Koexistenz der Phänomene möglich Supraleitfähigkeit und Ferroelektrizität friedlich vereint

Bisher lässt sich der Mischzustand zwischen Ferroelektrizität und Supraleitfähigkeit nur unter extrem tiefen Temperaturen erzeugen.

16.05.2017

Durchbruch in der Quantenforschung: Zwei konkurrierende Materialzustände können doch koexistieren - das hat ein deutsch-französisches Forscherteam nun beweisen können.

Supraleitfähigkeit und Ferroelektrizität sind zwei Materiezustände, die im Allgemeinen wenig miteinander zu tun haben. Bislang war unklar, ob diese beiden Zustände überhaupt gemeinsam in einer Verbindung auftreten können und, falls ja, wie sie sich gegenseitig beeinflussen.

Was zeichnet die beiden Materialzustände aus?

In supraleitenden Materialien verschwindet der elektrische Widerstand unterhalb der Sprungtemperatur vollständig, was diese Stoffe besonders interessant für technische Anwendungen macht.

Ferroelektrizität resultiert aus einer strukturellen Instabilität eines Materials, sodass sich unterhalb einer bestimmten Temperatur die Kristallstruktur verändert. Hierbei bildet sich eine elektrische Polarisation, welche durch ein elektrisches Feld umgekehrt werden kann.

Koexistenz im selben Material möglich

Ein deutsch-französisches Team konnte nun experimentell zeigen, wie Ferroelektrizität und Supraleitfähigkeit gleichzeitig im selben Material koexistieren. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass die Anwesenheit von Ferroelektrizität die supraleitende Phase sogar stabilisiert und deren Sprungtemperatur anhebt.

Sie verwendeten für ihr Experiment Strontiumtitanat (SrTiO3), ein transparentes, elektrisch isolierendes Material mit annähernd kubischer Kristallstruktur. Erst die Dotierung – das Einbringen von Fremdatomen – mit Kalzium und das Einbringen von Sauerstofffehlstellen generiert diesen exotischen Grundzustand.

Quantenmagie macht's möglich

Das untersuchte Übergangsmetall-Oxid SrTiO3 wird als Quanten-Paraelektrikum bezeichnet. Denn es ist fast ferroelektrisch, aber eine makroskopische, ferroelektrische Ordnung wird durch Quanten-Fluktuationen verhindert. Geringfügige Dotierung mit Kalzium unterdrückt diese Fluktuationen und das System wird ferroelektrisch. Durch leichte Veränderungen im Sauerstoffgehalt lassen sich zudem freie Elektronen erzeugen, so dass SrTiO3 leitfähig und bei tiefen Temperaturen sogar supraleitend wird.

Supraleitfähigkeit und Ferroelektrizität verstärken sich gegenseitig

Die Wissenschaftler um Carl Willem Rischau untersuchten nun den Einfluss einer simultanen Dotierung in dem Material Sr1−xCaxTiO3−δ (0.002 < x < 0.009, δ < 0.001). In ihren Experimenten zeigt sich, dass das auf beide Weisen dotierte Material nicht nur supraleitfähig wird, sondern gleichzeitig auch polare, ferroelektrische Gitterverzerrungen auftreten. Das bedeutet, dass in Sr1−xCaxTiO3−δ der ferroelektrische Zustand mit der Supraleitfähigkeit koexistiert.

Außerdem beobachten die Wissenschaftler, dass die supraleitende Sprungtemperatur in Sr1−xCaxTiO3−δ im Vergleich zu den Kalzium-freien Systemen sogar ansteigt.

Koexistenz nur in Eiseskälte

Zwar existieren die supraleitend-ferroelektrischen Mischphasen aktuell nur in einem Temperaturbereich unterhalb von 1 Kelvin (- 272 °C), aber es besteht die Hoffnung, den gefundenen, stabilisierenden Einfluss von Ferroelektrizität auf die Supraleitung auch in anderen Systemen zu etablieren und somit zu höheren Temperaturen vordringen zu können.

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