Automobilelektronik Bedarfsgerecht regeln und Kraftstoff sparen

Produktplattform „Mobile“: Alle Module für den Einsatz im Nutzfahrzeug sind in einem einheitlichen Gehäuse mit identischem Aufbau untergebracht.

11.09.2013

Eine bedarfsgerechte Drehzahlregelung von elektrisch angetriebenen Nebenaggregaten senkt den Kraftstoffbedarf von Nutzfahrzeugen. Da diesel-elektrisch oder rein elektrisch angetriebene Nutzfahrzeuge meist noch Prototypen- oder Kleinseriencharakter haben, sind bei der notwendigen Leistungselektronik modulare und flexibel einsetzbare Produktbaukästen gefragt.

Der Leistungsbedarf von Nebenaggregaten in Nutzfahrzeugen ist nicht zu unterschätzen. Je nach Umfang und Ausstattung kann er in Lkw und vor allem in Stadtbussen bis zu 80kW betragen. Die Zahlen summieren sich: 5 bis 10kW für die Lenkhilfepumpe, 5 bis 30kW für die Klimaanlage, rund 15kW für den Luftdruck und weitere 10kW für Gebläse, die bis zu 10kW für das Bordnetz nicht zu vergessen. Dabei entsprechen 80kW in der Spitze immerhin 110PS, die vom Dieselmotor aufzubringen sind - aber nicht als eigentlich gewünschte Leistung den Asphalt erreichen. Werden Nebenaggregate hingegen bedarfsgerecht elektrisch angetrieben, lässt sich der skizzierte Energiebedarf nicht selten halbieren. Daraus resultieren zwei gravierende Vorteile: Sinkender Spritverbrauch und bessere Fahrleistung. Die Mechanismen hinter dieser Technologie folgen dem Denkprinzip der seit Jahren etablierten, bedarfsgerechten Drehzahlregelung von Elektromotoren im Maschinen- und Anlagenbau.

Energie auf Abruf

Bedarfsgerecht ansteuern heißt, dass Nebenaggregate wie Klimakompressor, Lenkhilfepumpe oder Druckluftkompressor nur dann betrieben werden, wenn sie auch erforderlich sind. Das bedeutet, dass sie zum richtigen Zeitpunkt ein- und ausgeschaltet werden müssen. Aber auch, dass die Drehzahl an die tatsächlich benötigte Leistung angepasst wird. Die Leistungsaufnahme und damit der Kraftstoffverbrauch lassen sich so deutlich senken - zum Beispiel indem die Kühlmittelpumpe erst dann zugeschaltet wird, wenn der Motor warm ist beziehungsweise der Durchfluss entsprechend der Motortemperatur geregelt wird. Als angenehmer Nebeneffekt der Elektrifizierung erhöhen sich Dynamik und Ansprechverhalten des Fahrzeugs spürbar, da das Hochdrehen der Kurbelwelle beim Beschleunigen nicht mehr - wie bei konventionellen Fahrzeugen - durch die mitlaufenden Nebenaggregate gehemmt wird.

Teilaufgaben elektrisch erledigen

„Angesicht dieser Vorteile, sehen wir neue Einsatzmöglichkeiten für elektrische Antriebssteuerungen und dringen dabei immer mehr in einen Markt vor, der bei den Nutzfahrzeugen eigentlich vom Verbrennungsmotor dominiert wird“, erläutert Frank Meier, Vorstand Technologie und Entwicklung bei Lenze. Immer mehr Teilaufgaben lassen sich von elektrischen Systemen erledigen - Lenkhilfepumpen, Traktionsantriebe, Klimaanlagen und Bordnetzversorgung sind nur vier Beispiele. Im Gegensatz zum Auto agiert der Nutzfahrzeugmarkt mit deutlich niedrigeren Verkaufszahlen. Die Systeme müssen daher flexibel einsetzbar und anpassungsfähig sein, um die anteiligen Entwicklungskosten pro Fahrzeug zu begrenzen. Mit der Plattform „Mobile“ als standardisierter Baukasten hat Lenze Know-how aus der Fertigungsautomatisierung für den Einsatz in Fahrzeugen übertragen.

Flexibel auf �?nderungen reagieren

Anzahl, Ausführung und Anordnung der Nebenaggregate unterscheiden sich je nach Fahrzeugtyp und Antriebsarchitektur des Nutzfahrzeugs mehr oder weniger deutlich. Darüber hinaus kommt es gerade bei Versuchsfahrzeugen zu häufigen Modifikationen oder schrittweisen Weiterentwicklungen. Die Konstrukteure benötigen daher für das Energiemanagement und das Ansteuern von Nebenaggregaten eine Lösung, mit der sie schnell auf sich ändernde technische Rahmenbedingungen sowie Rückmeldungen aus dem Praxisbetrieb und neue Markttrends reagieren können. Die Geräte des „Mobile“-Baukastens von Lenze Schmidhauser werden nach ECE R100 zertifiziert und erfüllen die im Nutzfahrzeugbau geforderten Qualitätsstandards sowie Anforderungen an die spezifischen Nutzungsprofile. Die flüssigkeitsgekühlten (Wasser/Glykol) Geräte sind temperaturbeständig, vibrationsfest und auf die Schutzart (IP6K9K) ausgelegt. Der Produktbaukasten umfasst derzeit mehrere Doppelumrichter (DCU), verschiedene DC/DC-Wandler (PSU) und entsprechende Kombimodule. Diese sind zugeschnitten für hybride Antriebskonzepte (HEV, Hybrid Electric Vehicle) sowie rein elektrische Lösungen (PEV, Plug-In Electric Vehicle). Die Doppelumrichter sind jeweils mit zwei Motor- und Generatorausgängen im Leistungsbereich von 7,5 bis 60kW ausgestattet. Sie arbeiten direkt an einem gemeinsamen Gleichspannungszwischenkreis (bis zu 800V), an dem auch alle Hochvoltkomponenten des Fahrzeugs wie Traktionsumrichter oder Batterie betrieben werden können. Zwei integrierte Resolver-Eingänge erlauben es, mit den Umrichtern eine präzise Regelung aufzubauen. Die Umrichter steuern Synchron- und Asynchronmotoren an - dreiphasig, mit oder ohne Geber - und eignen sich damit sowohl zum Ansteuern von Nebenaggregaten wie auch von kleineren Hauptantrieben. Als Gleichspannungswandler stehen verschiedene Varianten von etwa 2-kW- bis über 10-kW-Leistung mit 14 oder 28V DC-Ausgang und I maxbis zu 400A zur Verfügung. Die Wandler ermöglichen den Aufbau eines Bordnetzes oder dienen als Ersatz für die Lichtmaschine. Die Kombi-Module vereinen zum Beispiel einen 200-A-DC/DC-Wandler und einen Einzel-Umrichter in einem Modul. Alle Module der Produktplattform sind in einem einheitlichen Gehäuse mit identischem Aufbau untergebracht. Über eine CANopen- und eine J1939-Schnittstelle lassen sie sich in das Fahrzeugmanagement einbinden. Weiterhin haben die Module Anschlüsse für Sensoren wie Temperaturfühler, digitale I/Os oder Drehgeber und eine UDS-Schnittstelle (Unified Diagnostic Services). Entwickler können damit Systeme optimieren und Wartungsarbeiten einfacher und zielgerichteter durchführen. Die „Mobile“-Produkte sind mit zwei unabhängigen Controllern ausgestattet. Nutzfahrzeughersteller können sie einsetzen, um ihre Systeme an die individuelle Konfiguration und die Betriebsbedingungen der jeweiligen Anwendung in Bus, Lkw oder anderen Nutzfahrzeugen anzupassen.

Bis zu 30 Prozent Sprit sparen

Ob Bochum, München, Stuttgart oder Hamburg - in immer mehr Großstädten in Deutschland testen Entsorger, Stadtwerke und Transportunternehmen Lkw, Busse und mobile Maschinen mit Hybrid- oder Elektroantrieb. Ziel ist, die Kosten für den Betrieb der Fahrzeugflotten zu reduzieren und gleichzeitig Anwohner, Besucher und die Umwelt vor Abgas- und Lärmemissionen zu schützen. Die von den Herstellern angegebene Kraftstoffeinsparung eines Hybridfahrzeugs gegenüber dem konventionell angetriebenen Pendant von 10 bis 30 Prozent lässt sich erreichen, wenn konsequent auch die Nebenaggregate elektrifiziert und vor allem bedarfsgerecht angesteuert werden.

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