Social Network in der Industrie Einfach die Anlage fragen!

„Bei der Social Networked Industry chattet der Techniker mit der Anlage, zum Beispiel über nötige Instandhaltungsmaßnahmen." Dr. Thomas Heller, Abteilungsleiter Anlagen- und Servicemanagement beim Fraunhofer-Institut IML in Dortmund

Bild: Jürgen Kreuzig, Wiley
07.02.2018

Und diese sagt dann, wie es ihr geht. So muss man sich Social Networked Industry in der Instandhaltung vorstellen. Davon profitieren Maschinen und Menschen, so Dr. Thomas Heller, Abteilungsleiter Anlagen- und Servicemanagement beim Fraunhofer-Institut IML in Dortmund.

Die Social Networked Industry schickt sich an, in die Fußstapfen von Industrie 4.0 zu treten. Doch was bedeutet das? Schlicht gesagt: Im Unternehmen und in Unternehmensverbünden existieren soziale Netzwerke, in denen Menschen und Maschinen miteinander kommunizieren und ihre Aufgaben organisieren. Und sich über ihre unterschiedlichen Befindlichkeiten austauschen. Wobei Befindlichkeit wörtlich zu nehmen ist. Denn in Zukunft kann der Techniker seine Anlage zum Beispiel fragen: „Wie geht es dir?“

Und die Anlage antwortet: „An Modul X läuft etwas leicht unrund, das könnte zum Problem werden. Du hast doch heute um 14 Uhr eine halbe Stunde Zeit. Kannst du mal vorbeischauen und nach dem Rechten sehen?“

Chatten mit der Anlage

Das hört sich doch wirklich wie ein Chat in einem Social Network an – daher auch der Name Social Networked Industry. Wobei sich allerdings die Frage stellt: Woher weiß denn die Anlage, dass ich heute um 14 Uhr eine halbe Stunde keine Termine habe? Sie hat natürlich in meinen Terminkalender geschaut! Und woher weiß sie, dass ich der/die Richtige für ihr spezifisches Anliegen bin? Weil sie neben meinen Terminen auch meine Fähigkeiten und Befindlichkeiten kennt. Sie weiß, dass ich die richtige Person mit der richtigen Fachkompetenz für ihr Problem bin, das sich bei Modul X abzeichnet. Das alles hört sich nach einer guten Sache an. Wir spüren förmlich, wie das die Anlagenverfügbarkeit erhöhen, Störungen reduzieren/vermeiden und die Arbeit in der Instandhaltung erleichtern kann. Deshalb die Frage: Warum gibt es das noch nicht flächendeckend?

Atavismus im Digitalzeitalter

Warum kann eine Anlage noch nicht selbstständig der Instandhaltung melden, wann sie gewartet werden muss? Oder dem Instandhalter mitteilen, dass sich der turnusgemäße Termin für die nächste Wartung problemlos um drei Wochen verschieben lässt? Weil es in vielen Anlagen noch an Daten fehlt. An Sensor- und Betriebsdaten, an Daten aus der Anlagen-Historie oder vom Hersteller. Die Anlage kann mir heute noch nicht sagen, wie groß der Abnutzungsvorrat bestimmter Geräte und Teile ist. Wir leben zwar im Zeitalter der Digitalisierung, doch dafür sind wir noch nicht digital genug. Das gilt nicht nur für den Datenaustausch innerhalb eines Unternehmens. Es gilt insbesondere auch für den Austausch zwischen Hersteller und Betreiber.

Es ist heute leider oft immer noch so: Die Daten, die beim Hersteller längst verfügbar sind, kriegt der Betreiber nicht, der sie deshalb erst mühsam und zeitraubend in sein IT-System einbringen muss. Wenn er überhaupt darankommt. Im Zeitalter der Digitalisierung ist das ein Atavismus.

Dasselbe gilt auch für die Daten-Silos innerhalb eines Unternehmens: Sensordaten, Betriebsdaten, Wartungshistorie und letztlich das individuelle Know-how der Mitarbeiter – das sind oft noch Silos, die in den seltensten Fällen miteinander verknüpft sind. Doch erst, wenn sie das sind, ist die Basis für Social Networked Industry geschaffen. Erst dann kann man die Anlage fragen, wie es ihr geht und wann sie gewartet werden möchte.

Vorteile für Anlage & Mensch

Seit circa fünf Jahren sprechen wir von Digitalisierung und Industrie 4.0 – aber passiert ist noch zu wenig. Oft wurde auch die Priorität falsch gesetzt. Warum? Weil die Instandhaltung als relevanter Faktor in vielen Unternehmen immer noch unterschätzt wird. Weil in vielen Unternehmen noch das Primat der Produktion regiert. Doch das muss nicht sein. In Unternehmen, wo es sich bereits verändert, steigt folgerichtig die Anlagenverfügbarkeit. Doch nicht nur die Anlagen profitieren von der Social Networked Industry, sondern auch der Mensch.

Hindernisse beseitigen

Häufig klagen Techniker oder Anlagenführer: „Es wäre extrem hilfreich, wenn ich mit meinem Smartphone ein Bild von einem Problem machen und das dann per WhatsApp an die dafür kompetenten Kollegen schicken könnte, um rasch eine helfende Antwort zu bekommen.“ Oder mit Programmen wie Doodle eine flexible Schichteinteilung zu bewerkstelligen. Das alles und noch viel mehr ist Social Networked Industry.

Den Gebrauch privater Handys verbieten jedoch viele Firmen noch; unter anderem wegen Sicherheitsbedenken. Aber das sind keine unüberwindlichen Hindernisse. Es sind schlicht offene Fragen, die geklärt werden können und geklärt werden müssen. Damit die Indus-
trie ins Social Network einsteigen kann. Weil es uns allen nützt.

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