News Auf dem Energie-Highway zum Supernetz

17.08.2013

Auf eine lange Leitung möchte mancher lieber verzichten. Für fern vom Verbraucher geerntete erneuerbare Energie müssen die Stromtrassen allerdings oft ziemlich lang werden. Mit HGÜ überschreitet Strom schon heute Grenzen und bringt Erzeuger und Abnehmer näher zusammen.

Schier unendliche Weiten trennen die Orte, wo Sonnen- und Windstrom entsteht, und oft wird die Leistung an anderer Stelle im Stromnetz benötigt. Ausreichend große, wirtschaftliche Speicher, die Energie in sonnen- und windarmen Zeiten bereitstellen, sind nicht in Sicht.

Deshalb erlebt die DC-Technologie (Direct Current, deutsch: Gleichstrom) derzeit eine wahre Rennaissance. Im "Stromkrieg", der Ende des 19. Jahrhunderts zwischen George Westinghouse und Thomas Edison tobte, war Gleichstrom noch unterlegen. Mit der wachsenden Anzahl regenerativer Energieerzeuger in den Stromnetzen der Welt kann die Technologie nun aber ihre Vorteile ausspielen.

In Zukunft HGÜ

Alstom setzt in Zukunft vor allem auf die HVDC-Technologie (High-voltage direct current, deutsch Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, HGÜ), in der das Unternehmen den Schlüssel für den Energietransport über lange Strecken und Ländergrenzen hinweg sieht. HGÜ eröffnet zudem die Möglichkeit, die Lücke zwischen asynchronen Netzen (50 und 60 Hertz) zu schließen und unterschiedliche Flussrichtungen zu bedienen. Hinzu kommt, dass Gleichstrom beim Stromtransport per Unterwasserkabel zuverlässiger ist.

Die Vorteile sind beispielsweise in den USA hilfreich, wo drei verschiedene Verbundnetze den Stromtransport erschweren. Auch in Europa kann Gleichstrom seine Vorteile ausspielen, denn es ist klar, dass hier künftig die Erneuerbaren regieren sollen und damit verschiedene Flussrichtungen im Netz vorprogrammiert sind.

Im Sommer stellte das Unternehmen in Birmingham seine Lösungen für das "Supergrid" der Zukunft vor. Claes Scheibe, Vice President Power Electronic Activities bei Alstom Grid in Frankreich, verkündete in diesem Rahmen: "Wir bauen die Energieautobahnen der Zukunft", und schwärmte: "Mit einem größeren Energie-system, etwa in Europa, wären wir in der Lage, Strom hin und her zu schieben."

Großes Marktpotenzial

Das Marktpotenzial für die HGÜ sei weltweit enorm. Mit mehr als 50 Milliarden Euro beziffert Alstom das Potenzial bis 2020 und rechnet mit einem eigenen Marktanteil von 20 Prozent. Zu den wichtigsten Märkten zählen in der Rechnung Nord- und Südamerika, China, Indien und Europa, wobei man sowohl von On-shore- als auch Offshore-Projekten ausgeht. In vielen dieser Gebiete klaffe eine große räumliche Lücke zwischen der Ener-gieerzeugung auf der einen und den Stromabnehmern auf der anderen Seite.

In Sachen Akzeptanz sehen die Alstom-Experten dabei kaum Probleme. Offshore-Projekte seien vor allem von institutionellen und preislichen Hürden abhängig und die Akzeptanz für Onshore-Projekte komme von selbst, da die Notwendigkeit für den platzsparenden Stromtransport an Land vorhanden sei.

Technik noch nicht ausgereift

Obwohl an den Vorteilen der HGÜ-Technik kein Zweifel zu bestehen scheint und auf diesem Gebiet bereits viel passiert, betonte Scheibe, dass es noch einige technische Hürden gebe. So sind etwa kompaktere und effizientere VSC (Voltage Source Converter, deutsch Spannungszwischenkreis-Stromrichter) nötig. Damit lassen sich Wirk- und Blindleistungsaustausch mit dem Netz getrennt regeln. Da die Technologie ihren eigenen Spannungskurvenverlauf generiert, ermögliche sie den Schwarzstart eines Inselnetzes, etwa in einem Offshore-Windpark.

Neue Komponenten

Aber auch neue Regeltechnologien und Leistungsschalter müssen entwickelt werden, um das Gleichstromnetz effektiv betreiben zu können. In Villeurbanne (Frankreich) konnte Alstom Anfang 2013 bereits gute Ergebnisse mit einem HGÜ-Leistungsschutzschalter erzielen: In weniger als 2,5 Millisekunden unterbrach der Schutzschalter in einer Prüfanlage Ströme von über 3000 Ampere. Doch auch die Konkurrenz schläft nicht. So stellte etwa ABB auf der Hannover Messe 2013 den nach eigenen Angaben weltweit ersten, hybriden DC-Leistungsschalter vor, der den Stromfluss mit einer schnellen Mechanik und verlustarmer Leistungselektronik in weniger als fünf Millisekunden unterbricht.

HGÜ-Forschung nah am Markt

Um den vielen Herausforderungen der HGÜ-Technologie gerecht zu werden, hat Alstom in Stafford (England) ein HVDC-Kompetenzzentrum errichtet. Schwerpunkte sind hier die VSC-Technologie, die etwa bei dem schwedischen Projekt MaxSine zum Einsatz kommt, sowie die LLC-Technologie (Line Commutated Converter, deutsch selbstgeführte Stromrichter). Zudem werden in einer riesigen Halle Transformatoren für das Supergrid gefertigt. LCC kommt vor allem in Projekten mit großen Leistungen zum Einsatz und ermöglicht Verbindungen bis 500 kV und eine Langstreckenübertragung bis zu 800 kV.

Das Zentrum in Stafford, das für Alstom ein Multimillionen-Investment war, zeigt nach außen, dass das Unternehmen in die HGÜ-Technologie vertraut. Man rechnet damit, sich mit dem Zentrum für die nächsten 20 Jahre gut positioniert zu haben. Auch die geographische Lage hat einen strategischen Grund: Mit dem Bau in Stafford hat man sich die Nähe zur Alstom-Forschung, aber auch zu einem der wichtigen Zielmärkte gesichert. Neben der Technik für MaxSine werden hier auch DC-Komponenten für das Offshore-Projekt DolWin 3 gefertigt.

Auf dem Weg zum Supernetz

In Projekten wie MaxSine beweist Alstom sich schon heute. DC soll aber künftig auch im Mittelspannungsnetz zum Einsatz kommen, und auch DC-DC-Übertragung könnte in Zukunft ein interessantes Feld sein, insbesondere für Elektroautos und Photovoltaik.

Die Idealvorstellung ist ein sogenanntes DC-Overlay-Netz, bei dem Wechselstrom und Gleichstrom gemeinsam den Stromtransport über lange Strecken ermöglicht, ohne dass dabei die Streckenlänge eine gravierende Rolle spielt. Eine Vision in diesem Zusammenhang ist die Speicherung von Strom zum Beispiel in Ländern wie Norwegen.

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel