Interview mit ODU „Bis 2025 wollen wir unseren Umsatz verdoppeln“

Welche Auswirkungen Modularisierung und Miniaturisierung auf die Steckverbinderbranche haben, erklärten Markus Rochau, Günter Rohr und Denis Giba (von links nach rechts) im Interview mit der E&E.

Bild: Florian Streifinger, E&E
30.10.2018

Seit etwas mehr als einem halben Jahr ist Denis Giba Geschäftsführer von ODU. Ein guter Zeitpunkt, um eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Wir sprachen mit ihm, Günter Rohr, Global Portfolio Director bei ODU, und Markus Rochau, Produktmanager bei ODU, über die Entwicklung des Steckverbinderherstellers. Im Interview erklären sie außerdem, warum es künftig eher mehr als weniger Steckverbindertypen geben wird und wieso Miniaturisierung nicht automatisch zu kleineren Steckverbindern führt.

E&E:

Herr Giba, seit 1. März sind Sie Geschäftsführer von ODU. Wie waren die ersten Monate?

Denis Giba:

Bisher waren es erfolgreiche erste Monate für mich. Ich bin als Branchenfremder, zumindest was Steckverbinder betrifft, sehr herzlich bei ODU empfangen worden. Meine Kollegen in der Geschäftsführung, aber auch die vielen sehr erfahrenen Mitarbeiter haben mich von Beginn an gut aufgenommen und unterstützt. Der Einstieg verlief deshalb, wie ich ihn mir erhofft hatte. ODU ist ein Familienunternehmen mit sehr hochwertigen Produkten. Wir sind unabhängig, haben also keine externen Geldgeber, sind stabil, investitions- und innovationsfreudig, haben eine super Belegschaft und wachsen kräftig. Außerdem ist das Marktumfeld sehr anspruchsvoll. All das hat mich an der Position gereizt.

Worin sehen Sie den Schwerpunkt Ihrer Arbeit?

Giba:

Ich möchte natürlich das Wachstum von ODU weiter gestalten, gleichzeitig aber die Kontinuität mit der bisherigen Entwicklung des Unternehmens wahren. ODU wird durch eine Doppelspitze geführt. Kurt Woelfl und ich führen das Unternehmen gemeinsam. Ich möchte an die gute Arbeit von ihm und meinem Vorgänger Joachim Belz anschließen. Wir haben in den letzten Monaten erarbeitet, wie wir uns bis 2025 entwickeln möchten; also über welches Produktportfolio wir in Zukunft verfügen und in welchen Ländern und Märkten wir aktiv sein möchten.

Wie wird ODU 2025 aussehen?

Giba:

Genauer möchte ich mich dazu noch nicht äußern. Ich kann aber schon einmal eines unserer Ziele ankündigen, nämlich dass wir bis dahin unseren Umsatz verdoppeln wollen.

Im letzten Jahr waren das 170 Millionen Euro. Wir sprechen also von ungefähr 340 Millionen Euro.

Giba:

Genau. Das wäre eine Wachstumsrate, die auch dem prozentualen Wachstum der letzten Jahre entspricht. Die Planung ist also durchaus realistisch. Bei der Unternehmens- und Produktentwicklung ist uns Kontinuität wichtig. Es geht um Evolution und nicht um disruptive Neuerfindungen. Wir müssen uns nicht neu erfinden.

Dann lassen Sie uns über Steckverbinder sprechen. Was sind Ihrer Meinung nach aktuell die wichtigsten Trends?

Günter Rohr:

Einer der entscheidenden Trends ist die Miniaturisierung. Wir haben das bereits vor Jahren erkannt und entsprechende Produkte, wie den AMC High-Density, entwickelt. Mittlerweile bestätigt sich, dass wir den richtigen Riecher hatten. Deshalb bauen wir unsere Produktpalette in diesem Bereich weiter aus.

Wie weit lassen sich Steckverbinder noch verkleinern?

Rohr:

Bei der Miniaturisierung geht es nicht nur um Verkleinerung. In diesem Zusammenhang wird stets nur über kleinere Steckverbinder gesprochen. Das ist aber zu einseitig gedacht. Miniaturisierung heißt auch, mehr Funktionalität in einem Steckverbinder unterzubringen. Es geht dabei auch um Modularität, Kompaktheit, und um hybride Kontakteinsätze. Verschiedene Funktionen müssen kombiniert werden. Dann kann aus drei Steckverbindern in Zukunft einer werden. Auch das ist Miniaturisierung.

Modularisierung und Miniaturisierung sind somit nicht voneinander zu trennen, sondern gehen Hand in Hand?

Rohr:

Genau, sie ergänzen sich gegenseitig. Dabei spielen natürlich viele weitere Komponenten eine Rolle. Der Stecker muss schließlich auch mit einem Kabel verbunden werden. Deshalb muss auch das Kabel entsprechend angepasst werden und mehr Funktionen enthalten. Am Ende weisen alle Komponenten zusätzliche Eigenschaften auf dem gleichen Raum auf.

Ist Modularisierung auch notwendig, weil sich die Kundenanforderungen so stark unterscheiden und jeder ein speziell auf ihn zugeschnittenes Produkt erwartet?

Markus Rochau:

Auf jeden Fall. Unser modularer Rechtecksteckverbinder, der ODU-MAC, ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Die erste Serie davon gab es bereits vor über 30 Jahren. Wir haben ihn seitdem so weiterentwickelt, dass er auch heute für viele Anwendungen die richtige Lösung ist. Mit ihm lässt sich in einem Steckverbinder alles übertragen, von Signalen, Strom, Hochstrom, Hochspannung, Koaxialverbindungen, Daten, bis hin zu Flüssigkeiten und Druckluft, und das alles in einer sehr hohen Packungsdichte. Der ODU-MAC ist der Steckverbinder am Markt mit der höchsten Packungsdichte. In ein Gehäuse passen bis zu 740 Kontakte. Damit können sich Kunden mit nur einem System ihre individuellen Steckverbinder ab Losgröße 1 zusammenstellen, die innerhalb von zwei Wochen lieferbar sind.

Giba:

Losgröße 1 ist nicht nur so dahingesagt. Wir liefern auf Wunsch wirklich nur einen Steckverbinder. Und um auf Ihre Frage zurückzukommen, Modularisierung hilft ganz klar bei der Individualisierung. Mit solchen modularen Steckverbindern ist es möglich, genau das Produkt zu fertigen, das der Kunde möchte.

Bei modularen Produkten steigt auch die Beratungsleistung. Bemerken Sie generell, dass die Kunden eine umfassendere Beratung erwarten?

Rochau:

Im modularen Bereich ist das ganz klar der Fall. Dafür haben wir eine eigene Abteilung, das Application Center.

Rohr:

Mit der Komplexität erhöht sich natürlich auch die Notwendigkeit einer Beratung. Es kommt aber sehr stark darauf an, wo der Steckverbinder eingesetzt wird. Bei der Beratung geht die Schere sehr stark auseinander. Der M12-Steckverbinder ist zum Beispiel, ohne wertend sein zu wollen, ein Standardprodukt. Kunden, die ihn einsetzen, brauchen weniger Hilfestellung. Anders sieht es wie gesagt bei den modularen Steckverbindern aus. Wenn Sie damit Daten, Strom, Druckluft und Wasser übertragen möchten, ist das sehr komplex.

Wird die Übertragung von Flüssigkeiten und Druckluft häufig nachgefragt?

Rochau:

Bei ungefähr 15 bis 20 Prozent unserer modularen Steckverbinder ist das der Fall. Wir arbeiten aktuell dafür an einem neuen Modul, das Daten und Drucklufteinsätze in einem Modul kombiniert und somit noch kompakter ist. Und auch bei der Übertragung von Flüssigkeiten möchten wir uns noch breiter aufstellen. Gerade in der Medizintechnik wird das stark nachgefragt.

Steigt der Beratungsaufwand auch, weil sich Kunden weniger um die technischen Spezifikationen kümmern, sondern nur ein passendes Produkt erwerben möchten?

Rochau:

Es geht immer mehr in diese Richtung.

Giba:

Oder sie möchten eben eine exakt für ihre Situation passende Lösung haben. Damit beauftragen sie dann einen kompletten Systemlieferanten wie uns. Wir erstellen dann das komplette Konzept für den Kunden und fertigen es auch. Niemand kauft bewusst einen Stecker, sondern eine Lösung für die Übertragung. Genau in diesem Bereich sehe ich auch unsere Kompetenzen. Das begeistert uns, das können unsere Mitarbeiter und dafür haben wir die Fertigungstiefe.

Welche Nachteile ergeben sich beim Einsatz modularer Steckverbinder?

Rohr:

Konkrete Nachteile sehe ich nicht. Die Herausforderung besteht darin, dass sich die Komplexität erhöht. Je mehr Übertragungsarten ein Steckverbinder enthält, desto schwieriger ist es natürlich, die Kabel und die Anschlusstechnik korrekt abzustimmen. Eventuell sind durch die Übertragung von unterschiedlichen Medien auch zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen notwendig.

Giba:

Genau für diese komplexen Projekte haben wir in unserem Application Center ein Team aufgebaut. Diese Spezialisten arbeiten sehr eng mit unseren Kunden zusammen und helfen ihnen, die Komplexität in den Griff zu bekommen und Fehler zu vermeiden.

Planen Sie modulare Steckverbinder künftig auch mit Überspannungsschutz- oder Zustandsüberwachungsmodulen anzubieten?

Rochau:

Zwei Drittel unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit kundenspezifischen Lösungen. Dort integrieren wir neben vielen anderen Funktionen auch solche Module. Es gibt auch Überlegungen, das für Standardprodukte anzubieten. Konkret möchte ich mich dazu aber noch nicht äußern.

Viele Verbesserungen bei Steckverbindern scheinen in letzter Zeit vor allem auf ein einfacheres Handling abzuzielen. Bemerken Sie diese Entwicklung ebenfalls?

Giba:

Es ist auf jeden Fall wichtig, immer den Nutzer ganz früh in die Lösungsfindung einzubinden, wenn auch nur gedanklich. Nehmen Sie zum Beispiel einige unserer Militärstecker. Diese sollte auch ein Soldat optimal verwenden können, der nicht Elektrotechnik studiert hat. Wir achten deshalb nicht nur auf die sichere Verbindung von Gerät A zu Gerät B, sondern auch auf das Stecken selbst. Damit es möglichst zu keiner fehlerhaften Verwendung kommen kann.

Es existieren zurzeit sehr viele verschiedene Steckverbindertypen. Werden einige von ihnen durch modulare Steckverbinder verdrängt?

Rochau:

Bei Rechtecksteckverbindern werden Monoblocklösungen mehr und mehr durch modulare Varianten ersetzt.

Rohr:

Es werden keine Typen verschwinden, weil die Anwendungsfelder zu verschieden sind. Die einzelnen Varianten entwickeln sich sicherlich alle weiter, da es für alle von ihnen gute Gründe gibt, die zu dem jeweiligen Anwendungsfeld passen. Meines Erachtens wird die Anzahl der Typen sogar zunehmen.

Immer öfter drängen Technologien aus dem Konsumbereich in die Industrie, etwa Ethernet. Sehen Sie diese Gefahr bei Steckverbindern nicht?

Rohr:

Nein, die sehe ich nicht. Natürlich kommt auch USB und HDMI in der Industrie an. Sie verdrängen aber nicht die bestehenden Steckverbinder, sondern kommen zusätzlich hinzu. Der Wunsch nach Vereinheitlichung ist natürlich vorhanden. Gleichzeitig möchten die Kunden aber für jede ihrer Anwendung die bestmögliche Steckervariante. Aus Kostensicht ist Vereinheitlichung absolut wünschenswert, aus Entwicklungssicht aber nicht unbedingt.

Im Industriebereich werden verstärkt Wireless-Technologien eingesetzt. Sehen Sie das als Konkurrenz für sich?

Giba:

Nein, das sehe ich nicht als Konkurrenz. Natürlich lassen sich manche Sachen, etwa Energie, auch Wireless übertragen. Besonders flexibel ist das bisher aber noch nicht. Dafür müssen die Geräte genau auf bestimmte Punkte gelegt oder gefahren werden. Da sind Kabel deutlich flexibler. Richtig sinnvoll funktioniert das bisher nur bei Daten. Und oft müssen neben Daten auch Strom und Flüssigkeiten übertragen werden. Da ist es nicht sinnvoll, auf Wireless zu setzen.

Rohr:

Man darf dabei auch den Sicherheitsaspekt nicht aus den Augen verlieren. Die Sicherheit der Daten ist mit Steckverbindern sehr viel einfacher zu gewährleisten, als das bei drahtloser Übertragung der Fall ist.

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