Prozessoptimierung Chemiker berechnen Abkürzung für Katalysator

28.11.2017

Forscher der Universität Bonn haben herausgefunden, dass ein häufig verwendeter Reaktionsbeschleuniger anders arbeitet als gedacht. Der vorgeschlagene Reaktionsmechanismus soll der chemischen Industrie Fortschritte ermöglichen.

Die in herkömmlichen Katalysatoren enthaltenen seltenen Schwermetalle sind nicht nur teuer, sondern machen diese Substanzen zudem zu einer potentiellen Gefahr für die Umwelt. Eine Alternative stellen Organokatalysatoren dar: Auf organischen Stoffen basierende Verbindungen, die auch ohne Metalle katalytisch wirksam sind. Eine oft genutzte Unterart sind Carben-Katalysatoren, welche in einem komplexen Kreislauf mit zahlreichen Zwischenstufen wirken. Sie ermöglichen Reaktionen, die zum Beispiel in der Pharma-Industrie zum Einsatz kommen. „Bisher wurde davon ausgegangen, dass auch in unserem Körper eine durch Carben katalysierte Reaktion stattfindet: Im Zuckerstoffwechsel soll als aktive Zwischenstufe eine Carben-Variante des Vitamins B1 auftreten“, berichtet Sascha Gehrke vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion, der an der Universität Bonn promoviert.

Bislang gingen Chemiker davon aus, dass als entscheidender Schritt zu Beginn des Reaktionszyklus ein Carben entsteht. Carbene zeichnet aus, dass sie nur drei – statt den besonders begünstigten vier – äußere Elektronenpaare besitzen. „Diese Eigenschaft macht sie zu ungewöhnlich reaktiven Verbindungen, welche in der Lage sind, mit ansonsten eher reaktionsträgen Molekülen zu reagieren und diese dadurch für Folgereaktionen zu aktivieren“, erläutert Dr. Oldamur Hollóczki vom Mulliken Center für Theoretische Chemie der Universität Bonn.

Mangelnde Beweise für die Existenz einer Zwischenstufe

Die Existenz dieser hochreaktiven Verbindung als Zwischenstufe der Organokatalyse konnte jedoch bisher nie direkt bewiesen werden. Im Gegenteil gab es in der Vergangenheit immer wieder Widersprüche, die ein Auftreten eines Carbenes als fragwürdig erscheinen lassen. So wird die katalytisch aktive Substanz in der praktischen Anwendung dem Reaktionsgemisch meist nicht in ihrer aktiven Form zugesetzt, sondern aus einem Vorläufer-Salz direkt im Reaktionsgefäß hergestellt. Das Salz agiert dabei chemisch betrachtet als schwache Säure und gibt ein Wasserstoff-Atom ab, wodurch das Carben gebildet wird. Die Tatsache, dass die Säurestärke von Carbenen außerordentlich gering ist, macht die Anwesenheit eines sehr stark basischen Moleküls erforderlich, welches das Wasserstoff-Atom aufnimmt.

Im Besonderen in einer Reaktionslösung, die bereits eine deutlich stärkere Säure enthält, ist die Bildung eines Carbenes auf diesem Wege nur schwer vorstellbar. Dennoch konnten kürzlich Carben-katalysierte Reaktionen in einer solchen sauren Reaktionslösung erfolgreich durchgeführt werden. Desweiteren neigen Carbene auf Grund ihrer hohen Reaktivität dazu, sich relativ schnell von allein zu zersetzen. Dies lässt sich in der Regel nur verhindern, wenn die Carbene mit großen, schützenden Molekülstrukturen versehen werden. Solche Schutzstrukturen sind an den in der Organokatalyse verwendeten Carbenen jedoch nicht vorhanden. Dennoch sind die Katalysatoren scheinbar über einen längeren Zeitraum stabil.

Lösung für die Widersprüchlichkeiten

Den Wissenschaftlern vom Mulliken Center für Theoretische Chemie und dem Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion ist es nun gelungen, eine Lösung für diese Widersprüchlichkeiten zu präsentieren. Mit Hilfe von aufwendigen quantenmechanischen Rechnungen konnten Gehrke und Dr. Hollóczki zeigen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass im Reaktionsablauf der auf Carben basierten Katalyse tatsächlich gar kein freies Carben auftritt.

Die Reaktionssequenz, in der aus dem zugesetzten Katalysator-Salz laut Lehrmeinung zuerst ein Carben entstehen soll, welches dann an einen der beiden eigentlichen Reaktionspartner bindet, lässt sich den Forschern nach auch in einem einzelnen, direkten Schritt realisieren. Es handelt sich dabei um eine Art Abkürzung für die bislang gültige Theorie. „Den Berechnungen zu Folge sollte dieser direkte Mechanismus um ein Vielfaches wahrscheinlicher ablaufen als der bisher angenommene Weg“, sagt Dr. Hollóczki.

Überwindung einer Energiebarriere

Chemische Reaktionen müssen in der Regel zuerst eine Energiebarriere überwinden, um ablaufen zu können. Je größer diese Barriere, desto langsamer die Reaktion. „Die Barrieren, die wir mit unserem Mechanismus vorhersagen, sind deutlich niedriger als die mit dem »klassischen«“, erläutert Gehrke. Darüber hinaus träten Widersprüche zwischen Theorie und Anwendung mit dem nun beschriebenen Mechanismus nicht mehr auf. Dr. Hollóczki: „Der vorgeschlagene Reaktionsmechanismus dürfte nicht nur zu einigen neuen wissenschaftlichen Diskussionen anregen, sondern bisher unbeachtete Wege aufzeigen, die bei der Verbesserung der verwendeten Katalysatoren entscheidende Fortschritte in der chemischen Industrie ermöglichen.“

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