Legospielen mit Polymeren Zauber-Moleküle entzaubert

Die Entstehung der rätselhaften Polymere bezeichnet Professor Dirk Kurth als eine Art molekulares Lego.

28.07.2017

Sie können ihre Farbe wechseln, ihren Spin verändern oder von fest zu flüssig wechseln: Eine bestimmte Klasse von Polymeren besitzt faszinierende Eigenschaften, die Forscher der Uni Würzburg nun untersucht haben.

Professor Dirk Kurth und seiner Doktorandin Stefanie Munzert interessieren sich für eine bestimmte Klasse von Polymeren mit einem komplizierten Namen – die sogenannten Metallo-supramolekularen Koordinationspolyelektrolyte oder, kurz, MEPE. Diese weisen eine Reihe interessanter Eigenschaften auf, über deren Grundlagen bisher wenig bekannt war. Das ändert sich jetzt mit den neuen Forschungsergebnissen aus Würzburg.

Elektrische Spannung verändert die Farbe

Dirk Kurth hat diese Stoffklasse Mitte der 1990er-Jahre entdeckt und forscht seitdem an ihnen. „MEPE verfügen über herausragende elektrochrome Eigenschaften“, erklärt er. Das bedeutet: Legt man eine geringe Spannung von wenigen Volt an Materialien, die aus MEPE aufgebaut sind, ändern sie ihre Farbe. Damit eignen sie sich beispielsweise zur Herstellung einer innovativen Verglasung, sogenannter Smart Windows.

Aggregatszustände nach Wunsch verändern

Als Bestandteil poröser Festkörper sind sie in der Lage, ihr Fließverhalten im elektrischen Feld zu ändern. Ihre Eigenschaften pendeln ganz nach Wunsch zwischen flüssig und so gut wie fest. Damit bieten sie sich beispielsweise an für den Einsatz im Maschinenbau in Gestalt regelbarer Kupplungen oder in der Medizin, wenn es darum geht, frisch operierte Gelenke vor hohen Belastungen zu bewahren.

Des Weiteren zeigen MEPE unter bestimmten Umständen einen Temperatur-induzierten Spinübergang. Elektronen verändern dann ihren Spin, also ihre Drehrichtung, und damit auch ihr magnetisches Moment.

Präzise Vorhersagen nun möglich

Obwohl diese Eigenschaften für technologische Entwicklungen von zentraler Bedeutung sind, sind der Aufbau und die Entstehung dieser neuartigen Polymerklasse kaum verstanden. Dabei ist ihre Herstellung denkbar einfach.

„Das ist eine Art molekulares Lego, bei dem sich die Türmchen allerdings von selbst aufbauen“, erklärt Professor Kurth. Die Forscher müssen dazu nur im Labor zu einer Lösung eines Metallsalzes eine Lösung sogenannter Terpyridinliganden hinzufügen – der Rest geschieht ganz von selbst.

Kochrezept für magische Moleküle

Wie dieser Prozess vonstattengeht, wie schnell er abläuft und wie er sich steuern lässt, war bislang allerdings unklar. Das ändert sich mit der Veröffentlichung der Würzburger Forschungsergebnisse. „Unsere Ergebnisse lassen zum ersten Mal Vorhersagen zu, unter welchen Bedingungen die jeweiligen Prozesse wie lange dauern“, sagt Dirk Kurth. Forscher können damit exakte Vorgaben definieren, die erfüllt sein müssen, damit am Ende ein Material mit den gewünschten Eigenschaften herauskommt.

Wollte ein Wissenschaftler bislang aus einer Lösung einen Film mit einer bestimmten Viskosität herstellen, konnte er nur vermuten, ob das nach Stunden, Tagen oder gar Wochen der Fall sein würde. Jetzt hat er eine Art „Kochrezept“ an der Hand, das ihm sagt, wie er vorgehen muss, um das Ziel zu erreichen. Zusätzlich hat das Team um Dirk Kurth einen einfachen Weg entdeckt, mit dem sich der Prozess beschleunigen lässt: Durch die Zugabe von Salz entstehen die MEPE schneller!

Stäbchenartige Aggregate unter dem Mikroskop

Ebenfalls zum ersten Mal ist es den Wissenschaftlern gelungen, ein Bild der MEPE mit molekularer Auflösung zu liefern. Verantwortlich dafür waren die Kooperationspartner vom Weitzman Institute in Israel. Sie haben die MEPE-Lösung quasi „schockgefroren“ und anschließend mit dem Elektronenmikroskop untersucht. Was sie gesehen haben, waren stäbchenförmig Strukturen, die mehrere hundert Nanometer lang sein können.

Bildergalerie

  • Metallionen, wie Eisen, Cobalt, Nickel oder Zinn, und Liganden bilden in Lösung spontan meist bunt gefärbte MEPE. Die Gruppe von Professor Dirk Kurth hat nachgemessen, wie schnell sie entstehen.

    Metallionen, wie Eisen, Cobalt, Nickel oder Zinn, und Liganden bilden in Lösung spontan meist bunt gefärbte MEPE. Die Gruppe von Professor Dirk Kurth hat nachgemessen, wie schnell sie entstehen.

    Bild: Universität Würzburg

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