Fachbeitrag Basis des Energiedaten­managements

Entscheidungsgrundlage: Kommunikationsfähige Schalt-, Schutz- und Steuergeräte mit integrierten Messfunktionen erleichtern den Aufbau eines Energiedatenmanagements.

02.09.2014

Wird Energieverbrauch detailliert erfasst, lassen sich Einsparmaßnahmen einfach ableiten. Das Problem ist: Um den Ist-Zustand überhaupt darstellen zu können, ist meist ein gewisser technischer und finanzieller Aufwand notwendig. Eine Lösung sind Schalt-, Schutz und Steuergeräte, 
in denen die Messfunktion bereits integriert ist.

Ein entscheidender Unterschied zwischen Produktions­abläufen von gestern und heute ist neben Produktivität, Kosten­effizienz und Flexibilität das Thema Nachhaltigkeit. Dieser Begriff beinhaltet, dass nicht nur die technischen und wirtschaftlichen Aspekte moderner Fertigungsprozesse beobachtet werden, sondern auch die nicht so offensichtlichen. Dazu zählt in erster Linie der Energieeinsatz, der zwar ökonomisch relevant ist, aber auch aus ökologischer Sicht als wichtiger Ansatzpunkt für grundlegende Veränderungen gilt. Grundlegend bedeutet: Wer Energiemanagement konsequent betreiben will, muss mit einer anderen Brille durchs Werk laufen. Etwa wie Manfred Schmidt, Energiemanager in den Siemens-Werken in Amberg und Cham, der davon überzeugt ist: „Entscheidend für signifikante Verbesserungen in puncto Energieeinsatz und Nachhaltigkeit ist, dass eindeutige sowie belastbare Messdaten existieren.“

Aus seiner jahrelangen Praxis als Messtechnikspezialist kennt Schmidt das Szenario: „Liegen die Fakten erst einmal auf dem Tisch, wird auf einer ganz anderen Ebene über Verbesserungsvorschläge und -maßnahmen diskutiert.“ Ein gutes Beispiel dafür, was alles möglich ist, lieferte jüngst das Siemens­-Elektronikwerk in Amberg. Dort gibt es 17 Fertigungslinien für elektronische Baugruppen, die hochautomatisiert arbeiten. Aus den Trendkurven der gemessenen Verbrauchsdaten von Stickstoff wurden Leckagen erkannt. Sofortige Wartungsarbeiten daran ergaben eine Kosteneinsparung beim Gas in der Größenordnung von 35.000 Euro pro Jahr – und das ohne Investitionskosten. „Solche Fälle sind typisch für Maßnahmen zum Energiemanagement“, sagt Praktiker Schmidt.

Energieziele definieren

Schon seit langem ist der Stellenwert des Energiemanagements im Siemens­Konzern sehr hoch: Angelehnt an die Norm ISO 50001 wurden schon früh Energieziele definiert, die angefangen im Jahr 2010 bis 2016 systematisch umgesetzt werden sollen. Hierzu gibt es eine Reihe von KVP-Projekten (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) durch die sich Mitarbeiter gezielt einbringen können. Denn der Aufbau eines durchgängigen Energiemanagements startet im Grunde genommen immer mit einer Bestandsaufnahme beziehungsweise Analysephase: Sämtliche Prozesse und Abläufe werden unter die Lupe genommen, sprich: erfasst und bewertet. Dazu zählen Lüftung, Transportbänder, RLT-Anlagen (Raumlufttechnik), Medienversorgungen, Kompressoren und so weiter. Allein im Werk Amberg wurden beispielsweise im Jahr 2013 beim „Bewertungslauf“ 60 konkrete Maßnahmen für Energieeffizienzverbesserungen definiert, im Werk Cham waren es 30. In der Evaluierungsphase geht es dann darum, Zuständigkeiten zu klären, Verbesserungspotenziale zu ermitteln und den Investitionsbedarf abzuschätzen.

Integrierte Messtechnik

Damit Effizienzmaßnahmen nachhaltig werden, sind „eine automatische Energiedatenerfassung und -auswertung als Grundlage unerlässlich“, betont Schmidt. Hier kommt Anwendern zugute, dass der Automatisierungsausrüster bereits viele seiner industriellen Schalt-, Schutz- und Steuergeräte standardmäßig damit ausstattet: Sanftstarter Sirius und das Motormanagementsystem Simocode Pro liefern Informationen wie etwa Strom, Spannung und Wirkleistung und auch Motorstarter der dezentralen Peripherie und dezentrale Motorstarter sind mit einer Stromerfassung ausgestattet. Für die dezentrale Peripherie ET 200SP gibt es ein separates Energiemodul zum Messen von Energiegrößen.

Geräte mit integrierter Leistungselektronik liefern die für ein Energiemanagement notwendigen Messwerte. Ergänzend dazu gibt es Überwachungsgeräte im Sirius-Programm, die über IO-Link die benötigten Energieinformationen an die dezentrale Peripherie melden. Und auch die Sentron-PAC-Multi­funktionsmessgeräte eignen sich als Datengrundlage für ein Energiemanagement. „Messtechnik ist ein entscheidender Kostenfaktor und nur mit ihr ist eine flächendeckende Energieerfassung vertretbar“, lautet der Rat des Energiemanagers. „Daher ist es wichtig, dass von Anfang an, nach Möglichkeit Schalt-, Schutz- und Steuergeräte mit integrierter Messfunktion verbaut werden.“ Denn damit lassen sich klare Fakten schaffen, die geradezu automatisch zu Verbesserungen und damit zu Einspareffekten führen. Die erhaltenen Werte können direkt in der Visualisierungssoftware angezeigt und für die gezielte Auswertung im Energiedatenmanagement verwendet werden. Damit lassen sich zum Beispiel Hüllkurven, Lastgänge, Trendkurven und punktuelle Peaks darstellen, mit denen sich Aussagen über den Ist-Zustand der Anlage treffen lassen.

„Das führt mittelfristig zu einem veränderten Verhalten beim Energieverbrauch“, sagt Schmidt. Einzelne Prozesse lassen sich so bewerten, wie zum Beispiel Reinigungsphasen. In vielen Betrieben ist die Thematik seit langem bekannt, dass Produktionsanlagen selbst während Stillstandszeiten bis zu 50 Prozent ihrer Energie verbrauchen. „Das ist der größte Einsparhebel in der Produktion, den man mit entsprechender Auto­matisierungstechnik relativ unkompliziert positiv regulieren kann“, erläutert der Praktiker.

Mehrwert eines Energiedatenmanagements

Grundsätzlich sieht er in der Durchgängigkeit von der Feldebene bis in die Leitebene den größten Mehrwert beim Aufbau eines funktionierenden Energiedatenmanagements. Beispielsweise bietet Siemens ein skalierbares System an, eine Software mit der sich ganze Werke energietechnisch erfassen, bewerten und optimieren lassen. Das Energiedatenmanagement lebt von Kennzahlen (Key Performance Indicators, KPI) wie sie die Software liefert. Damit lässt sich einerseits der Ist-Zustand großer Produktionseinheiten darstellen, andererseits lassen sich Benchmarks gegenüberstellen. Auch ist mit der Software eine Erfolgskontrolle möglich, so dass sich Energie­sparmaßnahmen belegen lassen.

Das Energiedatenmanagement in Produktionsbetrieben nimmt zusehend Gestalt an: Über ProfiEnergy, dem Energiesparprofil auf Basis von Profinet, werden heute Mess- sowie Schalt-, Schutz- und Steuergeräte mit integrierter Messtechnik vernetzt. So gelangen die wichtigsten Energieverbrauchsinformationen in die Steuerungs- und Visualisierungsebene, wo sie individuell beurteilt werden können. Über ProfiEnergy können aber auch Verbraucher in nicht-produktiven Zeiten abgeschaltet werden. So lassen sich etwa Lastspitzen mit Simatic Powerrate vermeiden. Energiemanagement entwickelt sich immer mehr zu einem aktiven und integralen Element einer modernen Produktion. Sind diese Strukturen erst einmal etabliert, ist der Schritt zum intelligenten Energiedatenmanagement und der optimalen Steuerung von Maschinen, Anlagen und Gebäuden nur noch ein kleiner.

Bildergalerie

  • Externe Analyse: Energiedaten lassen sich im Service-Center aufbereiten und auswerten.

    Externe Analyse: Energiedaten lassen sich im Service-Center aufbereiten und auswerten.

    Bild: Siemens

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