Reluktanzmotor und Frequenzumrichter Cool bleiben trotz Dauerbelastung

Bild: Siemens
25.08.2017

Hohe Energieeffizienz – gerade im Teillastbetrieb – und eine preisgünstige Gesamtlösung sind die entscheidenden Vorteile eines neuen Antriebssystems auf Basis eines Synchronreluktanz-Motors. Durch die Abstimmung von Frequenzumrichter und Motor erweist sich dieses dynamische Duo in vielen Anwendungen als Ergänzung zu Servo- und Asynchronmotoren.

Jede Anwendung braucht die passende Antriebstechnik, um möglichst effizient, kostengünstig und nachhaltig zu funktionieren. Dabei steht die Elektrokonstruktion stets vor der Frage, ob synchrone oder asynchrone Motorentechnik der Weisheit letzter Schluss ist. Seit einigen Jahren ergänzt Siemens mit seinem Standardmotorenprogramm diese Entscheidungen – unter anderem mit den Simotics Reluktanzmotoren. Beispielsweise bilden diese in Verbindung mit einem Frequenz­umrichter eine alternative Antriebstechnik, die so manche Applikation noch besser macht. Bisher wurde hierfür der Frequenzumrichter Sinamics G120 genutzt, nun stehen dafür auch die Geräte Sinamics S120 mit noch größerem Leistungsumfang zur Verfügung.

Kurz zum Hintergrund: Grundsätzlich kennt man Synchronreluktanz-Motoren als einfache Antriebstechnik mit ebenso einfachem Systemaufbau, der fertigungstechnisch keine allzu großen Ansprüche stellt. Entscheidend ist, dass im Läufer eine magnetische Unsymmetrie vorherrscht, die für die Drehmomenterzeugung sorgt. Die Herausforderung dabei ist: Will man damit anspruchsvolle Aufgaben erfüllen und so die prinzipbedingten Vorteile dieser Antriebstechnik in vollem Umfang nutzen, muss die Gestaltung des Läufers und die Regelung des Magnetfelds höchsten Ansprüchen genügen.

Will heißen: Ein Mischbetrieb von Simotics Synchronreluktanz-Motor und Frequenzumrichter unterschiedlicher Hersteller funktioniert zwar, erreicht aber weder die Dynamik noch die Energieeffizienz wie sie das Duo bei Siemens zu bieten hat. Ganz abgesehen von den regelungstechnischen Besonderheiten der einzelnen Motorarten: Während sich Asynchronmaschinen bei Belastungsstößen in einem gewissen Maß selbst stabilisieren, geraten Servomotoren bei unzureichender Regelung vergleichsweise schnell außer Tritt. Auch Synchronreluktanz-Motoren erfordern daher im Mischbetrieb viel Expertenwissen, um ihre Leistungsfähigkeit mithilfe der Frequenzumrichter voll zum Einsatz zu bringen.

Gesamtsystem mit Leistungsumfang

Wer sich allerdings für die abgestimmte Systemlösung entscheidet, erkennt ihren Nutzen – und zwar ohne großen Know-how- beziehungsweise Technikaufwand. Die Inbetriebnahme eines Synchronreluktanz-Antriebssystems ist oft sogar einfacher als bei Systemen mit Asynchrontechnik. Im Vergleich zeigt sich beim System aus Simotics Reluktanzmotor und Sinamics Frequenzumrichtern, dass die Verluste etwa ein Drittel geringer sind, als bei einzeln konfigurierten Reluktanzsystemen. Und gerade die Energieeffizienz gehört mit zu den wichtigsten Vorteilen dieser modernen Antriebe. Sie erreichen die Energieeffizienzklasse IE4 und zeigen im Teillastbereich eine hohe Energieausbeute gegenüber Asynchronmotoren.

Ein typisches Anwendungsfeld sind Regelpumpen in Hydrauliksystemen. Seit vielen Jahren ist der Trend zu beobachten, Konstantpumpensysteme zu ersetzen, um so die großen Energieverluste beim ventilseitigen Abdrosseln zu vermeiden. Während Asynchronmotoren hierfür schwierig zu regeln sind, liegt das Kostenniveau für Servomotoren meist über dem Budget. Ganz abgesehen davon, dass Servotechnik häufig im unteren Leistungsbereich anzutreffen ist, hydraulische Regelpumpen dagegen hohe Leistungen übertragen. Für dieses breite Anwendungsfeld eignen sich die Synchronreluktanz-Motoren mit Sinamics S120 von Siemens, die bei Achshöhe 80 beginnen, durch die hohe Dynamik ideal.

Überlastfähig über lange Zeiträume

Aufgrund der Überlastfähigkeit im Dauerbetrieb von bis zu 20 Prozent über dem, was das Typenschild ausweist, können teils kleinere und damit günstiger Motoren eingesetzt werden. Im Idealfall können dadurch sogar Hydraulikspeicher eingespart werden, systembedingt sind damit signifikante Kostenreduzierungen sowie Konstruktionsvereinfachungen möglich.

Synchronreluktanz-Motoren sind zudem kompakt und lassen sich einfacher in Konstruktionen integrieren. Davon profitiert nicht zuletzt auch die Lüftertechnik, wenn heiße Klimaperioden eine längere Einschaltdauer beziehungsweise höhere Luftleistungen erfordern als üblich. Ähnliche Arbeitsspitzen kennt man auch aus der Fördertechnik. Beispiel Versandhandel: Während die Bänder elf Monate lang mit normaler Auslastung fahren, kann das Weihnachtsgeschäft einen Monat lang eine überproportionale Leistungsspitze verursachen. Während Transportbandantriebe auf die höchsten Umschlagleistungen ausgelegt sein müssen und dementsprechend dimensioniert sind können die kompakten Synchronreluktanz-Motoren möglicherweise kleiner ausfallen. Denn sie können auch über längere Zeiträume über ihrem eigentlichen Leistungsniveau betrieben werden. Aufgrund ihrer Systemeigenschaften bleiben die Synchronreluktanz-Motoren selbst während solcher Dauerbelastungen cool – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn aufgrund der speziell geformten Blechpakete im Läufer ist keine signifikante Wärmeentwicklung zu beobachten. Das schont zudem die Lager, was zusätzlich die Nachhaltigkeit dieser Antriebstechnik bestätigt. Insofern benötigen die Motoren in der Regel auch keine externen Lüfter, was sich positiv auf Kosten, Komplexität und Kompaktheit auswirkt.

Genaue Drehmomentregelung ohne Geber

Gleichzeitig kommt ein weiterer Vorteil der Kombination aus Motor und Frequenzumrichter zum Tragen. Die Antriebslösung ist regelungstechnisch so ausgelegt, dass anspruchsvolle Antriebslösungen damit realisierbar sind – und zwar ohne zusätzliche Geber. Davon profitiert beispielsweise die Kunststofftechnik. Speziell bei Extrudern muss nämlich das anstehende Drehmoment sehr exakt geregelt werden, um bei Überbelastung ein Abscheren der Schnecke zu verhindern. Ohne eine exakte Drehmomentregelung wären teure Drehmomentmesswellen erforderlich, die aus Kundensicht nicht akzeptabel sind. Beim Einsatz von Simotics Reluktanzmotor plus Sinamics S120 gilt: Durch die Kenntnis der mechanischen und elektrischen Rahmenbedingungen und des damit verbundenen Regelverhaltens lässt sich das Drehmoment auch ohne Geber sehr exakt bestimmen. Die Drehmomentgenauigkeit bewegt sich im Nennpunkt im Bereich von 3 bis 5 Prozent und sorgt somit dafür, dass sich die Gefahr von leistungsbedingten Überlastsituationen reduzieren lässt. Der Systemvorteil in Verbindung mit qualitativ hochwertigen Einzelkomponenten macht Konstruktionen einfach und sicher.

Ergänzung zu Servo- und Asynchronmotoren

Hohe Systemwirkungsgrade – auch im Teillastbereich –, Dynamik, kompaktes Design sowie die hohe Überlastfähigkeit machen Synchronreluktanz-Motoren für viele Anwendungen zu einer Ergänzung von Servo- und Asynchronmotoren. Extruder, Wickler, Servohydraulik, Lüfter, Wasserkraftwerke und viele weitere Anwendungen profitieren von den guten Eigenschaften dieser Antriebe. Entscheidend ist allerdings immer, dass die Regelung zum Motor passt.

Durch die Möglichkeit, dass mit der Firmware-Version 4.8 nun nicht nur die Sinamics G120, sondern auch die Sinamics S120 zur Regelung genutzt werden können, warten weitere Vorteile. So lassen sich die Motoren unabhängig von der Bauart der Frequenzumrichter aus dem Siemens Systembaukasten einsetzen – ob Chassis, Booksize Compact oder Booksize. Wer beispielsweise bei Mehrmotorenantrieben die Booksize-Variante nutzt, kann gleichzeitig auch die Hilfsachsen mit Synchronreluktanz-Motoren ausrüsten und dabei die gleiche Hardware und Inbetriebnahmeumgebung verwenden.

Damit sind viele Vorteile, wie sie die Servotechnik bietet, in vollem Umfang nutzbar. Die Regelperformance erlaubt beispielsweise einen dauerhaften Betrieb bis Drehzahl Null und auch der generatorische Betrieb wurde entsprechend verbessert. In Verbindung mit Active-Line-Modulen ist auch eine Energierückspeisung ins Netz möglich, was die Energieeffizienz weiter erhöht. Auch aus Sicht der Maschinensicherheit bietet das dynamische Duo Spielraum. So integriert diese Systemlösung im Zusammenhang mit dem Sinamics S120 auch Safety-Funktionen, wie STO, SS1 und SBC.

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  • Durch die Energieeffizienz der Synchronreluktanz-­Motoren – gerade im Teillastbereich – eignet sich die Antriebstechnik für unterschiedlichste Anwendungen.

    Durch die Energieeffizienz der Synchronreluktanz-­Motoren – gerade im Teillastbereich – eignet sich die Antriebstechnik für unterschiedlichste Anwendungen.

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