Für einfache Automatisierung im Mittelstand Roboter per Drag&Drop programmieren

Die Software drag&bot bietet eine neue, intuitive Form der Roboterprogrammierung.

Bild: Fraunhofer IPA
10.09.2017

Einen Industrieroboter zu programmieren, blieb bisher Experten vorbehalten. Mit einer neuen Software können nun auch Werker Roboterprogramme intuitiv erstellen. Dies eröffnet besonders dem Mittelstand neue Möglichkeiten der Automatisierung.

Zur Programmierung und Integration von Robotern sind bisher sowohl spezielle Robotik-Kenntnisse als auch Kenntnisse in der herstellerspezifischen Roboterprogrammiersprache nötig. Deshalb lohnt sich der Einsatz von Industrierobotern hauptsächlich bei hohen Stückzahlen und über lange Zeit gleichbleibender Aufgabenstellung. Gibt es Änderungen am Werkstück oder in der Produktion, sind die notwendigen Anpassungen zum Beispiel an neue Varianten zeitaufwendig und kostenintensiv.

Dies reduziert die eigentlich vorhandene Flexibilität eines Roboters und hindert besonders kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) daran, in Automatisierung zu investieren – weil sich der Einsatz eines Robotersystems für sie nicht lohnt. Zudem haben KMU meist keine eigenen Robotik-Experten, sodass sie externes Fachpersonal bezahlen müssen.

Roboter wie ein Smartphone bedienen

Die am Fraunhofer IPA entwickelte Software drag&bot ermöglicht eine neue Form der Roboterprogrammierung, die auf die Anforderungen des Mittelstandes zugeschnitten ist. Das Ziel hierbei ist, dass Werker Roboter bedienen wie ein Smartphone. Per „drag&drop“ ist also künftig ein Roboterprogramm erstellbar: Der Programmablauf wird durch das Auswählen und Zusammenstellen einzelner Programmbausteine definiert, die die Software bereitstellt. Diese Programmbausteine sind Funktionen wie zum Beispiel eine Roboterbewegung, das Schließen des Greifers oder das Lokalisieren eines Werkstücks.

Herstelleraunabhängige Programmierung

Der Vorteil gegenüber bisherigen Verfahren: Zum einen sind die Programmbausteine unabhängig vom Roboterhersteller und der Hardware. So unterstützt die Software bereits drei verschiedene Roboterhersteller und weitere werden kontinuierlich aufgenommen. Auch diverse Greifer, Schraubwerkzeuge, Nietpistolen, sonstige über I/Os ansteuerbare Werkzeuge und eine Sick-Kamera werden bereits unterstützt, und auch hier geht die Integration weiterer Werkzeuge und Peripheriegeräte kontinuierlich weiter. Der modulare Aufbau der Software erleichtert diese Integrationsprozesse. Zum anderen sind die Programmbausteine wiederverwendbar und sie verbergen die Komplexität des Roboterprogramms vor dem Anwender. Zudem können sie hierarchisch angeordnet und zu komplexen Programmabläufen gruppiert werden. Dieser effiziente Ansatz vereinfacht Programmieraufwände.

Intutitive Bedienung

Für eine intuitive Bedienung verfügt drag&bot über eine grafische Benutzeroberfläche und es kann an einem PC oder Tablet genutzt werden. So können Anwender ohne spezielle Vorkenntnisse Programmsequenzen definieren und Parameter in Abhängigkeit des jeweiligen Prozesses anpassen. Hierfür bietet die Software sogenannte Wizards, die zum Beispiel mit einem Control-Panel, einer Kamera oder einer Simulationsumgebung verbunden sind. Wizards sind von der Software bereitgestellte Bedien- und Eingabehilfen, die den Nutzer bei der Parametrisierung des Programmablaufs unterstützen. Durch einen Wizard kann etwa die aktuelle Position des Roboters übernommen werden. Die Parameterdefinition mithilfe der Bildverarbeitung ist eine weitere typische Einsatzmöglichkeit eines Wizards. So kann zum Beispiel ein Schraubloch mithilfe einer Kamera lokalisiert und dessen Parameter automatisch übernommen werden: Der Nutzer sieht mögliche Schraublöcher in einem Bild, das die Kamera aufgenommen hat. Durch Anklicken des gewünschten Loches wählt er aus, welche Position geschraubt werden soll.

In die Software wurden bereits mehrere Roboteranwendungen des Fraunhofer IPA integriert, darunter zwei Montageapplikationen und eine Software für den Griff-in-die-Kiste, das roboterbasierte Vereinzeln von Werkstücken. Künftig soll drag&bot auch von der Anbindung an eine firmeninterne oder externe Cloud profitieren. So soll die Wiederverwendbarkeit der Software noch weiter verbessert werden, indem diese nicht nur für Programmbausteine, sondern auch ganze Programme ermöglicht wird. Der Mitarbeiter einer Firma, der mit drag&bot ein Roboterprogramm erstellt hat, kann dieses dann in die Cloud hochladen und allen Kollegen, insbesondere auch an anderen Standorten, bereitstellen. So stehen sofort Lösungen für identische Anwendungsfälle bereit und auch für ähnliche Anwendungen besteht bereits eine Programmbasis, die mithilfe der Wizards schnell angepasst werden kann.

Standardisierte Komponenten

Mit drag&bot erhalten Systemintegratoren und Endanwender eine einfache und flexible Lösung für die Roboterprogrammierung, mit der sie Zeit und Kosten für die Inbetriebnahme sparen und Programmieraufwände reduzieren können. Die erstellten Programme bestehen aus standardisierten Komponenten und bieten die nötige Flexibilität auch für die kundenspezifische Produktionsweise von kleinen und mittelständischen Unternehmen. Systemintegratoren können ihr Angebot dahingehend erweitern, dass sie Robotersysteme anbieten können, bei denen der Anwender selbst mehr Möglichkeiten zum Anpassen an aktuelle Produktionsbedarfe hat. Endanwendern eröffnet sich die Möglichkeit, ohne Expertenwissen Roboterprogramme selbst anzupassen.

Bildergalerie

  • Je nach Prozessanforderung, wie hier für das Nieten, ist die Software modular erweiterbar.

    Je nach Prozessanforderung, wie hier für das Nieten, ist die Software modular erweiterbar.

    Bild: Fraunhofer IPA, Rainer Bez

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