Graphen und verwandte Materialien versprechen ein großes Anwendungspotenzial in zahlreichen Branchen. Aktuell bildet sich allmählich ein Graphen-Markt mit aufstrebenden Anbietern heraus. Sein Wachstum hängt entscheidend vom Zusammenspiel zwischen der Weiterentwicklung von Technologien und ersten Anwendungen ab, welche die Nachfrage ankurbeln sollen. Was jedoch fehlt, sind detaillierte Informationen zum aktuellen Stand und zur künftigen Entwicklung des Graphen-Marktes, die etwa Hersteller benötigen, um ihren Kundenstamm zu vergrößern, Finanzierungen abzusichern oder ihre Produktion hochzufahren.
Meta-Marktanalyse liefert detaillierte Einblicke
Eine neue Meta-Marktanalyse liefert diese bislang fehlenden Einblicke in den globalen Graphen-Markt und seine wichtigsten Akteure. Dazu wurden zunächst 103 englischsprachige und zwischen 2013 und 2022 erschienene Marktberichte, die sich mit dem globalen Graphen-Markt befassen, ausgewertet und relevante Vorabinformationen, insbesondere Umsatzschätzungen oder Prognosen zu durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten, untersucht. In einem zweiten Schritt wurden umfassende Publikations- und Patentanalysen bis auf Akteursebene hinab durchgeführt, um tiefere Einblicke zu erhalten.
Ein erstes Ergebnis der Studie ist, dass schon die Anzahl der Graphen-Marktberichte deutlich zugenommen hat, insbesondere zwischen 2020 und 2022, was bereits das steigende Interesse an der industriellen Nutzung von Graphen unterstreicht. Es scheint, dass immer mehr Kunden bereit sind, für solche Marktberichte zu bezahlen, um das notwendige Wissen über den globalen Graphen-Markt zu bekommen.
Markt wuchs kontinuierlich
Weitere Analysen zeigen, dass der globale Graphen-Markt in den letzten Jahren kontinuierlich wuchs und 2022 einen geschätzten durchschnittlichen Jahresumsatz von 380 Millionen US-Dollar erreichte (Prognosespanne zwischen 50 Millionen und 1,1 Milliarden US-Dollar). Das ist zwar immer noch deutlich weniger als zum Beispiel der Graphitmarkt (22,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022) oder der Industrieruß-Markt erzielt haben (17 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021), aber hier ist die kurze Zeitspanne zur Entwicklung praktischer Anwendungen seit der Entdeckung von Graphen zu berücksichtigen. Ein deutliches Marktwachstum in den nächsten Jahren dürfte zu einer prognostizierten Marktgröße von 1,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2027 führen (Prognosespanne zwischen 0,34 und 5,5 Milliarden US-Dollar).
Was das durchschnittliche jährliche Wachstum des globalen Graphen-Marktes anbelangt, prognostizieren mehr als 85 Prozent der ausgewerteten Marktberichte Wachstumsraten von über 20 Prozent. 70 Prozent der Berichte sagen kurz- bis mittelfristig ein Wachstum von über 30 Prozent voraus. Dabei sind auch Informationen über die Entwicklung des Graphen-Preises und der Produktionsmengen von hoher Relevanz: Die Meta-Marktanalyse leitet aus den prognostizierten Nachfragen und den Umsatzprognosen für Graphen bis 2028 eine erwartete jährliche Preissenkungsrate von 12 Prozent ab.
Der Studie zufolge könnte die weltweite Graphen-Nachfrage bis 2028 auf eine Spanne von 9.000 bis 170.000 Tonnen pro Jahr ansteigen, mit einem Medianwert von 30.000 Tonnen. Diese Zahlen stellen eine grobe Schätzung der Nachfrageentwicklung von Graphen für die nächsten Jahre dar, und die große Spanne ist typisch für Märkte mit unsicherer Entwicklung. Die tatsächliche Nachfrageentwicklung wird von der Performance der Graphen-Materialien in Anwendungsfällen, der tatsächlichen Preisentwicklung, Unternehmensentscheidungen und der daraus resultierenden Marktakzeptanz abhängen.
Studie betrachtet Elektronik-Bereich, Verbundwerkstoffe und Batterie-Markt
Neben der Nutzungsseite, Marktakteuren und möglichen Anwendungen analysierte die Studie auch drei vielversprechende Graphen-Anwendungssektoren: Den Elektronik-Bereich, Verbundwerkstoffe und den Batterie-Markt. Was den aktuellen Marktumsatz des Graphen-Batteriemarktes von circa 100 Millionen US-Dollar im Jahr 2022 und erwartete durchschnittliche Wachstumsraten zwischen 20 und 30 Prozent anbelangt, besteht in den ausgewerteten Marktberichten relativ große Übereinstimmung.
Dies gilt nicht für den Graphen-Elektronikmarkt, für den die Umsatzvorhersagen von unter 100 Millionen US-Dollar bis zu über einer Milliarde Dollar reichen. Bei den prognostizierten Wachstumsraten von unter 20 bis fast 40 Prozent ist dies ähnlich. Noch drastischer fallen die Schwankungen bei den Schätzungen für den Graphen-Verbundwerkstoffmarkt aus: Die Umsatzwerte reichen von unter 20 Millionen Dollar bis zu fast 12 Milliarden Dollar im Jahr 2022, als Wachstumsraten werden zwischen 3,5 und 40 Prozent ausgegeben. Die großen Spannen lassen sich neben unterschiedlichen Erwartungen auch durch abweichende Definitionen der Anbieter von Graphen-Marktberichten (zum Beispiel Einbeziehung oder Ausschluss von Sekundärprodukten) erklären.
Vergleich transnationaler Patentierungsaktivitäten
Die Studienautoren analysierten auch die globale Verteilung der länderübergreifenden Patentierungsaktivitäten für Elektronik-, Verbundwerkstoff- und Batterieanwendungen nach der nationalen Herkunft. Die Ergebnisse zeigen, dass die drei Weltregionen Nordamerika, Ostasien und Europa die weltweite Schaffung geistigen Eigentums mit Bezug zu Graphen zu nahezu gleichen Anteilen dominieren. Natürlich sind auch regionale Trends zu beobachten, wie etwa eine besondere Konzentration bei batteriebezogenen Graphen-Anwendungen in Ostasien, was mit der aktuellen industriellen Vormachtstellung der Region in der Batterietechnik zusammenhängt.
Dr. Henning Döscher, wissenschaftlicher Projektleiter am Fraunhofer ISI und einer der vier Autoren der Publikation, erklärt: „Aufstrebende Nischenanbieter dominieren bisher weitgehend die Herstellung von Graphen. Sie arbeiten auch bereits an vielfältigen Anwendungen, da die Marktführer bislang oft noch untätig bleiben. Unsere Daten deuten aber auch auf erste Anzeichen eines Umdenkens hin. Einzelne Markführer, wie etwa Samsung im Elektroniksektor, bauen bereits systematisch geschütztes Anwendungswissen auf.“
Wächst der weltweite Graphen-Markt in den nächsten Jahren um die vorhergesagten 20 bis 30 Prozent, könnten solche Unternehmen, die bereits jetzt aktiv werden, sich einen bedeutenden Vorteil erarbeiten.