Touchscreens für Industriedisplays Bediensicher unter schwierigen Bedingungen

Bild: Rafi; iStock, Eureka_89
16.05.2018

Touchscreens sehen sich im industriellen Einsatz anspruchsvollen Bedingungen gegenüber. Sie müssen sich auch mit Handschuhen und trotz Kontakt mit Flüssigkeiten sicher bedienen lassen. Erreicht wird das durch die Wahl eines passenden Touchcontrollers. Worauf Entwickler dabei achten müssen, erfahren Sie hier.

Obwohl die ersten kapazitiven Touchscreens bereits vor über 40 Jahren entwickelt wurden, erfolgte der Markt-Durchbruch dieser Technik erst 2007 mit dem iPhone. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete der HMI-Spezialist Rafi bereits seit drei Jahren daran, der kapazitiven Eingabetechnologie durch extrem robuste Ausführungen und einer Verfeinerung der Eingabe-Auswertung den Weg auch für den industriellen Einsatz zu ebnen. Die Herausforderung bestand darin, die erforderliche Sensitivität bei sehr robusten Displays mit schlagunempfindlichen Frontscheiben zu gewährleisten. Noch anspruchsvoller war es, zugleich ein individuell konfigurierbares Verhalten dieser Bildschirme zu implementieren, das das Risiko von Fehlbedienungen – oder Kontakt mit Flüssigkeiten – minimiert. Bei der Lösung dieser Aufgabenstellungen spielte die Leistungsfähigkeit der verwendeten Touchcontroller der Maxtouch-Serie von Microchip eine entscheidende Rolle.

Merkmale industrietauglicher PCAP-Systeme

Die kapazitiven Glasscape-Touchbediensysteme von Rafi erfüllen mit staub- und wasserdichten Gehäusen, schlagfesten Displays und hoher Störsicherheit alle grundlegenden Forderungen an die mechanische und elektrische Stabilität. Da eine uneingeschränkte Industrietauglichkeit jedoch nicht nur physikalische Widerstandsfähigkeit, sondern auch Bediensicherheit und ein minimiertes Risiko für Fehleingaben voraussetzt, hat Rafi bei seinen Glasscape-Systemen verschiedene Maßnahmen umgesetzt.

Funktionale Medienbeständigkeit

Ohne geeignete Gegenmaßnahmen lösen Wasser oder andere leitende Flüssigkeiten auf kapazitiven Touchscreens Fehleingaben aus und können die akkurate Bedienung erschweren oder unmöglich machen. Doch in vielen Anwendungsfällen lässt sich nicht komplett vermeiden, dass Flüssigkeiten auf die Bedienoberflächen gelangen. Dank der Maxtouch-Touchcontroller von Microchip, die Rafi seit 2011 verwendet, beherrschen Glasscape-
Touchmonitore diese Herausforderungen souverän. Bei entsprechender Einstellung der umfangreichen Filtermechanismen sorgen auch nasse Bildschirmoberflächen für keine Irritationen der Bedienung. Sogar eine Reinigung im laufenden Betrieb ist möglich, ohne dass es dadurch zu Fehlbetätigungen kommt oder die vorgesehene Bedienfunktionalität eingeschränkt wird. Für die Güte der Maxtouch-Funktionen ist eine Parametrierung entscheidend, die individuell auf die kundenspezifischen Anforderungen abgestimmt ist. Zunächst definiert Rafi gemeinsam mit dem Kunden die Arten möglicher Fehlbedienungen sowie die Medien, die am Einsatzort mit der Eingabeoberfläche in Kontakt kommen könnten. Anschließend wird die komplexe Parametrierung vorgenommen. Die Touchcontroller der Maxtouch-Serie gehören bis heute zu den leistungsfähigsten Auswerteeinheiten am Markt und stellen eine beständig wachsende Anzahl intelligenter Zusatz- und Filterfunktionen bereit. Auch hinsichtlich der Störfestigkeit erreichen die Controller Bestwerte und eignen sich damit für den Industrie-Einsatz: In EMV-Tests erfüllen sie problemlos die Anforderungen der gültigen Industrienorm, die eine EMV-Beständigkeit von 10V/m HF-Einstrahlung vorschreibt. Zudem halten sie Entladungen von bis zu 20 kV stand. Systeme anderer Hersteller erreichten diese Werte bei weitem nicht. Weil die Implementierung und Parametrierung umfassendes technisches Know-how erfordern, liefert Microchip seine Produkte nur an eigens geschulte Integrationspartner. Rafi zählt zu den vier europäischen Unternehmen, die die Maxtouch-Controller exklusiv von Atmel erhalten.

Bedienung mit Handschuhen

Lange war die zuverlässige Bedienung mit Arbeitshandschuhen ein Schwachpunkt kapazitiver Touch-Eingabesysteme, denn „den Arbeitshandschuh“ gibt es nicht: Je nach Materialdicke variiert der Abstand vom Finger zum Touchpanel. Während die Bedienung mit geschützten Fingern in der Fertigungsindustrie meist mit Leder- oder Stoffhandschuhen erfolgt, tragen Bediener in Pharma- oder Lebensmittelproduktionen zum Beispiel sterile Kunststoff- oder Steril- beziehungsweise Latexhandschuhe.

Durch die weitreichenden Parametrierungsmöglichkeiten der Touchcontroller lässt sich die Empfindlichkeit der Glasscape-
Sensorik für alle Materialien gezielt anpassen. Eine zusätzliche Option bieten die Maxtouch-Controller des Typs mXT2952T, mit denen Rafi hochauflösende Glasscape-Systeme mit Diagonalen bis 24 Zoll realisiert. Neben der Glove-Detection-Funktion zur vereinfachten Handschuherkennung zeichnen sich die neuen Modelle dadurch aus, dass sie sowohl mit der Self-Capacitance-
als auch mit der Mutual-Capacitance-Messmethode arbeiten können. Im Mutual-Capacitance-Modus erfasst der Controller pro Scandurchlauf mehrere Berührungen des Touchscreens. So kann er Multitouch-Eingaben mit bis zu 16 Fingern sowie hochkomplexe Gestensteuerungen verarbeiten. Dagegen lassen sich mit dem hochsensitiven Self-Capacitance-Verfahren, das nur Singletouch-Eingaben gestattet, optimierte Näherungsfunktionen realisieren. Dabei reagiert der Sensor einstellbar nicht erst bei unmittelbarem Kontakt, sondern bereits, wenn eine Kapazität (also ein Finger oder Stift) eine bestimmte Distanz zum Sensor unterschreitet. Abhängig von der Parametrierung erfolgt die Umschaltung zwischen den beiden Messmodi automatisch.

Manuelle Fehleingaben unterdrücken

Der Komfort-Vorteil kapazitiver Touch-Technik kann sich ins Gegenteil verkehren, wenn keine Gegenmaßnahmen ungewollte Eingaben etwa durch unbedachte Bewegungen oder durch unüberlegtes Abstützen auf dem Touchscreen verhindern. Maxtouch-Controller können nicht nur Fehleingaben durch Kontakt mit Flüssigkeiten filtern, sondern auch unbeabsichtigte Berührungen des Glassensors ignorieren. Die Touch Suppression genannte Filterfunktion sorgt dafür, dass der Touch-Controller unbeabsichtigte Betätigung beispielsweise durch Handballenauflage an der Fläche der Berührung erkennt und verwirft. Gleiches gilt für versehentliche Wischbewegungen.

Haptische Nutzerführung

In Anwendungsfällen, bei denen Bediener die Maschine im Auge behalten müssen, gewährleisten Nutzer- beziehungsweise Fingerführungen mit ertastbarer Rückmeldung die Sicherheit der Blind-Bedienung. Dafür realisiert Rafi neben reinen Touchscreens auch kapazitive Bedienlösungen in anwendungsspezifischen Sonderformen, die mit abgesetzten Touch-Eingabeflächen die Bediensicherheit zusätzlich erhöhen. Zum Beispiel führt Rafi umfassende Bearbeitungen der kapazitiven Frontplatten mit eingefrästen Slidern oder Wheels aus, die eine rein haptische Orientierung ermöglichen. Zusätzlich implementiert der HMI-Spezialist auch kapazitive Tasterfelder, Slider oder Trackpads auf Basis von 2D-Touch-Sensoren.

Seit Neuestem bietet Rafi mit Glasscape Forsense auch einen Touchscreen, der sich sowohl kapazitiv als auch über eine Krafterkennung bedienen lässt und die Eingaben über ein kontextabhängiges spürbares Feedback quittiert. Durch die Krafterkennung löst die eigentliche Funktion erst aus, nachdem eine frei einstellbare Kraftschwelle überschritten wurde. Mit der haptischen Nutzerführung gewährleistet die Lösung eine sichere Blindbedienung anspruchsvoller Maschinen. Die größte Herausforderung bei der Realisierung von Glasscape Forsense bestand darin, das aus dem Consumer-Bereich bekannte Force-Feedback-Prinzip mit den sechsfach stärkeren und vielfach größeren Frontgläsern der Industrieapplikationen zu realisieren. Dazu mussten die Frontgläser schwingungsfähig gelagert und mit entsprechenden Drucksensoren in den Rahmen integriert werden. Obwohl die Anforderungen an Sensorik, Controller und Mechanik äußerst hoch sind, lassen sie sich mit der bewährten Kombination aus den Maxtouch-Controllern und Rafi-Touch-Sensoren gut erfüllen.

Beste Darstellung bei jedem Licht

Nicht zuletzt spielt die Erkennbarkeit bei starkem Lichteinfall eine entscheidende Rolle für die Bediensicherheit. Doch bei Touchscreens, die mit herkömmlichen Verfahren gefertigt wurden, führt helles Umgebungslicht sehr oft zu einer blassen Anzeige mit lediglich schwachem Kontrastverhältnis. Die Ursache dafür sind Luftspalte, die bedingt durch die Fertigung zwischen der Frontplatte, dem PCAP-Touch-Sensor und dem Display entstehen. Lichteinfall ruft an den Grenzschichten der transparenten Medien Lichtreflexionen hervor, die sich mit dem angezeigten Bild überlagern. In der Folge können Sonneneinstrahlung oder helles Tageslicht die Bildkontraste verschlechtern und damit die Ablesbarkeit entweder einschränken oder gar unmöglich
machen.

Aus diesem Grund setzt Rafi bei der Fertigung seiner Touchdisplays auf das optische Trockenbonding – ein optimiertes Verfahren, das auch bei direkter Sonneneinstrahlung ein exzellentes Kontrastverhältnis gewährleistet. Bei dieser Fertigungstechnologie wird der Luftspalt zwischen Display und Touch-Sensor mit einem optischen Medium ausgefüllt, das die Reflexion des Lichts an den Grenzschichten minimiert. Die Bildschirmanzeige gewinnt dadurch deutlich an Kontrast und Brillanz. Zudem verhindert die Verfüllung der Zwischenräume Kondenswasserbildung oder das Eindringen von Staub zwischen den Schichten und erhöht die Schlagfestigkeit des Panels.

Integration von Glasscape-Systemen

Kunden, die ein Glasscape-Touch-System integrieren möchten, erhalten von Rafi komplette Modullösungen, die sich über I²C- und Mini-USB-Schnittstellen wahlweise als eingebettete Lösung anschließen lassen. Durch den Kommunikations-Controller stellt Rafi zudem eine einheitliche Softwareschnittstelle zur Verfügung, an der sich auch bei künftigen Modifikationen der Touch-Controller durch den Hersteller nichts ändert. Der Controller unterstützt die Betriebssysteme Windows 7, 8 und 10, WCE6, WCE8 und WCE2013 sowie Linux. Zu den obligatorischen Basisfunktionen der Rafi-Auswerteelektronik zählen unter anderem Bootloader für Touch-Konfigurationsupdates, Heart-
beat-Überwachungsfunktionen, Kalibrierung, Selbsttest einschließlich Sensortests, Touch-Unterdrückung und die Host-Software für das Touch-Gateway.

Volle Industrietauglichkeit für die Maschinen- und Anlagensteuerung ist mit dem von Rafi angebotenen Professional-Paket gewährleistet. Es beinhaltet zusätzlich zu den Basisfunktionen erweiterte Touch-Daten, eine Rauschmessung zur Noise-Suppression und Bootloader für den Kommunikations-Controller, den Maxtouch-Controller sowie optional die Software Touch-Gateway-Stack in Form des Quellcodes für die einfache Integration in die Applikation. Außerdem bietet Rafi auch Komplettsysteme mit Glasscape-Touch-System an, die andere Eingabemöglichkeiten und Rechnerplattformen kombinieren.

Bildergalerie

  • Ob mit oder ohne Handschuhe - Industriedisplays mit Touchscreen müssen sich in beiden Fällen sicher bedienen lassen.

    Ob mit oder ohne Handschuhe - Industriedisplays mit Touchscreen müssen sich in beiden Fällen sicher bedienen lassen.

  • Nässe auf dem Glasscape-Touchscreen führt zu keinen Einschränkungen der Funktionalität, da die Maxtouch-Controller das Wasser erkennen und die dadurch ausgelöste Fehleingabe unterdrücken.

    Nässe auf dem Glasscape-Touchscreen führt zu keinen Einschränkungen der Funktionalität, da die Maxtouch-Controller das Wasser erkennen und die dadurch ausgelöste Fehleingabe unterdrücken.

  • Bei entsprechender Parametrierung ist auch die Reinigung im laufenden Betrieb möglich, ohne dass es dadurch zu Fehlbetätigungen kommt.

    Bei entsprechender Parametrierung ist auch die Reinigung im laufenden Betrieb möglich, ohne dass es dadurch zu Fehlbetätigungen kommt.

  • Glasscape-Touchscreens lassen sich mit Arbeits- oder Steril-Handschuhen bedienen. Versehentliche Berührungen durch Handballenablage löst keine Eingabe aus.

    Glasscape-Touchscreens lassen sich mit Arbeits- oder Steril-Handschuhen bedienen. Versehentliche Berührungen durch Handballenablage löst keine Eingabe aus.

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