Seismische Daten Auf dem Mars kommt Bewegung ins Spiel

Einer der Brüche, aus denen das Grabensystem Cerberus Fossae besteht. Die Brüche durchziehen Berge und Krater, was darauf hindeutet, dass sie relativ jung sind.

Bild: ESA/DLR/FU Berlin
09.11.2022

Bisher wurde der Mars als geologisch toter Planet angesehen. Seismische Wellen deuten nun allerdings darauf hin, dass die Marsoberfläche noch immer von Vulkanismus geprägt wird. Dies berichtet ein internationales Forschungsteam unter Leitung der ETH Zürich.

Seit 2018, als im Rahmen der InSight Mission der Nasa das Seismometer SEIS auf der Marsoberfläche installiert wurde, haben Seismologen und Geophysiker der ETH Zürich seismische Wellen von mehr als 1.300 Marsbeben registriert. Immer wieder haben die Forschenden kleinere und grössere Beben feststellen können.

Nun förderte eine detaillierte Analyse des Orts und der spektralen Eigenschaften dieser Marsbeben Überraschendes zutage: Die Beben geben nämlich Hinweise darauf, dass die Marsoberfläche noch immer von vulkanischen Aktivitäten geprägt wird.

Anzeichen neuerer Aktivitäten auf dem Mars

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der ETH Zürich hat mehr als 20 neuere Marsbeben analysiert, die ihren Ursprung in den Cerberus Fossae hatten – das ist eine aus verschiedenen Gräben und Brüchen bestehende Region auf dem Mars.

Aus den seismischen Daten schlossen die Forschenden, dass die niedrigfrequenten Beben auf eine potenziell warme Quelle hindeuten. Diese würde sich erklären lassen durch in neuerer Zeit und in dieser Tiefe geschmolzene Lava, das heisst Magma unter der Marsoberfläche, sowie vulkanische Aktivitäten auf dem Mars. Insbesondere stellten die Forschenden fest, dass die Beben grösstenteils im innersten Teil des Grabensystems der Cerberus Fossae stattfanden.

Als sie seismische Daten mit Aufnahmen des entsprechenden Bereichs verglichen, entdeckten die Forschenden zudem nicht nur in der Hauptwindrichtung, sondern in verschiedene Richtungen um die Cerberus Fossae herum dunklere Ascheablagerungen. „Der dunklere Farbton dieser Asche weist neuere vulkanische Aktivität nach, die vielleicht innerhalb der letzten 50.000 Jahre aufgetreten ist. Das ist geologisch gesehen relativ jung“, erklärt Simon Stähler, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter der von Professor Domenico Giardini geleiteten Gruppe Seismologie und Geodynamik am Institut für Geophysik der ETH Zürich.

Wozu Untersuchungen auf unserem Nachbarplaneten?

Die Nachbarplaneten der Erde zu untersuchen, ist keine einfache Aufgabe. Der Mars ist der einzige Planet neben der Erde, auf dem Forschende bodengestützte Rover, Lander und jetzt sogar Drohnen stationiert haben, welche Daten übertragen. Für die Erkundung aller anderen Planeten ist man bisher auf Bilder aus dem Weltraum angewiesen.

„SEIS ist das empfindlichste je auf einem anderen Planeten installierte Seismometer“, sagt Giardini. „Es bietet Geophysikern und Seismologen die Möglichkeit, mit aktuellen Daten zu arbeiten, die aufzeigen, was gerade auf dem Mars passiert, und zwar sowohl auf der Oberfläche als auch im Inneren.“ Zusammen mit Aufnahmen aus der Umlaufbahn bieten die seismischen Daten verlässliche wissenschaftliche Hinweise.

Als einer unserer unmittelbaren Nachbarplaneten ist der Mars auch wichtig für das Verständnis ähnlicher geologischer Prozesse auf der Erde. Der Rote Planet ist der einzige uns bekannte Planet, dessen Kern aus Eisen, Nickel und Schwefel besteht, die möglicherweise einst Teil eines Magnetfelds waren. Topografische Erkenntnisse deuten zudem darauf hin, dass der Mars früher über große Wassermengen und eine potenziell dichtere Atmosphäre verfügte. Noch heute gibt es gefrorenes Wasser an den Polkappen des Planeten, wenn auch wahrscheinlich größtenteils als Trockeneis.

„Auch wenn es noch viel zu entdecken gibt, ist der Nachweis eines möglichen Magmavorkommens auf dem Mars spannend“, so Anna Mittelholz, die als Postdoc an der ETH Zürich und der Harvard University tätig ist.

Letzte Reste geophysischen Lebens

Schaut man sich Bilder der trockenen, staubigen Weiten der Marslandschaft an, ist schwer vorstellbar, dass der Mars vor etwa 3,6 Milliarden Jahren lebendig war – zumindest aus geophysischer Sicht. Jedenfalls spie er ausreichend lange Vulkanschutt aus, um die Tharsis-Berge, das größte Vulkansystem unseres Sonnensystems, und den Olympus Mons zu bilden, einen Vulkan, der fast dreimal so hoch ist wie der höchste Berg der Erde, der Mount Everest.

Dass sich der Bebenherd in den nahen Cerberus Fossae – benannt nach dem Höllenhund aus der griechischen Mythologie – befand, deutet darauf hin, dass der Mars noch nicht ganz tot ist. Hier kommt es zum Absinken in der Vulkanregion und zur Bildung paralleler Gräben (oder Brüche), wodurch die Kruste des Planeten ähnlich wie die eines Kuchens im Backofen aufreißt. Laut Stähler ist es möglich, dass das, was wir dort sehen, der Rest einer ehemals aktiven Vulkanregion ist oder dass das Magma sich gerade weiter nach Osten hin zum nächsten Ausbruchsherd bewegt.

An der Studie waren Forschende der ETH Zürich, der Harvard University, der Universität Nantes, des CNRS Paris, des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums (DLR) in Berlin sowie des Caltech beteiligt.

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