Corporate News Antikörper-Registrierung leicht gemacht

Bild: Jan Greune, Roche
07.09.2015

Auch im Biotechnologie-Umfeld können Unternehmen vom Open-Innovation-Ansatz profitieren. Mithilfe einer neuen Softwarelösung von Roche lassen sich biologische Wirkstoffe in Arzneimitteln systematisch analysieren und verändern.

In der Arzneimittelentwicklung ist es nicht erst seit der zunehmenden Bedeutung der personalisierten Medizin ein langgehegter Traum: die chemischen Strukturen in einem Arzneimittel zu identifizieren, die für dessen Wirksamkeit verantwortlich sind. Sind viele dieser Strukturen in einer Datenbank gespeichert, lassen sich aus ihnen neue Arzneien mit optimierten Eigenschaften am Computer zusammensetzen. Auch Veränderungen der chemischen Struktur und ihre Auswirkungen können so komfortabel analysiert und dokumentiert werden. Was für einfach aufgebaute, chemisch synthetisierte Arzneien wie Tamiflu (55 Atome) schon länger möglich ist, gestaltet sich für biologische Wirkstoffe, wie etwa die zielgenau bindenden therapeutischen Antikörper (>20.000 Atome), allerdings wesentlich schwieriger. Denn die wie ein Y geformten Moleküle sind bis zu 1.000-mal größer und chemisch entsprechend komplizierter als ein Tamiflu-Molekül. Neuere Antikörperwirkstoffe weichen zudem immer stärker vom klassischen Aufbau aus zwei leichten und zwei schweren Proteinketten ab. Solche Antikörper, die etwa an zwei verschiedene Zielmoleküle binden oder durch Anhängen eines Effektormoleküls gezielt Krebszellen ausschalten, werden zunehmend zur Herausforderung für Bioinformatiker. „Es gab auf dem Markt keine Software, die systematisch alle Molekülcharakteristika komplexer Antikörper automatisch beschreiben konnte“, erklärt Stefan Klostermann vom Roche Innovation Center Penzberg.

Beseitigung von Innovationsbarrieren

Im April veröffentlichten der Bioinformatiker und seine Kollegen eine Lösung, von der alle Arzneimittelhersteller profitieren sollen: den HELM Antibody Editor. Basis des Systems ist „HELM“ – (Hierarchical Editing Language for Macromolecules) eine neue Schreibweise für Makromoleküle. Zusammen mit der dazugehörenden Software wurde sie vor zwei Jahren von der Pistoia-Allianz veröffentlicht und erhielt auf der Bio-IT World Conference & Expo 2014 den „Best Practice Award“. Die Pistoia-Allianz, ein Zusammenschluss von etwa 100 Unternehmen der Pharma- und Biotechnologiebranche, verbindet ein gemeinsames Interesse: die Beseitigung von Innovationsbarrieren.

„Wir haben HELM, das kleinere Makromoleküle bereits sehr gut beschreibt, so angepasst, dass das System sich auf die komplexeren Antikörper und alle davon abgeleiteten Formate anwenden lässt“, sagt Klostermann. „Mit Hilfe des HELM Antibody Editors erhalten wir, wenige Augenblicke nachdem wir die Aminosäureabfolgen des Antikörpers eingegeben haben, eine grafische Darstellung all seiner Funktionseinheiten (Domänen) und ihrer Anordnung. Insbesondere werden auch alle zusätzlichen Verbindungen (Cystein-Cystein-Brücken) innerhalb und zwischen den Antikörperketten automatisch erkannt. Das Molekül entspricht nach dieser Bearbeitung vollständig dem tatsächlichen Endprodukt. Das System stellt aber nicht nur Proteindomänen, Mutationen oder Funktionsmodule dar, sondern liefert eine exakte Beschreibung aller Atome, Bindungen und deren Anordnung im Antikörper.“

Neue Antikörper entwerfen

Neben dem Erfassen und Visualisieren kann das seit Februar 2014 entwickelte Softwarepaket in Verbindung mit einem weiteren selbstentwickelten Systembaustein noch weitaus mehr leisten. „Wir können damit neue Teile in Antikörper einfügen, jede einzelne, in Datenbanken gespeicherte Funktionseinheit abrufen und diese zum Entwerfen eines neuen Antikörpers mit optimierten Eigenschaften nutzen“, erklärt Klostermann. Bevor ein neuer Antikörperwirkstoff in einer Datenbank gespeichert werden kann, wird anhand seiner Struktur ermittelt, ob er nicht schon vorhanden ist. Anschließend erhält er eine unverwechselbare Kennung.

Von dieser Art der Antikörperregistrierung profitiert nicht nur das Unternehmen Roche selbst, auch einige große internationale Pharmakonzerne planen, das System zukündtig zu verwenden. In diesem Zusammenhang könnte sogar die Dokumentation entsprechender Wirkstoffe gegenüber den Zulassungsbehörden darauf basieren. Klostermann: „Mit der Veröffentlichung des HELM Antibody Editors geben wir etwas zurück an die Pistoia-Allianz. Das System kann nun im Interesse aller weiter optimiert werden.“

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  • Mit der neuen Software können Antikörper mit optimalen Eigenschaften erstellt werden.

    Mit der neuen Software können Antikörper mit optimalen Eigenschaften erstellt werden.

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