Prozessautomation & Messtechnik Absolut autarke Messung

ABB AG

Bild: ABB
18.04.2016

Kaum ein industrieller Prozess kommt ohne Temperaturmessung aus. Und obwohl die wichtigsten Erfindungen rund um diese Technik schon viele Jahre zurückliegen, schafft es der drahtlose und energieautarke Temperaturfühler von ABB, die industrielle Temperaturmessung in vielerlei Hinsicht zu vereinfachen.

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Die größten technischen Fortschritte in der Temperaturmessung wurden bereits im 19. Jahrhundert erzielt. Auch die Aktivitäten von ABB in der industriellen Temperaturmessung reichen bis 1881 zurück, als Wilhelm Siebert in der väterlichen Zigarrenwickelformenfabrik Platin schmolz und mechanisch zu Drähten verarbeitete.

Trotz kontinuierlicher Verbesserung hat sich der grundlegende Aufbau – bestehend aus einem Messeinsatz, der durch ein starkes Schutzrohr gegen das Prozessmedium geschützt ist, und einem Anschlusskopf – im Laufe der Jahre nur wenig verändert. Für eine richtungsweisende Neuerung sorgte 1978 ABB mit der Entwicklung eines elektronischen Messumformers für den Einbau in den Anschlusskopf. Dies ermöglichte die Kombination von Messstromkreis und Fühlerelement und den damit verbundenen Verzicht auf lange Sensorkabel. Letztere sind anfällig für elektromagnetische Störungen, die sich auf die Fühlergenauigkeit auswirken und Signalrauschen verursachen. Diese Innovation ebnete den Weg für die heutigen intelligenten dezentralen Fühler, die standardisierte und linearisierte Messwerte an ein zentrales Leitsystem liefern.

Unabhängig von der Stromversorgung

Fast 40 Jahre später hat ABB den Temperaturfühler durch die Einführung von drahtloser Kommunikation und Energy Harvesting – einer Stromversorgung, bei der die Energie zur elektrischen Versorgung des Gerätes durch den Temperaturunterschied zwischen dem Prozess und seiner Umgebung gewonnen wird – autark gemacht. Beide Technologien sind mit den vollständig autarken Temperaturfühlern der Reihe TSP300-W erhältlich. Diese ABB-Innovation war wegbereitend für die drahtlose Kommunikation in der Prozessautomatisierung.

Der Temperaturfühler TSP300-W ist laut Hersteller der erste Temperaturfühler weltweit mit integrierter Energieversorgung, der weder Kabel noch externes Netzteil und üblicherweise nicht einmal Batteriewechsel benötigt. Die Vorteile einer solchen Technik liegen auf der Hand: Es ist ohne aufwendiges Verlegen von Leitungen möglich, einen Messpunkt in der Anlage einzurichten. Das ermöglicht nicht nur den schnellen Umbau einer Anlage, es erleichtert auch das Verifizieren von Messwerten und spart durch die unkomplizierte Installation Kosten.

So lassen sich beispielsweise Messwerte durch weitere Messpunkte, etwa in einem Rohrbogen, detaillierter erfassen und auch Fehler und Eigenheiten eines Prozesses sind einfacher einzugrenzen. Gerade das Nachrüsten war in der Vergangenheit nicht nur ein Kosten-, sondern auch ein Platzproblem. Hier löst ein drahtloses System gleich mehrere Probleme, angefangen bei der unkomplizierten Überbrückung auch größerer Strecken in der Anlage bis hin zur Lösung von Sicherheitsproblemen und Störeinflüssen.

Sicherheitstechnische Befürchtungen müssen Anlagenbetreiber indes nicht haben. So ist das verschlüsselte Wireless-Hart-Signal zwar so stark, dass es für die üblichen Anlagesteuerungen gut empfangbar ist, strahlt aber wiederum nicht kilometerweit über das Werksgelände hinaus, sodass es für Außenstehende nicht nutzbar oder gar protokollierbar wäre.

Da der benötigte Strom über die Ausnutzung der Temperaturunterschiede zu erzielen ist, kann in den meisten Fällen auf eine externe Energieversorgung verzichtet werden. Das auf Basis von Wireless Hart arbeitende Gerät ist mit einem thermoelektrischen Mikrogenerator (Mikro-TEG) ausgerüstet, der seinen Strom aus der Temperaturdifferenz des Prozessmediums und der Umgebung bezieht. Sollte die Batterie doch einmal drohen, leer zu werden, meldet das System dies mit ausreichend Vorlaufzeit an den Betreiber der Anlage. So bleibt genügend Zeit, für Abhilfe zu sorgen.

Das System eignet sich für sämtliche Anwendungen zur Temperaturmessung, auch im SIL- und Ex-geschützten Umfeld. Lediglich im Bereich der Regelungstechnik sind andere Verfahren vorzuziehen, wie Horst Schwanzer von ABB erklärt. Es verfügt über die hierfür nötigen Zulassungen und lässt sich entweder am Gerät selbst (ohne weitere Stromquelle) oder bequem per Handheld oder Leitsystem konfigurieren.

Nichtinvasive Methoden

Doch das ist nicht der einzige Bereich, in dem ABB die Temperaturmessung nachhaltig zu verbessern sucht. Auch im Bereich der nichtinvasiven Temperaturmessung hat der Konzern Innovationen am Start.

Durch die Verwendung von nichtinvasiven Messmethoden kann auf Schutzrohre verzichtet werden, die immer noch in vielerlei Hinsicht ein gewichtiges Manko industrieller Temperaturmessgeräte darstellen. Mit einer nichtinvasiven Lösung bleiben Rohrleitungen und Behälter unbeeinträchtigt, was viele Vorteile bietet, etwa dass die Ummantelungen von Rohren und Behältern nicht durchbohrt werden und die Rohrleitungen zur Installation nicht geleert werden müssen. Außerdem sind keine Schweißarbeiten vor Ort nötig und somit keine spezielle Erlaubnis für explosionsgefährdete Bereiche erforderlich.

Diese Vorteile haben erhebliche Auswirkungen: Messpunkte sind leicht zu installieren, können aber auch nur temporär genutzt werden – etwa bei der Einrichtung und beim Testen eines neuen Prozesses oder bei der Ursachenanalyse von Produktionsproblemen. Sobald eine zufriedenstellende Situation erreicht ist, kann die Anzahl der Messstellen auf ein wirtschaftlich und technisch langfristig geeignetes Maß reduziert werden.

Eine hochprozentige Herausforderung

Während bei den autarken Temperaturmessfühlern bereits fertige Anwendungen und Geräte erhältlich sind, ist man bei den nichtinvasiven Messgeräten noch einige Schritte von der Serienreife entfernt. Umfassende Praxiserfahrungen konnte die ABB bereits in einem Anwendungsfall beim schwedischen Spirituosenhersteller The Absolut Company sammeln. Hier, im schwedischen Nöbbelöv, arbeitet man bereits mit zwei autarken, nichtinvasiven Temperaturfühlern und konnte die Geräte bereits als Prototyp testen, ohne die Prozesse in der Wodka-Destillerie unterbrechen zu müssen. Um den Aufwand gering zu halten, wurden Adapter gefertigt, mit denen vorhandene Geräte (in Schutzrohr-Ausführung) mit angepasster Einsatzlänge an die Rohrleitungen angebracht werden konnten.

Die Fühler konnten in das vorhandene Leitsystem vom Typ ABB Extended Automation System 800xA integriert werden. Die Automatisierungsplattform verfügt über ein integriertes Feldgeräte-Managementsystem, das Betriebsabläufe, Engineering und das Management von Feldgeräten mit einem einzigen System abdeckt. Das hält den Engineering-Aufwand überschaubar, da die Abstimmung der kompletten Lösung einschließlich der Konfiguration der Feldgeräte zentral in einem System stattfindet. Ein weiterer Vorteil ist die schnelle Inbetriebnahme, da die komplette Prüfung der Signale von einer einzigen Person von einem Bildschirm aus durchgeführt werden kann.

Nach der Installation berichteten die Automatisierungsingenieure von The Absolut, dass die Energy-Harvesting-Funktionalität und die drahtlose Kommunikation einwandfrei funktionierten. Allerdings entsprachen die Messgenauigkeit und die Ansprechzeit der Geräte bei der nichtinvasiven Anwendung noch nicht den Erwartungen.

Eine Reihe von Messungen bei The Absolut lieferte ein detailliertes Bild der thermischen Situation am und um das Gerät sowie am Adapter, der das Gerät mit der Rohrleitung verbindet. Nachdem die Ursache für die Messprobleme gefunden war, wurde das Design des Adapters verbessert und getestet.

Der Messeinsatz und die thermische Schnittstelle wurden ebenfalls verändert. In der endgültigen Konfiguration wurde die Messabweichung (von mehreren Kelvin) auf unter 1 K reduziert. Gleichzeitig konnte die Ansprechzeit um 75 Prozent verkürzt werden, womit beide Leistungsparameter nahe an denen eines invasiven Temperaturfühlers lagen. Nach dieser Optimierung installierte The Absolut Company vier Temperaturfühler vom Typ TSP341-W, die die Verbesserungen in der Messgenauigkeit und Ansprechzeit bestätigten.

Autark und flexibel

Die nichtinvasive, drahtlose und energieautarke Temperaturmessung ermöglicht ein neues Maß an Flexibilität, das gut in den Trend hin zu immer kleineren Losgrößen und häufiger umzurüstenden Anlagen passt. Dadurch rücken Anwendungen mit einer hohen Wertschöpfung, die aber bisher aus Kostengründen schwer zu rechtfertigen waren, in greifbare Nähe. Lediglich Anwendungen mit extremen räumlichen oder zeitlichen Gradienten stellen für den nichtinvasiven Fühler sowohl in puncto Messgenauigkeit als auch hinsichtlich Ansprechzeit eine Herausforderung dar, was die vollständige Schließung der Leistungslücke zu seinem invasiven Pendant angeht.

Bildergalerie

  • Unabhängig überall einsetzbar: Der ABB TSP300-W nutzt Energy-Harvesting-Funktionen.

    Unabhängig überall einsetzbar: Der ABB TSP300-W nutzt Energy-Harvesting-Funktionen.

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