Akademische Ausbildung Autonomes Fahren im Master studieren

Studierende des Studiengangs Autonomes Fahren können bereits während des Studiums an realen Projekten arbeiten.

Bild: Hochschule Coburg
18.01.2023

U-Bahnen ohne Fahrer sausen durch den Nürnberger Untergrund, in Kronach fahren autonome Shuttle-Busse: Es sind die ersten Zeichen einer Entwicklung, die unsere Mobilität nachhaltig verändern wird. Der Studiengang Autonomes Fahren der Hochschule Coburg und der Thinktank von Valeo in Kronach-Neuses bringen das Thema weiter voran.

Neben dem großen Valeo-Industriegebäude befindet sich im oberfränkischen Kronach-Neuses auch ein Gebäude mit einer eigenen Testhalle und -strecke nur fürs autonome Fahren. Über 100 Expertinnen und Experten arbeiten hier bei einem Weltmarktführer für Sensorik an der nächsten Stufe der Technologie. Es wird programmiert, simuliert und getestet – ein Thinktank für autonomes Fahren.

„Zunächst gibt es nur das Fahrzeug, ein paar Sensoren und Steuerungselemente“, sagt Toni Baric. „Erst durch den Programmiercode entsteht etwas Intelligentes, das selbstständig Entscheidungen treffen kann.“ Baric stammt aus Kroatien und arbeitete zunächst für eine Job-Agentur in Thüringen, die Fachkräfte aus seiner Heimat nach Deutschland bringt. Während der Pandemie beschloss er, ein Studium mit Perspektive zu beginnen und sich ein neues Leben in Deutschland aufbauen. Schon nach dem ersten Semester Autonomes Fahren am Lucas-Cranach-Campus in Kronach hatte er eine Festanstellung bei Valeo sicher. Den Masterstudiengang gibt es seit 2020.

Von Russland in den Frankenwald

„Autonomes Fahren ist zukunftsträchtig“, sagt auch Artem Lukin. Während seines Bachelorstudiums in Russland entdeckte er sein Interesse am Programmieren. Über Studieninformationsseiten fand er den Weg nach Kronach und begann hier das Masterstudium. „Da ich nicht nur am PC sitzen möchte, sondern auch tüfteln wollte, war Autonomes Fahren genau das Richtige für mich.“ Aktuell sammelt er als Praktikant bei Valeo Praxiserfahrungen.

Die Funktionen beim autonomen Fahren sind neuartig und komplex. In der Regel arbeiten sie nicht auf Anhieb effektiv. Lukin erklärt das so: „Aufwendige Projekte werden untereinander aufgeteilt und jeder ist für seinen Part verantwortlich. Dann werden die Algorithmen ins Gesamtsystem integriert. Ab da heißt es: viel testen, um Fehler zu erkennen, die dann schrittweise korrigiert werden, bis es klappt.“ Das anfängliche Scheitern sowie die stetige und schnelle Verbesserung sind fester Bestandteil des Entwicklungsprozesses. Diese agile Arbeitsweise lernen die Studierenden bereits im Rahmen ihres Studiums intensiv kennen.

Teamwork und Projektarbeit

Festgefahrene Stundenpläne und Vorlesungen gibt es nicht im Studiengang Autonomes Fahren. Vielmehr arbeiten die Studierenden an konkreten Projekten, entwickeln ihre eigene Produktlösung, testen diese und entwerfen Vermarktungskonzepte. Sie bilden ein Projekt-Team und nehmen hierbei unterschiedliche Rollen ein. Durch das Studienkonzept soll eine besondere Dynamik entstehen, wobei Studierende nicht nur das Fachliche lernen, sondern auch ihre zwischenmenschlichen Fähigkeiten entwickeln – auch aufgrund des aktiven Coachings durch die Dozenten.

Dieses Konzept war für Lea Städtler letztlich entscheidend dafür, in Kronach zu studieren: „Nach meinem Bachelor-Abschluss in Leipzig war mir klar, dass ich nicht weiter monoton auswendig lernen, sondern mein Wissen direkt praktisch anwenden wollte. Hier studieren wir nicht, sondern wir arbeiten an echten Projekten. Wie in der Praxis üblich mit klaren Aufgabenpaketen und Feedback-Runden, dank derer man sich fachlich und auch persönlich weiterentwickelt.“ Das Studium ist arbeits- und zeitintensiv, dafür hat man schon nach drei Semestern den Master und viele praxisrelevante Erfahrungen in der Tasche.

Anwendung: User Experience von Teleoperatoren

In einem aktuellen Projekt beschäftigen sich die Studierenden mit der Frage, wie automatisierte Bus-Shuttles durch Teleoperatoren gesteuert werden können. Zur Zeit müssen Operatoren unter anderem aus rechtlichen Gründen noch im Shuttle mitfahren. Teleoperatoren können von einem Leitstand aus mehrere Shuttles gleichzeitig steuern. In kritischen und für das Fahrzeug unbekannten Situationen können sie einschreiten und das Fahrzeug manuell lenken.

Die Herausforderung ist, die Übernahme des Fahrzeugs so einfach und kontrolliert wie möglich zu gestalten. Wichtig sind nicht nur Technik und Kommunikation zwischen Fahrzeug und Leitstand, sondern auch, dass für die Teleoperatoren alle Elemente im Bedienfeld systematisch und übersichtlich angeordnet sind, dass die Sitzposition angenehm ist und der Mensch optisches und haptisches Feedback bekommt, beispielsweise über Vibration am Lenkrad, damit das Fahrgefühl möglichst echt ist. Städtler hatte sich gleich beim ersten Projekt für die User Experience interessiert und darauf spezialisiert. „Autonomes Fahren wird die gesamte Mobilität verändern, da spielt das Erlebnis der Nutzerinnen und Nutzer eine ganz besondere Rolle, die ich aktiv mitgestalten möchte“, sagt sie. Sie schreibt ihre Masterarbeit zum Thema User Experience von Leitständen.

Othmane Megzari hat seinen Abschluss bereits gemacht. Das Jobangebot zur Festanstellung bei Valeo hatte er schon während des Studiums sicher. Er hat sich schon immer für Autos interessiert und wollte unbedingt in diesem Bereich arbeiten. Da er dafür in seiner Heimat Marokko keine Chance sah, kam er nach Deutschland. Manchmal vergisst er bei der Arbeit die Zeit, weil ihm das Programmieren und das direkte Ausprobieren am Fahrzeug so viel Spaß machen. „Zu Beginn sieht man die Fortschritte noch nicht, doch dann, mit jedem Test, werden sie erkennbar. Das motiviert dann zusätzlich. Es macht einfach Spaß zu sehen, was man wieder geschafft hat“, sagt er.

Nicht aufs Auto beschränkt

Autonomes Fahren betrifft nicht nur Pkw, Lkw und Shuttle-Busse. Es gibt beispielsweise in der Intralogistik auch autonom fahrende und arbeitende Gabelstapler, die Regallager selbstständig befüllen. Die Zukunft bietet viele Möglichkeiten: Transportschiffe, Lieferdrohnen, alle Maschinen, die sich im Raum bewegen, können autonom gestaltet werden. Zum einen kann damit dem Fachkräftemangel entgegengetreten werden. Zum anderen können Mitarbeitende sich somit auf wichtigere Aufgaben konzentrieren.

Die Technologie fasziniert Viele, wird teils aber auch skeptisch beäugt. Valentin Schäffer ist das gut bekannt. Er kam aus München zum Studium nach Kronach: „Meine Freundin stand dem autonomen Fahren zunächst skeptisch gegenüber.“ Er schätzt den familiären Flair in Kronach, außerdem reizt ihn das Neuartige seines Masterstudiengangs: „In anderen Bereichen wie Fahrzeugtechnik oder Maschinenbau geht es häufig darum: ,Wie machen wir das besser, effizienter?‘ Beim Autonomen Fahren geht es im Gegensatz dazu darum, etwas ganz Neues zu entwickeln.“ Er berichtet vom Shuttle, das in Kronach 18 km/h fährt. „Es haut alle paar Meter eine kräftige Bremse rein. Wenn man da drinsitzt, erlebt man: Es fährt gar nicht so langsam, wie man von außen denkt. Man erlebt was Neues.“

Aktuell arbeitet Schäffer neben seinem Studium als Werkstudent bei Valeo. Und am Valeo-Family-Day ist seine Freundin zum ersten Mal mit dem Shuttle gefahren. „Danach hat sie andauernd von diesem Erlebnis geschwärmt.“

Bildergalerie

  • Zukunft in historischem Ambiente: Die autonomen Shuttles in Kronach sind eine touristische Attraktion.

    Zukunft in historischem Ambiente: Die autonomen Shuttles in Kronach sind eine touristische Attraktion.

    Bild: Shuttle Modellregion Oberfranken

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