Reibung und Schmutz vermindern Atmendes Material schmiert sich wie ein Regenwurm von selbst

Das vom INM entwickelte Material schmiert sich dynamisch selbst, wenn Druck ausgeübt wird. Seine Funktionsweise und Oberfläche sind dem Regenwurm nachempfunden.

Bild: Iris Maurer, INM
14.11.2018

Regenwürmer sind immer sauber, selbst wenn sie aus noch so feuchter, klebriger Erde kommen. Das haben sie einer Schmutz abweisenden, gleitfördernden Schmierschicht zu verdanken, die sich auf ihrer Haut immer wieder selbst bildet. Forscher vom INM haben dieses System aus der Natur nun künstlich nachgebaut: Herausgekommen ist ein Material, das sich selbst immer dann mit Schmiermittel versorgt, wenn Druck ausgeübt wird.

Entwickelt haben die Wissenschaftler ein Material aus einem weichen Kunststoff, in dessen Innerem sich Tröpfchen aus Silikonöl als Schmiermittel befinden. „Wenn wir Druck auf das Material geben, verändern die Tröpfchen ihre Form und wandern an die Oberfläche. Das Silikonöl verteilt sich dann gleichmäßig auf der Oberfläche zu einer wasser- und schmutzabweisenden Gleitschicht“, erklärt Jiaxi Cui, Leiter der Forschungsgruppe Schaltbare Mikrofluidik.

Verringert sich der Druck, bilden sich die Tröpfchen zurück. Außerdem lässt sich die Gleitschicht auch entfernen und bildet sich immer wieder neu, wenn Druck auf das Material einwirkt. „Es reagiert also dynamisch auf Druck – wie ein ‚atmendes‘ System“, fasst Cui zusammen.

Raue Oberfläche für längere Lebensdauer

Die Oberflächenstruktur des neuen Materials spielt ebenfalls eine wichtige Rolle – auch hierbei haben sich die Forscher vom Regenwurm inspirieren lassen. „Seine Hautoberfläche ist nicht glatt, sondern rau. Das haben wir bei unserem Material berücksichtigt und die Oberfläche aufgeraut“, erläutert Cui. Gerade durch diese Rauigkeit könne sich ein gleichmäßiger Schmierfilm ausbilden und gut haften bleiben. Davon hängt ab, wie reibungsmindernd sich das neue Material verhalten kann.

Die Oberflächenstruktur ist aber auch für die Langlebigkeit der Schmierwirkung von Bedeutung: „Wir haben den Gleitfilm auf unseren ‚Regenwurmstrukturen‘ mit einem Gleitfilm auf einer glatten Oberfläche verglichen: Unsere Strukturen überstehen 10.000 Reibungszyklen, während es bei Gleitfilmen auf glatten Strukturen nur 300 Reibungszyklen sind“, sagt der Chemiker Cui. Gerade diese Kombination aus rauer Oberfläche und den Schmiermitteltröpfchen im Inneren sei das Besondere an dem neuen Material.

Auch im Festen gleiten

Zwar gibt es schon einige Strukturen, die die Reibung vermindern – darunter auch solche, die der Funktionsweise von Tierhäuten nachempfunden sind. Auch Systeme, die selbst Schmierstoffe freisetzen, sind von Forschern untersucht. Sie alle funktionieren bisher jedoch nur in flüssiger Umgebung.

„Wir stellen erstmals eine Anwendung vor, die die Reibung in fester Umgebung verringert und haben uns dafür vom Regenwurm inspirieren lassen, da er auch durch eine feste Umgebung, Erde, gleitet“, betont Cui. Die Forscher können sich zahlreiche Anwendungen in der Industrie oder Biomedizin vorstellen, nämlich immer dann, wenn ein Gerät reibungslos durch etwas Festes gleiten soll. Zudem ist auf diese Weise geschmiertes Material gegen das Aufwachsen von Mikroben geschützt.

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  • Die Kombination aus rauer Oberfläche und den Schmiermitteltröpfchen im Inneren zeichnen das neue Material aus.

    Die Kombination aus rauer Oberfläche und den Schmiermitteltröpfchen im Inneren zeichnen das neue Material aus.

    Bild: Iris Maurer, INM

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