Spin-out der Max-Planck-Gesellschaft Start-up für Fusionskraftwerke gegründet

Der Vorgang der Fusion ist unter anderem von Sternen bekannt. Lässt er sich auch auf der Erde als verlässliche, saubere und effiziente Energiequelle nutzen?

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28.06.2023

Proxima Fusion, ein Spin-out der Max-Planck-Gesellschaft, hat sein Pre-Seed-Fundraising in Höhe von sieben Millionen Euro abgeschlossen. Gegründet wurde es von ehemaligen Wissenschaftlern und Ingenieuren aus dem Max-Planck-IPP, dem MIT und Google-X. Sein Ziel: das erste Fusionskraftwerk auf Basis eines Stellarators entwickeln.

Proxima Fusion ist das erste Spin-out aus dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) und ist nach erfolgreichem Fundraising nun in München an den Start gegangen. Ziel der Gruppe ist es, in den kommenden Jahren einen neuen Hochleistungsstellarator zu entwickeln. In den 2030ern soll dann das erste Fusionskraftwerk auf Basis eines Stellarators entstehen.

Sterne erzeugen Energie durch Fusion. Die am besten erforschte Methode, Fusion auf der Erde zu ermöglichen, ist das Einschließen hochenergetischer, ionisierter Materie, sogenanntem Plasma, in Magnetfeldern. Große Maschinen wie Tokamaks und Stellaratoren nutzen dazu einen donutförmigen, magnetischen „Käfig“. Während Stellaratoren eine Vielzahl komplexer Elektromagneten außerhalb des Plasmas verwenden, kombinieren Tokamaks einfache, externe Elektromagneten mit einem großen Strom innerhalb des Plasmas kombinieren. Dadurch ist das Design eines Tokamaks zwar einfacher, der große Strom führt aber zu Schwierigkeiten bei der Stabilitätskontrolle des Plasmas.

Moderne Anlagen mit magnetischem Einschluss können bereits routinemäßig Plasmen mit mehr als 100.000.000 °C erreichen – das ist in etwa zehnmal so heiß wie das Zentrum unserer Sonne. Die Chance, die Fusion als sichere, saubere und effiziente Energiequelle zu nutzen, motiviert die akademische Forschung seit vielen Jahrzehnten.

Vorteile und (frühere) Nachteile von Stellaratoren

Die Arbeiten von Proxima Fusion bauen auf dem Wendelstein 7-X (W7-X) des IPP auf, einem der fortschrittlichsten Stellaratoren der Welt. Die entscheidenden Vorteile von Stellaratoren für die Fusionskraft beinhalten dabei, sie mit weniger operativem Aufwand im stationären Zustand betreiben zu können und zudem eine attraktive Lösung für die Bewältigung der Wärmebelastung der Materialoberflächen zu erhalten.

Die ersten Stellaratoren waren noch mit großen Nachteilen behaftet. Dazu zählten ein schlechter Plasmaeinschluss bei hohen Temperaturen, hohe Verluste an Fusionsprodukten und schwer einhaltbare Konstruktionstoleranzen. Viele dieser Probleme konnten in den letzten Jahren jedoch gelöst werden. „Die experimentellen Fortschritte von W7-X und die jüngsten Fortschritte bei der Modellierung von Stellaratoren haben das Bild radikal verändert“, sagt Francesco Sciortino, Mitbegründer und CEO von Proxima Fusion. „Stellaratoren können inzwischen die Hauptprobleme von Tokamaks überwinden und signifikant weiterentwickelt werden, wodurch die Stabilität des Plasmas verbessert und stationäre Spitzenleistungen erreicht werden.“

Netzanbindung von Fusionsenergie

Die Leistung von Fusionsanlagen wurde in der Vergangenheit mit dem sogenannten Tripelprodukt aus Dichte, Temperatur und Einschlusszeit quantifiziert. Seit der Inbetriebnahme im Jahr 2015 hat W7-X schnell zu den fortschrittlichsten Tokamaks aufgeholt, die bisher zusammengenommen weitaus mehr Mittel erhalten haben.

Allerdings sagt das Tripelprodukt wenig über die technische und wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Fusionskonzepts als Grundlage für ein Kraftwerk aus. W7-X kann auch hier überzeugen: Im Februar 2023 erzielte der Stellarator einen Rekord beim Energieumsatz, das heißt der gesamten Heizleistung multipliziert mit der Dauer des Experiments.

„Die deutsche Regierung hat über Jahrzehnte mit visionären Investitionen die Stellaratortechnologie in Deutschland bis zur Weltspitze vorangebracht“, sagt Jorrit Lion, Mitbegründer von Proxima Fusion und Experte für die Modellierung von Stellarator-Kraftwerken. „Auf dem dadurch geschaffenen Know-how in Instituten und Unternehmen können wir nun als Start-up aufbauen. Wir bündeln jetzt diese Expertise, um Fusionsenergie aus Stellaratoren ans Netz zu bringen.“

Martin Kubie, der nach einem Jahrzehnt im Formel-1-Team von McLaren, bei Google-X und dessen Ausgründung Wing zu seinen Mitgründern dazugestoßen ist, ist sich dabei der harten Arbeit bewusst, die vor dem Team liegt: „Die Fusion ist die Herausforderung unserer Zeit. Unsere Aufgabe wird es sein, sie zu einer kommerziellen Realität zu machen. In den nächsten zwölf Monaten wird sich Proxima Fusion in Zusammenarbeit mit seinen akademischen und industriellen Partnern auf die Fertigstellung eines ersten Designs für ein Fusionskraftwerk konzentrieren.“

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