Analyse, Modellierung und Exploration von Daten mit ArcGIS „Aus Standortdaten mehr herausholen“

Mit der richtigen Datenvisualisierung können Sie enormes Potenzial aus Ihrem Standort rausholen.

Bild: Esri DECH
26.10.2022

Gerade im Energiebereich sind Daten essenziell. Kombiniert man diese in geographischen Informationssystemen und Analysewerkzeugen lassen sich interaktive, kontextabhängige Karten zur Datenvisualisierung erstellen. Doch was bringt das? Thomas Kijftenbelt von Esri DECH beantwortet diese und weitere Fragen im Energy-4.0-Interview.

Die gegenwärtige Energiekrise zeigt, dass ein Fokus auf erneuerbare Energien notwendig ist. Welche modernen Technologien können an dieser Stelle Abhilfe schaffen?

Das ist eine gute Frage. Tatsächlich ist ein großes Problem für den Ausbau der erneuerbaren Energien, oft auch als EE-Anlagen bezeichnet, die Standortplanung. Diese ist komplexer als vielen Laien bewusst ist – somit ist ein Weg, wie moderne Technologien Abhilfe leisten und den Ausbau beschleunigen können, die Standortanalyse. Ausgangspunkt für die Standortanalyse sind Daten aus unterschiedlichen Quellen wie zum Beispiel digitale Geländemodelle, Luftbilder, Vegetation, Bebauung, Schutzgebiete, demografische Daten sowie 3D-Modelle der EE-Anlagen. All diese Daten können in Geographischen Informationssystemen (GIS) kombiniert werden und ergeben so einen ganzheitlichen digitalen Zwilling, auch „Digital Twin“ genannt. Mithilfe dieses Zwillings können datenbasierte, fundierte Entscheidungen getroffen werden. Die geografischen Analysen, die sich auf seiner Grundlage durchführen lassen, können durch KI optimiert und automatisiert werden. Ebenso spielt KI eine wichtige Rolle bei der automatisierten Bilderkennung, welche bei der Standortanalyse – beispielsweise der Berechnung von Solarpotenzialen – aber auch bei der Schadenserkennung von EE-Anlagen zum Einsatz kommt.

Was genau ist ArcGIS?

Esri ist der Anbieter von ArcGIS, dem weltweit führenden Geografisches Informationssystem. Dabei handelt es sich um eine durchgängige Geo-Plattform, bestehend aus Desktop-, Web- und mobilen Anwendungen. Die drei Hauptfunktionen sind zum einen das zentrale Datenmanagement in einer Enterprise Datenbank, die als „Single Source of Truth“ dient, inklusive der Integration in Drittsysteme. Darüber hinaus bietet das ArcGIS-System verschiedene Werkzeuge für die Analyse, Modellierung und Exploration von Daten, meist mit geographischem Bezug, sowie zuletzt das Teilen der Daten und Ergebnisse mit Dritten mittels leichtgewichtiger und einfach zu konfigurierender Web-Anwendungen. Das ArcGIS-System bildet den zentralen Bestandteil einer Location Strategy in Unternehmen und unterstützt diese außerdem bei der Umsetzung ihrer Digitalisierungsstrategie.

Welche Technologien oder Werkzeuge kommen bei ArcGIS zum Einsatz?

Wir nutzen viele moderne Technologien wie beispielsweise die 3D-Visualisierung in Form von BIM-Objekten oder als 3D-Mesh, das aus 2D-Luftbildern generiert wird. Auch Geodaten aus dem Living Atlas oder Marktdaten von Partnern kommen bei uns zum Einsatz. Neben modernen Datenformen ist natürlich auch unsere Architektur state-of-the-art. Das heißt: eine moderne, Service-basierte System Architektur in der Public Cloud als Software-as-a-Service (SaaS), in der eigenen Server-Infrastruktur (on-premises), als hybrides System oder containerisiert als Microservices auf Kubernetes sind gängige Deployment-Modelle des ArcGIS Systems. Darüber hinaus lassen sich seit neuestem Knowledge-Graph-Datenbanken in ArcGIS einbinden, um unstrukturierte Daten zu verwalten und zu analysieren. Das ArcGIS System unterstützt zudem die Integration und Verarbeitung ereignisbasierter Echtzeit-Datenströme von zum Beispiel Sensoren als Datenquellen in das Enterprise-GIS und bietet somit auch Funktionen einer IoT-Plattform.

Ist ArcGIS mit jeder Plattform oder jedem System kompatibel?

ArcGIS ist offen gegenüber Drittsystemen, wodurch ein Vendor lock-in vermieden wird. Auch die Erstellung und Einbindung OGC-konformer Dienste ist möglich. Dasselbe gilt für Opensource-Frameworks und Libraries wie zum Beispiel TensorFlow, Python oder Leaflet. Durch integrierte ETL-Tools wird nahezu jedes Datenformat unterstützt und die standardisierte und dokumentierte REST-API erlaubt die Kommunikation mit anderen Systemen. Eine wichtige Rolle spielen hier auch unsere Allianzen mit anderen großen Software-Anbietern, wie zum Beispiel Autodesk und ihrer Construction Cloud, Salesforce, Microsoft und die direkte Integration von ArcGIS in deren Systeme.

Durch ArcGIS lassen sich Standorte identifizieren, die potenziell an bereits bestehende Netze integriert werden können. Wie kompliziert ist dieser Vorgang und was muss dabei berücksichtigt werden?

GIS ist das Standardwerkzeug für die Standortanalyse von Objekten jeglicher Art – sei es, um den besten Standort für einen neuen Supermarkt oder eben den optimalen Standort von EE-Anlagen zu identifizieren. Bei der Planung von EE-Anlagen, aber zum Beispiel auch bei dem Bau von E-Ladesäulen, spielt das Leitungsnetz eine bedeutende Rolle. Es muss nämlich den zusätzlichen Belastungen durch diese Anlagen standhalten. Liegen die Leitungsnetze als topologisch funktionales Netzwerk digital im GIS vor, können diese in die Standortplanung miteinbezogen werden. Je genauer und umfangreicher die für die Standortplanung einbezogenen Daten sind, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der zukünftige Standort „erfolgreich“ ist.

Erneuerbare Energien können auf unterschiedliche Weise gewonnen werden. Kann jede Form von alternativen Energien in bestehende Netze eingebaut werden oder gibt es Ausnahmen, die es zu beachten gilt?

Mithilfe der ArcGIS-Technologie und des ArcGIS Utility Networks können alle Energieversorgungsparten wie Strom, Gas, Wasser, Wasserstoff oder Wärme gemeinsam visualisiert und spartenübergreifend analysiert werden. Jede Sparte hat ihre speziellen Anforderungen, teilweise auch abhängig von den unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Netzbetreiber. Ziel sollte es deshalb sein, alle Sparten so detailliert wie möglich zu dokumentieren, ohne dass dafür die verwendete Software aufwändig angepasst werden muss. Nur so lässt sich die Interoperabilität zwischen den einzelnen Sparten optimieren und die Kommunikation und der Datenaustausch zwischen den jeweiligen Netzbetreibern, den Betreibern der EE-Anlagen und deren Dienstleistern wesentlich verbessern.

Welche Vorteile ergeben sich durch Geomapping/Geodaten im Bereich der Erneuerbaren Energien?

Als klare Vorteile sind einerseits die standardisierten und beschleunigten Planungs- und Analyseprozesse von EE-Anlagen zu bezeichnen. Zum anderen ist die ganzheitliche und durchgängige Betrachtung des Lifecycles von EE-Anlagen, also neben der Planung auch der Bau, Betrieb und die Instandhaltung unter Einbeziehung der dafür notwendigen Netzinfrastrukturen ebenfalls sehr nützlich. Durch die Einbeziehung von Geodaten und Geoanalysen in diese Prozesse lassen sich diese beschleunigen und fundierte, datenbasierte Entscheidungen ableiten.

Gibt es Unternehmen, welche besonders von ArcGIS profitieren könnten?

ArcGIS richtet sich generell an alle Branchen – insbesondere an Utilities, Transport, Telekommunikation, Kommunen und Länder, Einzelhandel, Banken und Versicherungen, sowie Behörden mit Sicherheitsaufgaben wie zum Beispiel Polizei und Feuerwehr. Die Größe des Unternehmens spielt dabei keine Rolle, da ArcGIS funktional, architektonisch und bei der Anzahl der Nutzer leicht skalierbar ist. Nach einer weit verbreiteten These besitzen rund 80 Prozent aller Daten einen Raumbezug, woraus sich folgern lässt, dass nahezu jedes datengetriebene Unternehmen von einem GIS profitieren kann.

Wie kann ein Unternehmen den Umgang mit ArcGIS erlernen?

Esri bietet eine sehr detaillierte Online-Hilfe in verschiedenen Sprachen an, zudem frei zugängliche Tutorials und Lernprogramme wie zum Beispiel Learn ArcGIS. Die Alternative dazu sind unsere Trainer-geführten Schulungen oder ein individuelles on-boarding durch das Esri Professional Services Team.

Können Sie ein praktisches Beispiel nennen, wie der Einsatz von Geomapping beziehungsweise ArcGIS bei einer nachhaltigen Energiestrategie unterstützt hat?

Ein Beispiel, wie Geomapping für den Ausbau von erneuerbaren Energien eingesetzt wird, ist der Bau neuer Photovoltaik-Anlagen entlang von Autobahnen. Denn hier gibt es Platz auf Freiflächen und Schutzwällen entlang von Straßen und Bahnlinien, wodurch sich ein großes Potenzial für neue Anlagen bietet. Mit ArcGIS könnten wir hier sowohl die Standortanalyse unterstützen, aber auch die Genehmigungsplanung, den Bau und sogar den späteren Betrieb. Ein weiteres interessantes Beispiel ist die Herstellung von grünem Wasserstoff. Grüner Wasserstoff kann bis 2050 bis zu einem Viertel des weltweiten Energiebedarfs abdecken – es lohnt sich also hier einmal genauer hinzuschauen. Grüner Wasserstoff ist eine Art der Förderung und gleichzeitig die nachhaltigste Methode zur Herstellung von Wasserstoff. Bei diesem Verfahren wird Energie aus Wind, Sonne oder einer anderen erneuerbaren Quelle genutzt, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten, wobei keine Kohlenstoffemissionen entstehen. Für Wasserstoffproduzenten werden die Kosten für die Umstellung auf grünen Wasserstoff weitgehend von einem wesentlichen Faktor bestimmt – nämlich dem Standort der Wasserstoffanlage. Wichtig ist also auch hier die Standortanalyse.

Wie kostspielig ist ArcGIS?

Der Preis gestaltet sich ganz unterschiedlich – je nach Anzahl der Benutzer und der benötigten Funktionen abhängig von den Anwendungsfällen und den zu unterstützenden Prozessen. Das ArcGIS System ist für jede Unternehmensgröße und für jeden Anwendungsfall optimal skalierbar, auch in preislicher Hinsicht. Für Utility Unternehmen jeder Größe bietet sich zudem der Abschluss eines sogenannten Enterprise Agreements mit weiteren Vorteilen an.

Wie sieht die Zukunft von ArcGIS aus?

Esri Inc. investiert jedes Jahr etwa 30 Prozent des erwirtschafteten Umsatzes in Forschung und Entwicklung und ist somit seit über 50 Jahren GIS-Pionier und GIS-Marktführer. Die GIS-Lösungen werden sich vermehrt in das Web verlagern, wie beispielsweise durch ArcGIS Velocity als SaaS-Angebot für Real-Time- und Big Data-Analysen. Ebenso bietet ArcGIS Image for ArcGIS Online eine Hosting-, Analyse- und Streaming-Lösung für Bilddaten. Wir streben zudem die Etablierung von Microservices bei ArcGIS on-premises- und Cloud-Lösungen an. Das ArcGIS Utility Network ist die Next-Generation-Technologie für die Erstellung eines digitalen Zwillings des Leitungsnetzes und bildet die Basis der zukünftigen Leitungsdokumentation. Die Geospatial Artificial Intelligence, oder kurz GeoAI, spielt in der zukünftigen GIS-Welt ebenfalls eine immer wichtigere Rolle, wenn es zum Beispiel um die Analyse von großen Datenmengen und das Erkennen von Mustern geht. Esri integriert dazu die am Markt etablierten Frameworks wie zum Beispiel TensorFlow, IBM Watson, Amazon Machine Learning, oder Microsoft CNTK in seine ArcGIS Technologie.

Welchen Ansatz würden Sie verfolgen, um die gegenwärtige Energiekrise in Deutschland zu bewältigen?

Die aktuelle Situation zeigt, wie abhängig wir im Energiesektor von anderen Staaten sind. Damit Deutschland sich daraus lösen und endlich unabhängiger werden kann, muss zum einen der Ausbau von erneuerbaren Energien unbedingt beschleunigt werden. Auch über die Nutzung von grünem Wasserstoff als Speichermedium bei Stromüberproduktion sollten wir hierzulande nachdenken und gleichzeitig GIS für Umweltschutz und Nachhaltigkeit einsetzen. Darüber hinaus bedarf es einer Optimierung, wenn nicht sogar Erneuerung der aktuellen Mobilitätskonzepte. Damit die hierfür eingesetzten Gelder nicht versickern, sondern effizient eingesetzt werden können, ist eine datenbasierte Planung und Entscheidung unerlässlich. Nur dann, wenn alle Dimensionen in einen gemeinsamen Kontext gesetzt werden können, lassen sich Potenziale, aber auch mögliche Risiken bereits vor dem ersten Spatenstich erkennen.

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  • The Ray, eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Atlanta, setzt geobasierte Software ein, um Autobahnflächen als Standorte für Solaranlagen zu identifizieren und zu bewerten. The Ray arbeitete mit Partnern zusammen, um diese fünf Hektar große Ein-Megawatt-Solaranlage neben einer Autobahnkreuzung in La Grange, Georgia, zu entwickeln.

    The Ray, eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Atlanta, setzt geobasierte Software ein, um Autobahnflächen als Standorte für Solaranlagen zu identifizieren und zu bewerten. The Ray arbeitete mit Partnern zusammen, um diese fünf Hektar große Ein-Megawatt-Solaranlage neben einer Autobahnkreuzung in La Grange, Georgia, zu entwickeln.

    Bild: The Ray

  • Thomas Kijftenbelt ist seit 2019 Director Sales bei Esri DECH, dem weltweiten Marktführer für GIS-Software und Location Intelligence. Zuvor war er 20 Jahre lang in verschiedenen Positionen bei Siemens in Deutschland und den Niederlanden tätig.

    Thomas Kijftenbelt ist seit 2019 Director Sales bei Esri DECH, dem weltweiten Marktführer für GIS-Software und Location Intelligence. Zuvor war er 20 Jahre lang in verschiedenen Positionen bei Siemens in Deutschland und den Niederlanden tätig.

    Bild: Esri DECH

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