Fachbeitrag Integriertes Strommarktdesign

Dr.-Ing. Hans Heinz Zimmer, Vorstandsvorsitzender des VDE

Bild: VDE
28.10.2014

„Der Umbau des Energieversorgungssystems erfordert unter anderem ein zukunftsfähiges Strommarktdesign und die Intensivierung der Speicherforschung.“

Der rasante Ausbau der erneuerbaren Energien und vor allem das Wachstum der fluktuierenden Wind- und Solarenergie stellt Netzbetreiber vor neue Herausforderungen. Dies gilt insbesondere für Verteilungsnetzbetreiber. Denn fast 97 Prozent der installierten Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbarer Energie sind auf der Verteilungsnetz­ebene angeschlossen. Um die Lastschwankungen auszugleichen muss der Netzbetrieb angepasst und dezentraler gestaltet werden. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist dabei die Nutzung und Konsolidierung regionaler Flexibilitätsoptionen. Dafür können aus technischer Sicht Optionen vorgesehen werden wie intelligent regelbare Einspeiseanlagen, schaltbare Lasten oder Speicherlösungen.

Damit die verfügbaren technischen Lösungen genutzt und neue entwickelt werden, müssen jedoch geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden. Sonst werden Flexibilitätsoptionen verschenkt und erforderliche Investitionen nicht getätigt. Daher ist es sinnvoll, die Großmärkte um einen Marktmechanismus auf regionaler Ebene zu ergänzen, der Verteilungsnetzbetreibern bei kritischen Netzsituationen die Nutzung regionaler Flexibilitäts­optionen ermöglicht und zur Reduktion des notwendigen Netzausbaubedarfs auf Verteilungsnetzebene beitragen kann.

Vor diesem Hintergrund hat der VDE in der gleichnamigen Studie ein Konzept für „Regionale Flexibilitätsmärkte“ vorgelegt. Basis ist ein Ampelphasenmodell, das den Netzzustand beschreibt. Ziel ist es, Flexibilitätsoptionen in kritischen lokalen Netzsituationen (gelben Ampelphasen) zu nutzen, kritische Netzsituationen, die den direkten Eingriff des Netzbetreibers zur Netzstabilisierung notwendig machen (rote Ampelphase) zu verhindern oder in den marktbasierten Netzbetrieb (grüne Ampelphase) zurückzukehren. Dabei könnten lokale Erzeuger und Verbraucher ihre Flexibilitätsoptionen netzdienlich vermarkten und eine aktive Rolle im Energiemarkt übernehmen. Allerdings ist es zurzeit gesetzlich nicht vorgesehen, in kritischen Netzsituationen (gelbe Ampelphasen) Flexibilitätsoptionen in Verteilnetzen zu nutzen. Um dies zu ermöglichen, sind rechtliche Anpassungen erforderlich, die auch den chancengleichen Zugang der Akteure zum neuen Energiemarkt ermöglichen.

Zugleich ist es aber notwendig, innovative Technologien zu erforschen und zu erproben – vorwettbewerblich und, wo nötig, auch mit Anschubfinanzierungen. Beispiel Speicher: Sie bieten aufgrund der hohen Kosten zwar nicht immer die beste Flexibilitätsoption im Stromversorgungssystem. Dennoch ist der VDE-Studie „Energiespeicher für die Energiewende“ zufolge langfristig eine Kombination aus Kurz- und Langzeitspeicherung und Abregelung von Erneuerbare-Energien-Anlagen sinnvoll. Um Speichertechnologien für den wirtschaftlichen und großtechnischen Einsatz weiterzuentwickeln, sollten daher schon heute intensive technologieneutrale Forschungs- und Entwicklungsprojekte auf den Weg gebracht und geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Klar ist aber auch: Unser zukünftiges Gesamtenergie­system ist von der Konvergenz der Netze geprägt. Und es ist nicht deutsch, sondern europäisch. Daher müssen die energiepolitischen Ziele und Rahmenbedingungen der EU-Mitgliedsstaaten aufeinander abgestimmt und miteinander koordiniert werden – ideologiefrei, problemlösungsorientiert und möglichst frei von tagespolitischen Erwägungen und nationalen Alleingängen.

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