Agrarphotovoltaik Update: Photovoltaik hebt ab – und erweist sich als praxistauglich

BayWa r.e. Power Solutions GmbH

Die erste Getreideernte unter der APV-Anlage wird eingebracht.

Bild: Hofgemeinschaft Heggelbach

21.11.2017

In der Region Bodensee-Oberschwaben befördert eine Forschungsanlage für Agrarphotovoltaik die Solarstromernte eine Stufe nach oben – und lässt darunter Nahrungsmitteln Raum zum Wachsen. Ein Jahr nach Inbetriebnahme gibt es nun erste Ergebnisse.

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Wer Kartoffeln sät, kann auch Solarstrom ernten – davon war bereits 1981 Prof. Adolf Goetzberger überzeugt und schlug in der Zeitschrift Sonnenenergie unter dem Titel „Kartoffeln unter dem Kollektor“ ein Konzept „für eine besonders günstige Anordnung für Solarenergieanlagen in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Nutzung“ vor. Es sollte jedoch noch 30 Jahre dauern, bevor Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solar Energiesysteme ISE die Idee der Agrophotovoltaik (APV) aufgriffen.

Sie riefen das Projekt „Agrophotovoltaik – Ein Beitrag zur ressourceneffizienten Landnutzung“ (APV-Resola) ins Leben. In der Modellregion Bodensee-Oberschwaben startete 2015 ein Pilotprojekt (Energy 4.0 berichtete), das die größte APV-Forschungsanlage Deutschlands hervorbrachte. Die Anlage, die auf Ackerflächen der Demeter-Hofgemeinschaft entstand, wurde am 18. September 2016 eingeweiht (mehr dazu weiter unten).

Ein Jahr später wurde nun die erste Sonnenernte eingefahren und es gibt erste Ergebnisse für das Projekt. Die Agrophotovoltaik-Anlage hat sich zum einen als praxistauglich erwiesen und zum anderen gezeigt, dass die Kosten bereits heute mit kleinen Solar-Dachanlagen wettbewerbsfähig sind und die Ernteprodukte ausreichend hoch und wirtschaftlich rentabel vermarktet werden können.

Als Testkulturen wurden Winterweizen, Kartoffeln, Sellerie und Kleegras angebaut. Durch einen größeren Reihenabstand zwischen den bifazialen Glas-Glas-Solarmodulen in fünf Meter Höhe und die Ausrichtung nach Südwesten wurde sichergestellt, dass die Nutzpflanzen gleichmäßig Sonnenstrahlung erhalten.

Die Ergebnisse der ersten Ernten auf den Versuchsflächen sind weitestgehend vielversprechend. So ist der Ertrag beim Kleegras im Vergleich zur Referenzfläche nur leicht um 5,3 Prozent reduziert. Bei Kartoffeln, Weizen und Sellerie sind die Ernteverluste durch die Beschattung mit rund 18 bis 19 Prozent etwas stärker ausgeprägt. Deshalb sind weitere Untersuchungen mit anderen Kulturen sinnvoll.

Solaranlage produziert überdurchschnittlich

In den ersten zwölf Monaten hat die Photovoltaik-Anlage 1.266 Kilowattstunden Strom pro installiertem Kilowatt Leistung geerntet. Dieses Ergebnis liegt ein Drittel über dem deutschlandweiten Durchschnitt von 950 Kilowattstunden pro Kilowatt.

Die Stromernte vom Acker passt in ihrem täglichen Verlauf gut zu den Lastverläufen auf dem Hof. So wurde etwa 40 Prozent des erzeugten Solarstroms in der Hofgemeinschaft direkt für das Betanken des Elektrofahrzeugs sowie die Verarbeitung der Produkte genutzt. Im Sommer wurde die Last tagsüber fast komplett durch die Photovoltaik-Anlage beliefert.

Die Demeter-Bauern um Thomas Schmid planen, durch eine Optimierung ihres Verbrauchsverhaltens und den Einsatz eines Stromspeichers den Grad der Eigennutzung auf 70 Prozent zu steigern. Den überschüssigen Strom nimmt der Projektpartner Elektrizitätswerke Schönau ab.

Hintergrund: Energiewende mit APV

Den Grund dafür, warum die Region das Projekt unterstützt, liefert Winfried Franke, Direktor des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben: „Wir mussten uns etwas einfallen lassen, damit das mit der Energiewende klappt“, sagt er. Bisher liefere die Kernkraft noch die Hälfte des Stroms für die Region, doch wie sieht es nach Abschaltung der Atomkraftwerke aus? „Wir könnten Wasserkraft-Strom aus Vorarlberg oder der Schweiz kaufen oder Atomstrom aus Frankreich“, spielt Franke eine Option durch. Doch damit würde viel Geld aus der Region abfließen.

Der Plan ist deshalb, den Strom, den die Region benötigt, selber zu produzieren. Allerdings stoße die Biogas-Produktion bereits an Kapazitätsgrenzen und Wind spiele in der Region keine Rolle. Auch bei der herkömmlichen Photovoltaik sieht Winfried Franke Probleme: Längst tragen nicht alle Dächer, die dafür geeignet wären, Solarmodule.

Kleine „Aufdachanlagen“ seien zudem relativ teuer, Freiflächenanlagen versiegeln die Landschaft und stehen für die Nahrungsmittelproduktion nicht mehr zur Verfügung, sind aber dennoch pflegeintensiv. Die Lösung für das Problem liefert APV: „Man muss nur mit den Solarelementen weg vom Boden, sie zwischen hohen Stelzen verspannen und genug Platz für Sonne und Regen zwischen ihnen lassen“, erklärt Franke.

Freiflächen doppelt nutzen

APV bedeutet eine innovative, ressourceneffiziente Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen, welche die Produktion von landwirtschaftlichen Gütern unterhalb von PV-Freiflächenanlagen erlaubt. „Angesichts des dynamischen, weltweiten Wachstums der Photovoltaik im letzten Jahrzehnt und dem damit verbundenen steigenden Flächenbedarf für PV-Anlagen, erlauben innovative Konzepte wie die Agrophotovoltaik eine Doppelnutzung agrarischer Flächen und helfen so dem weiteren, raschen Umbau des globalen Energiesystems“, so Prof. Dr. Eicke R. Weber, Institutsleiter am Fraunhofer ISE.

Von der rund 2,5 Hektar großen Testfläche beansprucht die APV-Anlage einen Drittel Hektar. Unter den in fünf Metern Höhe montierten PV-Modulen werden in der Projektlaufzeit vier Kulturen gleichzeitig angebaut: Weizen, Kleegras, Kartoffeln und Sellerie. Auf dem übrigen Testacker hat das Projektteam eine Referenzfläche in der gleichen Größe, mit der gleichen Bepflanzung angelegt, aber ohne PV-Module. Aus dem direkten Vergleich werden die Wissenschaftler ableiten, welche Gemüsearten oder Feldfrüchte besonders für die APV-Anlage geeignet sind und eine möglichst effiziente Doppelnutzung der Landfläche ermöglichen.

Die installierte Leistung der APV-Anlage von 194 kWp kann den Strombedarf von rund 62 Haushalten decken. Der überschüssige Strom wird von den Elektrizitätswerken Schönau abgenommen. Gemeinsam mit dem Solartechnikhersteller Hilber Solar wurde eine Unterkonstruktion entwickelt, die an die spezifischen Gegebenheiten des Geländes vor Ort angepasst ist und durch eine modulare Bauweise zukünftig mit minimalem Aufwand flexibel an andere Einsatzorte angepasst werden kann.

Um Solarstrom zu ernten, ist die APV-Anlage mit sogenannten bifazialen PV-Modulen von SolarWorld bestückt. Um den Energieertrag pro Fläche zu erhöhen, können diese nicht nur vorderseitig Sonneneinstrahlung in Strom umwandeln, sondern über die Rückseite auch die reflektierte Strahlung der Umgebung aufnehmen. Durch die beidseitige Zellverglasung ermöglichen die Module zudem eine homogenere Lichtverteilung über den Pflanzen.

„Der Landwirtschaftssektor steht unter anderem vor der Herausforderung, den starken Ausbau der erneuerbaren Energien und damit verbunden den Wandel von Kulturlandschaften hin zu Energielandschaften zu bewerkstelligen“, erklärt Stephan Schindele, Projektleiter am Fraunhofer ISE. „In diesem Kontext kann die Agrophotovoltaik ein wegweisender Lösungsansatz für die Zukunft sein.“

„Wir sind gespannt auf den Praxistest der APV-Pilotanlage“, sagt Thomas Schmid von der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach. „Für uns ist entscheidend, dass die Anlage einfach zu handhaben ist und ein Ernteertrag von mindestens 80 Prozent im Vergleich zum Referenzfeld ohne PV-Module erzielt werden kann.“ Bis 2019 werden die Projektpartner die Pilotanlage gemeinsam betreiben. Im Sommer 2017 und 2018 ist jeweils Erntezeit unter der APV-Anlage in Heggelbach. Danach werden die Ergebnisse in den einzelnen Arbeitsgebieten ausgewertet und in einem gemeinsamen Abschlussbericht veröffentlicht.

Das Projekt APV-Resola und seine Partner

APV-Resola wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und FONA – Forschung für nachhaltige Entwicklung gefördert. Es folgt dem „Living-Lab“-Prinzip, das auf inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit ausgerichtet ist und potenzielle Nutzer neuer Technologien sowie die Bevölkerung in den Innovationsprozess miteinbezieht. Es ist ein gemeinsames Projekt von Partnern aus Landwirtschaft, Wissenschaft, Technik und den Bewohnern der Region:

Das Fraunhofer ISE leitet das Projekt und ist für den technischen und energiewirtschaftlichen Teil zuständig. Die Fakultät für Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim führt die agrarwissenschaftliche und ökologische Analyse durch. Das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Karlsruher Instituts für Technologie ist für die Konzeption und Realisierung des „Living-Lab“-Ansatzes verantwortlich. Der Energieversorger Elektrizitätswerke Schönau EWS nimmt den überschüssigen Strom ab. Die BayWa r. e. renewable energy ist für die APV-Anlagenprojektierung und Betriebsführung zuständig. Die Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach stellt die Ackerflächen für die APV-Pilotanlage zur Verfügung und nutzt den Strom für den Eigenbedarf. Der Regionalverband Bodensee-Oberschwaben unterstützt das Projektvorhaben auf regionaler und kommunaler Ebene.

Bildergalerie

  • Die Doppelnutzung der Fläche steigert die Landnutzungseffizienz um 60 Prozent.

    Die Doppelnutzung der Fläche steigert die Landnutzungseffizienz um 60 Prozent.

    Bild: Fraunhofer ISE

  • Doppelte Ernte: Die Ackerflächen der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach bringen nicht nur Kartoffeln, Sellerie und Co. hervor, sondern auch Solarstrom.

    Doppelte Ernte: Die Ackerflächen der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach bringen nicht nur Kartoffeln, Sellerie und Co. hervor, sondern auch Solarstrom.

    Bild: Fraunhofer ISE

  • Die Gesamthöhe der PV-Anlage beträgt acht Meter, die Durchfahrtshöhe fünf Meter.

    Die Gesamthöhe der PV-Anlage beträgt acht Meter, die Durchfahrtshöhe fünf Meter.

    Bild: Fraunhofer ISE

  • In der Breite ist zwischen den Stützen ein 19-Meter-Abstand, in der Länge sind es zwölf Meter. Der Abstand wurde in der Breite so gewählt, dass er einem Vielfachen der Breite der gängigen Landmaschinen entspricht.

    In der Breite ist zwischen den Stützen ein 19-Meter-Abstand, in der Länge sind es zwölf Meter. Der Abstand wurde in der Breite so gewählt, dass er einem Vielfachen der Breite der gängigen Landmaschinen entspricht.

    Bild: Fraunhofer ISE

  •  95 Prozent der Fläche unter der APV-Anlage stehen weiter für die Landwirtschaft zur Verfügung.

    95 Prozent der Fläche unter der APV-Anlage stehen weiter für die Landwirtschaft zur Verfügung.

    Bild: Fraunhofer ISE

  • Die Anlage ist nach Südwesten ausgerichtet. Für eine optimale Verteilung der Sonneneinstrahlung auf der landwirtschaftlichen Fläche und eine gleichmäßige Nutzpflanzenentwicklung ist der Abstand der PV-Modulreihen circa 60 Prozent größer als bei herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen.

    Die Anlage ist nach Südwesten ausgerichtet. Für eine optimale Verteilung der Sonneneinstrahlung auf der landwirtschaftlichen Fläche und eine gleichmäßige Nutzpflanzenentwicklung ist der Abstand der PV-Modulreihen circa 60 Prozent größer als bei herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen.

    Bild: Fraunhofer ISE

  • Betonlose Spinnanker-Fundamente ermöglichen die landwirtschaftliche Bearbeitung bis an die Stützen und eine rückstandslose Demontage der APV-Anlage.

    Betonlose Spinnanker-Fundamente ermöglichen die landwirtschaftliche Bearbeitung bis an die Stützen und eine rückstandslose Demontage der APV-Anlage.

    Bild: Hofgemeinschaft Heggelbach

  • Es kommen bifaziale PV-Module zum Einsatz, die beidseitig Sonnenenergie in Strom umwandeln.

    Es kommen bifaziale PV-Module zum Einsatz, die beidseitig Sonnenenergie in Strom umwandeln.

    Bild: Hofgemeinschaft Heggelbach

  • Montage der Pilotanlage

    Montage der Pilotanlage

    Bild: Hofgemeinschaft Heggelbach

  • Die gesamte Testfläche inklusive der APV-Anlage und der Referenzfläche umfasst etwa 2,5 Hektar.

    Die gesamte Testfläche inklusive der APV-Anlage und der Referenzfläche umfasst etwa 2,5 Hektar.

    Bild: BayWa r.e.

  • Die Fläche neben der Anlage wird als Referenzfläche verwendet, um den Einfluss der APV-Anlage auf die Entwicklung der Pflanzen analysieren zu können.

    Die Fläche neben der Anlage wird als Referenzfläche verwendet, um den Einfluss der APV-Anlage auf die Entwicklung der Pflanzen analysieren zu können.

    Bild: BayWa r.e.

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