Nachgefragt Wie gelangen Branchen im Umbruch zu stabilen Softwarelösungen?

Bild: iStock, bubaone
13.06.2017

Die Umgestaltung der Energiewelt ist durch vier große D’s geprägt: Dekarbonisierung, Dezentralisierung, Demokratisierung und Digitalisierung. Dr. Horst Wolter von Soptim kommentiert diese Entwicklung und stellt die Wichtigkeit von Software dar.

Mittlerweile ist die Energiewende zum alltäglichen Energiewandel geworden, denn gewendet hat die Energieversorgung schon lange, wir sind geradeaus auf dem Weg zu einer erneuerbaren und damit dekarbonisierten und dezentralen Energiewelt. Zusätzlich sind nicht mehr die großen Energieversorgungsunternehmen sondern immer öfter Bürger und Genossenschaften Eigentümer der Erzeugungsanlagen, was man auch Demokratisierung nennen kann.

Und es wird immer deutlicher, dass ein Ende des Wandels noch lange nicht in Sicht ist und dass der Wandel nicht nur die Energie betrifft: Die Digitalisierung beeinflusst alle Geschäfts- und Lebensbereiche und die Menschen erwarten „perfekte“ digitale Services. Ja mehr noch, sie erwarten eine digitale Begleitung auch im Bereich der Energie. Diese Veränderungen erfordern auch eine Weiterentwicklung der unterstützenden Software.

Transparenz und Vereinfachung

Bei der Softwareunterstützung standen bisher eher die bekannten Aufgaben im Vordergrund. Mit der Automatisierung der Prozesse, der engen Integration mit Nachbarsystemen und verständlichen und einfachen Bedienmöglichkeiten wurde die Effizienz gesteigert und die Kosten gesenkt. Mit Cockpits, aufgabenspezifischen Übersichten und spezifischen Auswertungen wurde ein klarer, aktueller und umfassender Blick auf die Situation im jeweiligen Portfolio geschaffen, um eine sichere Portfoliosteuerung zu ermöglichen. Und diese Anforderungen steigen weiter, weil die Energiewelt durch die Dezentralisierung kleinteiliger und durch die dargebotsabhängige Erzeugung auch kurzzyklischer wird, um auf Erzeugungsschwankungen reagieren zu können.

Zusätzlich fordert die Regulierung immer weitere Schritte in Richtung Transparenz und Vereinfachung. Jüngstes Beispiel ist die Eindeutige Bezeichnung der Marktobjekte über Markt- und Messlokationen, die ab dem 01. Februar 2018 verbindlich genutzt werden müssen. Die Anstrengungen der Softwarelieferanten auf den Gebieten Anpassungen an Marktspielregeln, Beherrschung von wachsender Komplexität und wachsendem Datenvolumen, Erweiterung der Automatisierung und Steigerung der Übersicht dürfen also nicht kleiner werden. Zusätzlich erzwingt die Digitalisierung weitere Veränderungen: Die Bedürfnisse und Erwartungen der Energiekunden verändern sich: Transparenz, digitale Self-Services und digitale Mehrwerte werden selbstverständlich und darüber hinaus werden „digitale Erlebnisse“ (im Sinne von „das ist aber eine tolle Lösung“) erwartet. Das bedeutet die korrekte und schnelle Verarbeitung großer Datenmenge bei intelligenter Aufbereitung der Information, damit sowohl der Software-Anwender als auch der Energiekunde von der Transparenz, Übersicht und Einfachheit begeistert ist. Zusätzlich werden ganz andere Mehrwerte möglich: Neue Windkraftanlagen liefern rund 60 000 Datensätze pro Minute, über die heute jede neue Anlage kostengünstig sehr genau beobachtet werden kann, um ihren Zustand zu beurteilen und daraus geeignete Schlüsse wie für die Instandhaltung zu ziehen. Aber was die zukünftigen Kundenbedürfnisse sein werden und welche Software-Funktionen wirklich Mehrwerte schaffen, kann wegen des stetigen Wandels heute kaum vorausgesehen werden. Deshalb ist es umso wichtiger, die Zusammenarbeit im Bereich der Softwareerstellung weiterzuentwickeln, um auf neue, oft noch unscharfe Anforderungen rasch und flexibel reagieren zu können.

Zusammenarbeit fördert

Für die Softwareentwicklung im Umfeld von sich stetig wandelnden Anforderungen stehen die Methoden der agilen Entwicklung zur Verfügung. Aber es werden noch etliche Projekte zur Erstellung beziehungsweise Einführung neuer Softwarelösungen, klassisch, mit Lastenheft und Pflichtenheft ausgeschrieben. Dabei formuliert das Lastenheft die abschließenden Anforderungen und das Pflichtenheft die zugehörige vollständige Lösung, obwohl die Inbetriebnahme in der Regel erst ein bis zwei Jahre nach Auftragsvergabe erfolgt. Hier wird deutlich, dass infolge des Wandels weder Lastenheft noch Pflichtenheft noch die erstellte Lösung die Anforderungen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme treffen können. Erst recht können sie keine Lösungsansätze für sich entwickelnde, neue Geschäftsmodelle enthalten, die zum Beispiel auf der Sektorenkopplung oder dem Dienstleistungsgeschäft basierend, weil die Anforderungen an eine entsprechende Softwareunterstützung noch im Unklaren liegen.

Als Lösung bieten sich neue Formen der Zusammenarbeit an, die eine rasche Reaktion ermöglichen, schnell erste Erkenntnisse liefern und auch Innovationen fördern. Soptim geht bei der Entwicklung neuer Lösungen vom ersten Impuls bis zur vollständigen Umsetzung entsprechend dem Ansatz des Design-Thinking vor. So können wir im Projekt gleichzeitig möglichst schnell an den neuen Geschäftsmodellen und der erforderlichen Software arbeiten.

Dabei ist der zentrale Punkt für das Umgehen mit den Unsicherheiten das iterative Vorgehen. Egal ob bei einer neuen Geschäftsidee oder der Entwicklung der Software, zunächst gilt es, die Idee beziehungsweise das Ergebnis zu beobachten und aus Anwendersicht zu verstehen, um eine gemeinsame Sicht auf das Thema zu entwickeln. Auf dieser Basis werden dann Ideen zur Weiterentwicklung gesammelt, als Prototyp realisiert und unmittelbar wieder getestet. Das ganze erfolgt kurzzyklisch zum Beispiel in Intervallen von zwei oder drei Wochen, um möglichst kleine Schritte zu machen und die Ergebnisse schnell vorliegen zu haben. So können alle Projektbeteiligten prüfen, ob man ein gemeinsames Verständnis hat und ob man auf dem richtigen Weg in die Zukunft der digitalen Energiewelt ist.

Bei einem solchen Vorgehen ist das Rollenverständnis nicht mehr das von Auftraggeber und Auftragnehmer sondern das von Partnern, die sich kennen, verstehen und vertrauen und die fair miteinander umgehen. Kurz gesagt, aus Business-to-Business wird Human-to-Human. Diese weiterentwickelte Form der Zusammenarbeit fließt natürlich auch in die geschlossenen Projektverträge ein. Außerdem ist die Zusammenarbeit ist auch nach Projektende eine andere: Die Partner kennen gegenseitig die Experten und können unkompliziert mit ihnen kommunizieren, um Beobachtungen und Ideen auszutauschen und Fragen zu klären. Dabei sind digitale Kanäle integraler Bestandteil der Zusammenarbeit, um orts- und zeitunabhängig auf Ideen, Wissen und Kompetenzen der beteiligten Menschen zurückgreifen zu können. Idealerweise wird die Zusammenarbeit durch eine komfortable Wissensplattform gestützt.

Workshop schafft Verständnis

Seit Anfang 2017 entwickelt Soptim diese Form der Zusammenarbeit mit den Kunden, die so zu Partnern werden. Wir erleben das Miteinander als sehr unkompliziert und dennoch zielstrebig und effizient und bekommen auch ein entsprechendes Feedback.

Auf des Basis der Partnerschaft lässt sich die Zusammenarbeit auch gut nutzen, um Innovationen zu fördern. Zur Umsetzung bieten sich Thinking Days und Challenge Days an. Bei den Thinking Days werden Ideen, Probleme oder Aufgabenstellungen vorgestellt und anhand der Design-Thinking Methode validiert. So entsteht ein gemeinsames Verständnis und gegebenenfalls ein gedanklicher Prototyp. Gleichzeitig werden die bestehenden Ideen angereichert, erhärtet oder frühzeitig verworfen und es werden auch neue Ideen generiert. Die Challenge Days folgen den Thinking Days, in denen die Ideen anhand von Prototypen validiert werden. Ergebnisse sind Erkenntnisse über die Leistungsstärke der Idee oder der Software und Anregungen beziehungsweise Erfordernisse zur Weiterentwicklung.

Alle Player des Energiemarktes müssen sich dem stetigen Wandel der Anforderungen stellen. Dies betrifft die Weiterentwicklung der Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle sowie der entsprechenden Softwareunterstützung. Um diesen stetigen Wandel trotz der nur vagen Kenntnis der zukünftigen Anforderungen zu meistern, wird sich auch die Zusammenarbeit der Geschäftspartner vom Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis zu einer Partnerschaft weiterentwickeln.

Die partnerschaftliche Zusammenarbeit wird geprägt sein von iterativen Vorgehensweisen, bei denen in kleinen Schritten aus Ideen sukzessive belastbare Produkte, Geschäftsmodelle und Anwendungen entstehen und bei jedem Schritt überprüft wird, ob er in Richtung des Ziels geht. Dies setzt Verständnis und Vertrauen voraus und bietet den zentralen Mehrwert der schnellen Reaktionsfähigkeit, weil man den nächsten Schritt leicht auch auf ein verändertes Ziel ausrichten kann.

Bildergalerie

  • Vorgehen beim Design-Thinking-Prozess auf einer Grafik.

    Vorgehen beim Design-Thinking-Prozess auf einer Grafik.

    Bild: Soptim

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