Messgerät zur Verfolgung des Gärprozesses Bier brauen leicht gemacht

Endress+Hauser (Deutschland) GmbH+Co.KG

Durch die Kombination von drei verschiedenen Messverfahren in nur einem Gerät lassen sich im Gärprozess direkt vier Parameter messen.

Bild: iStock, cookelma
24.10.2022

Wer eine Flasche seines Lieblingsbieres öffnet, erwartet ein Geschmackserlebnis, wie er es kennt. Für Verbraucher eine Selbstverständlichkeit – doch dahinter steckt ein komplexer Prozess, bei dem vor allem die Gärung genau kontrolliert werden muss. Ein neues Multisensor-Messgerät ermöglicht durch die Kombination verschiedener Messverfahren in Verbindung mit digitalen Technologien eine Live-Verfolgung des Gärprozesses.

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Wasser, Malz, Hopfen und Hefe: Diese Grundzutaten haben alle Biere gemeinsam. Beim Brauprozess müssen jedoch eine Vielzahl von Parametern beachtet werden. Ausgehend von der Würzebereitung spielt hierbei vor allem die Vergärung eine zentrale Rolle. Voraussetzung für eine optimale Vergärung der Würze ist eine gute und wiederholbare Prozessführung. Sie gewährleistet eine stabile Bierqualität. Um den Gärprozess zu kontrollieren, werden häufig noch ein- oder zweimal täglich manuelle Probennahmen vorgenommen. Die Proben aus dem Prozess werden normalerweise mittels einer Spindel vor Ort gemessen, oft werden sie auch in einem Labor mit Messgeräten analysiert. Anhand der Ergebnisse lässt sich der scheinbare Extraktgehalt des Jungbieres ermitteln. Auf dieser Basis wird dann versucht, den Vergärungsgrad zu bestimmen.

Die Nachteile des Prozederes liegen auf der Hand: Für die Probenahmen müssen Brauer oder ihre Mitarbeiter vor Ort sein und pro Tank mit einem Zeitaufwand von bis zu 15 Minuten rechnen. Diese Analyse ist jedoch nur die Momentaufnahme eines hochdynamisch verlaufenden Gärprozesses. Ein weiteres Problem liegt darin, dass das Spindeln oder die Labormessung sich meist nur auf eine Messgröße, beispielsweise die Dichte, stützen. Diese reicht aber nicht aus, um unter anderem den Extraktgehalt (bestehend zum größten Teil aus Zuckern, Aminosäuren und Salzen) und den durch die Gärung tatsächlich gebildeten Ethanolgehalt zu messen. Die Folge: Sowohl diese Größen als auch der Vergärungsgrad müssen durch Näherungsgleichungen, basierend auf den Balling-Formeln, festgelegt werden. Eine wirkliche Trockenmasse kann damit nicht bestimmt werden. Eine durchgehende und nachvollziehbare Prozessführung wird dem Braumeister somit erschwert.

Multisensor-Messgerät als Alternative

Neue Technologien und die Digitalisierung bieten nun Alternativen zu den manuellen Probenahmen und Labormessungen. Ein Beispiel dafür ist das Multisensor-Gerät Fermentation Monitor QWX43 von Endress+Hauser. Der Hersteller von Mess- und Automatisierungstechniken hat ein Produkt entwickelt, das ohne großen Aufwand am Gärtank angebracht wird und direkt ins Bier eintaucht. So misst Fermentation Monitor QWX43 während der Gärung kontinuierlich Dichte, Ultraschall-Laufzeit und Prozesstemperatur – ohne dass jemand direkt vor Ort sein muss.

Die Messwerte werden per WLAN vom Sensor an das IIoT-Ökosystem Netilion von Endress+Hauser übermittelt. In dieser nach höchsten Standards gesicherten Cloud berechnet der auf den ermittelten Zusammenhängen basierende Algorithmus aus den Roh-Messwerten in Echtzeit die für den Braumeister relevanten Parameter, wie zum Beispiel Stammwürze, Extrakt, Alkoholgehalt und Vergärungsgrad. Mit der Anwendung Netilion Value kann er die Daten jederzeit auf dem Smartphone, dem Tablet oder am Computer abrufen und herunterladen. Mittels der in Netilion gespeicherten historischen Daten ist es dem Braumeister zudem möglich, den gesamten Prozessablauf eines oder aller Gärvorgänge nach Chargen geordnet zu überblicken und zu bewerten.

Messung von Dichte, Viskosität und Temperatur

Das Gerät Fermentation Monitor QWX43 basiert auf der Technologie des Vibroniksensors. Die Gabeln werden durch piezoelektrische Elemente zur Schwingung angeregt. Die Dichtebestimmung erfolgt über eine Frequenzmessung, beziehungsweise über die Frequenzänderung der Gabelschwingung. Eine erhöhte Dichte lässt sich an einer geringeren Schwingfrequenz ablesen. Zusätzlich erzeugen die genannten piezoelektrischen Elemente ein hochfrequentes Ultraschall-Signal zwischen den Schwinggabeln. Hierbei kann die Ultraschallgeschwindigkeit hochgenau bestimmt werden. Sie unterscheidet sich je nach Zusammensetzung des Mediums. Zur Bestimmung der Viskosität wird der Einfluss des Mediums auf die Dämpfung der Schwingung ermittelt. Hierzu wird die Schwingung während des Prozesses immer für einige Millisekunden gestoppt und das Abklingverhalten der Schwingung beurteilt. Eine hochgenaue Temperaturmessung durch zwei PT1000-Sensoren im Temperaturfühler kompensieren Temperatureinflüsse des Mediums auf die verschiedenen Messgrößen und übermitteln zudem exakt die Prozesstemperatur.

Daher kann ein Multisensor-Messgerät wie der Fermentation Monitor QWX43 den Gärprozess ganzheitlicher abbilden als reine Dichte- oder Ultraschallmessgeräte. Der Hintergrund: Bier besteht in einer vereinfachten Sichtweise aus den drei Komponenten Wasser, gelöste Feststoffe und Alkohol. Da Wasser als Medium bereits sehr gut durch mathematisch-chemische Modelle beschrieben ist, sind hier nur zwei weitere Variablen zur unabhängigen Bestimmung der beiden übrigen Konzentrationen (gelöste Feststoffe und Alkohol) notwendig. Während des Gärprozesses nimmt die Dichte sowohl durch den Zuckerabbau als auch durch die Alkoholbildung ab. Ihr Verhalten ist also nicht spezifisch für eine der Messgrößen. Das Verhalten der Schallgeschwindigkeit allerdings unterscheidet sich bei Alkoholzunahme sowie bei Zuckerabnahme deutlich. Bei Zuckerabnahme verringert sich die Schallgeschwindigkeit, bei Alkoholzunahme erhöht sie sich.

Intelligente Vernetzung der Daten

Dieses Verhalten der Dichte und Schallgeschwindigkeit jeweils für sich allein genommen würde es nicht ermöglichen, die Reaktionsmechanismen während der Gärung und auch die Verhältnisse von Alkohol und Extraktgehalt im Gärverlauf zueinander zu bestimmen. Nur über eine intelligente Vernetzung der gemessenen Variablen und die Einbeziehung zahlreicher empirisch ermittelter Reaktionskinetiken kann die Vergärung zu jedem Zeitpunkt charakterisiert werden. So ist es mit dem Messgerät Fermentation Monitor QWX43 möglich, Alkoholbildung und Extraktabnahme unabhängig voneinander darzustellen. Das Messgerät kann zum Beispiel auch erkennen, in welchem Gärzustand sich der Prozess gerade befindet oder ob sich Wasser oder Würze im Tank befindet.

Ein weiterer Vorteil, der sich aus der Kombination von Messtechnik und Datenverarbeitung ergibt: In der Cloud-Plattform Netilion von Endress+Hauser kann der Braumeister zum Beispiel eine produzierte Charge, die einen idealen Gärprozess durchlief, als Referenz-Charge kennzeichnen und die Messwerte der laufenden Charge automatisch und kontinuierlich mit dieser Referenz abgleichen. Sobald die laufende Charge wesentlich von der Referenz-Charge abweicht, wird der Brauer von der App informiert und kann sofort Maßnahmen ergreifen, um eine wiederholbare Prozessführung und somit die Qualität des Bieres zu gewährleisten. Der Brauer kann für alle Prozessereignisse individuell pro Biersorte eine Alarmfunktion einrichten – erreichen die Parameter einen definierten kritischen Wert, meldet sich die App. So lassen sich beispielsweise die Kapazitäten der Gärtanks maximieren, indem zum idealen Zeitpunkt gekühlt wird.

Nutzung der Brauhefe optimieren

Ein weiteres Beispiel für mögliche Prozessverbesserungen ist die optimierte Nutzung der Brauhefe. Die Betrachtung der Anstellhefe ist hierbei wichtig. Sie leistet den entscheidenden Beitrag für die Produktivität der Gärung und das Verhalten während der Reifung sowie den Erhalt der gewünschten Bierqualität. Zur Wahrung der Qualität ist es wichtig, dass eine mögliche Degeneration der Anstellhefe frühzeitig erkannt wird. Aus der Literatur ist zudem bekannt, dass gerade bei der Vergärung in den als wirtschaftlich geltenden zylindrokonischen Tanks (ZKT) die Hefe gestresst wird. Aufgrund der Konvektion durch CO2-Bildung erfolgt ein verzögertes Absetzen. So lässt die Hefe in ihrer Gäraktivität von Charge zu Charge nach und muss im Vergleich zu traditionellen Gärverfahren häufiger gewechselt werden.

Heute lässt sich dank der hygienisch und technisch ausgereiften Prozessführung die Qualität der Anstellhefe gut charakterisieren: zum Beispiel anhand der Ethanolbildungsrate, der Entstehung üblicher Stoffwechselnebenprodukte oder des Nährstoffverbrauchs. Der Verlauf dieser Indikatoren ist sowohl vor als auch während der Hauptgärung interessant.

Anzeichen für eine Degeneration beziehungsweise Stressfaktoren für den Hefeansatz sind unter anderem:

  • Eine Verlangsamung der Vergärung im Vergleich zu vorangegangenen Gärungen.

  • Unvollständige Vergärung trotz gutem Nahrungsangebot und optimaler Temperatur.

  • Eine Verlängerung der Lag-Phase vor der tatsächlichen Verstoffwechselung der angebotenen Zucker.

  • Temperaturschocks > 1 Kelvin in der Angär- und Vermehrungsphase. Diese führen unter Umständen zu einer Degeneration des Hefeansatzes, was mit einer verminderten Gärgeschwindigkeit quittiert wird.

  • Eine Führung des gesamten Hefeansatzes auch während der Lagerung kann zu einer verringerten Adaption der Hefe an die angebotene Maltose führen und somit die Lag-Phase und das Erreichen der Endvergärung verlängern.

  • Die Wachstumsphase der Hefen wird durch das bei Standard-Würzen unvermeidbare Eintreten des Crabtree-Effekts unter aeroben Bedingungen negativ beeinflusst, da weniger Biomasse gebildet werden kann. Dies führt bei häufiger Wiederverwendung zu einer Population älterer Erntehefen.

Wie können nun die Prozessdaten des Fermentation Monitor QWX43 genutzt werden, um die Anstellhefe zu charakterisieren? Die detaillierten, hochgenauen und wiederholbaren Messwerte sind verlässliche Indikatoren für die Ethanolbildung und den Nährstoffabbau. Zusätzlich kann die Zunahme der Hefezellzahl am Anfang des Prozesses aus der beobachteten Viskositätserhöhung des Mediums abgeleitet werden. Durch den Vergleich aktueller Prozessdaten mit Daten der letzten Gärvorgänge können Schwellenwerte zur Steuerung der Hefewiederverwendung definiert werden. Diese können zum Beispiel auf der Auswertung der Lag-Phasen oder der Länge und Intensität des Crabtree-Effektes beziehungsweise dem tatsächlichen Start der anaeroben Gärung beruhen. Dem Braumeister ist es möglich, die momentanen und vorherigen Gärkurven verschiedener Chargen einfach zu vergleichen, unabhängig vom Tank, in welchem das Bier gebraut wird. Auf dieser Basis kann er entscheiden, ob die verwendete Hefe durch frische ersetzt werden sollte.

Beispielsweise kann eine signifikante Verlängerung der aeroben Gärungsphase (Crabtree-Effekt) und somit eine Verschlechterung des Sprossungsverhaltens der Anstellhefe über zwei aufeinanderfolgende Sude über die Signale des Fermentation Monitor QWX43 nachgewiesen werden. Diese Entscheidungsfaktoren lassen sich dann auch als Schwellenwerte für eine automatische Benachrichtigung durch das System hinterlegen. Der wiederkehrende Crabtree-Effekt ist anhand der Gärkurven gut erkennbar und dient so als Frühwarnstufe für eine mögliche Überalterung der Anstellhefen.

Als zusätzlicher Indikator für das Hefeverhalten kann die hochauflösend dargestellte und gemessene Viskosität des Bieres während der Gärung herangezogen werden: Bei Gärungen gleicher Biersorten verhält sich die Viskosität während der betrachteten Zeiträume ähnlich und lässt somit einen Vergleich zu. Da sich am Anfang der Wachstumsphase die Hefen stark vermehren, steigt die Viskosität an und erreicht zu Beginn der Hauptgärung ihr Plateau. Anschließend fällt sie mit dem Absinken der Hefe wieder auf das Ursprungsniveau. Mittels dieses Indikators kann der Erntezeitpunkt der Hefen weiter optimiert werden.

Fazit

Durch die Kombination von drei verschiedenen Messverfahren in nur einem Gerät lassen sich im Gärprozess direkt vier Parameter messen. Aus diesen wird mit Hilfe digitaler Technologien und der Verknüpfung entsprechender Algorithmen die Reaktionskinetik des Gärprozesses abgebildet. Damit hat man eine Live-Übertragung des Gärprozesses und kann die Prozessführung optimal steuern. Das Messgerät Fermentation Monitor QWX43 ersetzt nicht das Know-how des Braumeisters, aber es unterstützt ihn, das Brauhandwerk optimal ausüben zu können.

Bildergalerie

  • Das Multisensor-Messgerät misst während der Gärung kontinuierlich Dichte, Ultraschall-Laufzeit und Prozesstemperatur.

    Das Multisensor-Messgerät misst während der Gärung kontinuierlich Dichte, Ultraschall-Laufzeit und Prozesstemperatur.

    Bild: Endress+Hauser

  • Das Multisensor-Gerät ermöglicht 
laborgenaue und wiederholbare 
Messungen in Echtzeit.

    Das Multisensor-Gerät ermöglicht
    laborgenaue und wiederholbare
    Messungen in Echtzeit.

    Bild: Endress+Hauser

  • In der Anwendung Netilion Value werden die Messwerte und Chargen übersichtlich dargestellt.

    In der Anwendung Netilion Value werden die Messwerte und Chargen übersichtlich dargestellt.

    Bild: Endress+Hauser

  • Der Braumeister kann die Messwerte seines Bieres mit jedem internetfähigen Gerät von überall aus abrufen.

    Der Braumeister kann die Messwerte seines Bieres mit jedem internetfähigen Gerät von überall aus abrufen.

    Bild: Endress+Hauser

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