen sind die meisten Anlagen weniger komplex als frühere. Kleinere Produktionsmaßstäbe entkoppeln auch das Gebäude von der Prozessausrüstung, sodass eine schnelle parallele Projektausführung möglich wird. Der tatsächliche kritische Erfolgsfaktor ist eher die Fähigkeit des Unternehmens, Entscheidungen zu treffen, die neu gewonnene Produktionskapazität zu nutzen und umzusetzen. Die Auswirkungen für die Pharmaunternehmen sind, dass sie sorgfältig die Kapazitäten der Organisation für operative Geschäftsprozesse wie Supply Chain, Prozeduren, Qualitätssysteme, Einkauf, Herstellung, Training, Technologietransfer, Umrüstung, Lizensierung, Compliance und Optimierung berücksichtigen und planen müssen. Das Know-how, diese Geschäftsprozesse zu planen und zu führen, und die Fähigkeit, die Netzwerk-Ressourcen wirksam einzusetzen, wird die Grundlage für erfolgreiche flexible Anlagen der Zukunft sein.

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