Standard für High Performance Computing „Bestehende Standards reichen zukünftig nicht mehr aus“

Peter Müller ist Vice President Product Center Boards & Modules bei Kontron.

Bild: Kontron
13.05.2019

Kontron entwickelt den neuen Computer-on-Module-Standard COM HPC. Er ist für Embedded Industrial Server Class Computing ausgelegt und soll als Basis für Anwendungen mit KI, 5G und autonomen Fahrzeugen zum Einsatz kommen. Peter Müller, Vice President Product Center Boards & Modules bei Kontron, kommentiert die Hintergründe zur Entwicklung.

Das Datenwachstum ist unaufhaltsam und der kommende Mobilfunkstandard 5G wird es noch beschleunigen. Experten erwarten neue digitale Geschäftsmodelle, die erst durch die hohen Datenübertragungsraten des kommenden 5G-Standards denkbar werden.

Anwendungen wie Künstliche Intelligenz kommen mit enormem Datenhunger und erfordern die blitzschnelle, algorithmenbasierte Auswertung von riesigen Datenbeständen. IoT-Devices, Sensoren und Aktoren, von denen stündlich mehr ins Internet gehen, produzieren ungeheure Datenmengen beispielsweise aus autonomen Fahrzeugen. Dabei müssen in Sekundenbruchteilen hunderte von Signalen verarbeitet werden.

Viele dieser Szenarien spielen sich nicht mehr im geschützten Hochleistungsrechenzentrum oder in der Cloud ab, sondern nahe am Entstehungsort der Daten: am Mobilfunkmasten, an der Fertigungsstraße, in der Lagerhalle, an der Prozessanlage oder in autonomen Fahrzeugen, um nur einige aufzuzählen. Dort, wo bisher schon Embedded Industrial Computer zuverlässig und langlebig ihren Dienst versahen, wird nun ein Vielfaches an Leistungsfähigkeit und Datendurchsatz benötigt.

COM-Standard nach oben ergänzen

Das erfordert auch neue Konzepte für Embedded Computer: Um mit dem hohen Datenaufkommen und der erforderlichen Rechenleistung zur Bearbeitung dieser Daten zurechtzukommen, reichen bestehende Standards zukünftig nicht mehr aus. COM Express bietet bereits eine höhere Bandbreite mit dem im Jahr 2016 veröffentlichten Type 7, stößt jedoch für zukünftige High-Performance-Anwendungen an seine Grenzen. Für weniger leistungshungrige Anwendungen wird COM Express weiterleben.

Hersteller wie Kontron haben im Standardisierungsgremium PICMG eine neue Working Group gegründet, um den COM-Standard zukunftsfähig zu machen. Computer-On-Module High Performance Computing, abgekürzt COM HPC (bisheriger Arbeitstitel COM HD), wird den vorhandenen COM-Express-Standard nach oben ergänzen.

COM HPC wird High-End-Server-Prozessoren und bis zu acht SODIMMS für Speicher unterstützen und eine Verlustleistung vermutlich bis 125 W erlauben, wo bisher mit COM Express bei 60 W Schluss war. Der neue PCI-Express-4.0-Standard wird ebenfalls unterstützt, aber auch der kommende 5.0-Standard, der von COM Express nicht mehr bedient werden kann, weshalb COM HPC mit einem neuen Stecker-Layout kommt, welches auch 64 PCIe Lanes unterstützen wird. Auch für zukünftige schnelle Verbindungen über USB 3.2 und Netzwerkstandards wie 100-Gbit-Ethernet ist COM HPC gerüstet.

Dazu wird COM HPC zwei neue Hochgeschwindigkeitsstecker mit mindestens viermal 100 Pins verwenden – in Summe also über 800 Pins. Basis wird zwar Samtecs ADF6/ADM6-Serie sein, allerdings sollen die Reihenabstände noch vergrößert werden und das Endergebnis auch für andere Hersteller nutzbar sein – Single Source will man hier ganz bewusst vermeiden.

Einsatz im rauen Industrieumfeld

Die Zielgruppe für die neuen COM-HPC-Module ist ganz klar der Factory Floor und andere Einsatzbereiche mit rauen Umgebungsbedingungen. Hier stehen industrielle Szenarien im Vordergrund, bei denen die Module und Carrier-Boards einiges aushalten müssen.

Im Gegensatz zu klassischen IT-Servern, die für den Gebrauch im geschützten Rechenzentrum oder Serverraum entwickelt wurden, sind Boards auf Basis von COM HPC auch für raue Industrieumgebungen ausgelegt, bieten dort dann aber die Leistungsfähigkeit und Flexibilität typischer IT-Server. Kontron erwartet, dass es Industrial Embedded Server auf Basis von COM HPC in zwei Ausprägungen geben wird: eine leistungsstarke Variante mit Grafik, wie sie von COM Express bekannt ist, und eine Variante ohne Grafik mit deutlich mehr Daten-Lanes für anspruchsvolle Serverkonzepte.

Nah am Datenursprung

Kontron wird bis Anfang 2020 auf Basis des COM-HPC-Standards leistungsfähige Server-Class-Module in das Konzept From Edge to Fog to Cloud ergänzen, zum Beispiel, um die enorme Datenflut, die von Edge-Gateways kommt, in Edge-Servern zu bewältigen, als Teil einer Embedded Cloud, um KI-Auswertungen nahe an der Datenquelle vornehmen zu können oder um Daten blitzschnell zu filtern, bevor sie in das Rechenzentrum oder eine Public oder Private Cloud weitergeleitet werden.

Bei COM HPC arbeitet das Unternehmen mit anderen Herstellern daran, bisher nur von IT-Servern bekannte Leistungsfähigkeit und Flexibilität in das Intelligent Edge zu bringen. Sie werden damit die Basis für digitale Anwendungen nahe an dem Ursprung der Daten bilden, unabhängig davon, wie anspruchsvoll die Umgebungsbedingungen sind: Servers go embedded and rugged. Erste Module und Boards mit dem neuen Standard werden für Anfang 2020 erwartet.

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