Eine prognostizierte Weltbevölkerung von rund zehn Milliarden Menschen erfordert laut Welternährungsorganisation FAO bis 2050 eine Steigerung der globalen Agrarproduktion um 50 Prozent. Die landwirtschaftlich nutzbare Fläche ist jedoch in den letzten Jahrzehnten von fast 40 Prozent der globalen Landfläche im Jahr 1991 auf nur noch 37 Prozent im Jahr 2018 zurückgegangen.
Neue und effizientere Strategien und Methoden für die Nahrungsmittelproduktion sind dringend erforderlich, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Neben der Pflanzenproduktion im Vertical Farming steht die Kultivierung von Algen unter kontrollierten Bedingungen im Mittelpunkt der aktuellen Forschung.
Die konsequente Einbeziehung von Makro- und Mikroalgen in die Ernährung von Mensch und Nutztier kann langfristig einen signifikanten Beitrag zur Lösung der globalen Ernährungsprobleme leisten. Zudem meiden Verbraucher zunehmend tierisches Eiweiß und greifen stattdessen zu pflanzlichen und mikroalgenbasierten Produkten. Dieser Trend zu gesünderen Lebens- und Ernährungsgewohnheiten führt zusätzlich zu einer hohen Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln mit Mikronährstoffen.
Darüber hinaus wird eine steigende Nachfrage im Futtermittel- und Aquakulturmarkt erwartet. Produkte auf der Basis von Mikroalgen können als alternative Proteinquelle erfolgreich Fischmehl ersetzen, wobei die Hersteller Kosteneinsparungen von 60 bis 80 Prozent erzielen können. Für Produkte aus Mikroalgen wird daher in Europa ein hohes Marktwachstum von durchschnittlich 10,9 Prozent pro Jahr erwartet. Eine Chance für den Standort Deutschland: Mit 16 Mikroalgen-produzierenden Unternehmen sind wir Vorreiter in Europa.
Automatisierte Mikroalgenproduktion mit maximaler Effizienz
Zur Herstellung von Mikroalgen am Standort Deutschland sind zurzeit hocheffiziente und ressourcenschonende Indoor-Verfahren führend. Aufgrund des hohen Automatisierungsgrades können diese auf einem attraktiven Preisniveau produzieren. Bislang wird überwiegend die phototrophe Mikroalge Spirulina gezüchtet. Sie enthält etwa siebenmal so viel Eiweiß wie Tofu.
Die Produktion erfolgt in geschlossenen Systemen, bei denen das eingesetzte Prozesswasser größtenteils wiederverwendet wird. Der Produktionsprozess wird mittels bildgebender Verfahren und Sensoren im Regelprozess überwacht. Die nächsten Schritte Richtung Zukunft sind die Entwicklung von digitalen Modellen (Digital Twin) und selbstlernende KI-Algorithmen. Sie sparen Personalkosten und ermöglichen eine einfache Skalierung der Produktion.
Das LED-Beleuchtungssystem
Die Spirulina-Alge ist ein phototropher Organismus, das heißt, sie betreibt Photosynthese. Daher ist eine bedarfsgerechte künstliche Beleuchtung der Aufzuchttanks von entscheidender Bedeutung für den Ertrag. Jeder Aufzuchttank wird mit Lichtsystemen mit je 700 Leuchtdioden beleuchtet. Diese liefern genau die Lichtwellenlängen, die die Alge in ihrer jeweiligen Wachstumsphase und Algenkonzentration benötigt. Zum Einsatz kommen dabei Mid-Power-Leuchtdioden, die eine besonders gleichmäßige Lichtverteilung ermöglichen. Das System überwacht sich selbst, ohne dass ein Operator eingreifen muss: Eine Software erkennt, ob und an welcher Stelle eine LED defekt ist, sodass Fehler schnell behoben werden können. So wird eine gleichbleibend hohe Marge bei minimalem Personaleinsatz erreicht.
Darüber hinaus sorgen die Lichtsysteme beim Abarbeiten ihrer Lichtrezepte für eine optimale Lastverteilung, sodass der elektrische Energiebedarf der Fabrik weitestgehend konstant bleibt.
Das Beleuchtungs- und Selbstdiagnosesystem wurde von Agile Solutions in enger Zusammenarbeit mit Würth Elektronik entwickelt. Die Erfahrungen von Würth Elektronik im Bereich Vertical Farming flossen in das Projekt ein und ermöglichten eine zeitnahe Umsetzung.
Ziele
Um eine konkurrenzfähige Mikroalgenproduktion am Standort Deutschland zu etablieren, mussten folgende Ziele erreicht werden:
Effizienter Energieeinsatz: Durch den hohen Wirkungsgrad der eingesetzten LED-Leuchtmittel und die gezielte Optimierung des Farbspektrums sowie der homogenisierten Lichtverteilung konnte der Energieeinsatz auf das notwendige Maß reduziert werden. Es wird keine Energie verschwendet, was bei den hohen Strompreisen in Deutschland ein entscheidender Vorteil ist.
Hoher Ertrag: Die eingesetzten LED-Vorhänge versorgen die phototrophen Spirulina-Algen mit der für ihr Wachstum optimalen Lichtwellenlänge.
Kontrollierte Produktion: Die Algen können in einem geschlossenen System unter Reinraumbedingungen gezüchtet werden. Dies garantiert höchste Qualität und ständige Verfügbarkeit, unabhängig von Wetter und Jahreszeit.
Automatisierter Prozess: Das Selbstdiagnosesystem der LED-Beleuchtung leistet einen wichtigen Beitrag zur Automatisierung sowie zur Einsparung von Personal. Nur so ist eine wettbewerbsfähige Produktion am Standort Deutschland möglich.
Rückgriff auf Erfahrungen im Bereich Vertical Farming
Alexander Gerfer, CTO von Würth Elektronik eiSos: „Das Thema Lebensmittelproduktion liegt mir persönlich sehr am Herzen, da ich selbst aus einem landwirtschaftlichen Betrieb komme. Algen sind ein echtes Superfood: Spirulina ist reich an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen, wirkt antioxidativ und unterstützt das Immunsystem. Sie lässt sich zu konkurrenzfähigen Preisen hier am Standort Deutschland produzieren – in hervorragender Qualität. Voraussetzung dafür ist unter anderem eine energiesparende und automatisierte Beleuchtung. Diese haben wir gemeinsam mit Agile Solutions entwickelt. Dabei konnten wir auf unsere umfangreichen Erfahrungen zurückgreifen, die wir bereits im Bereich Vertical Farming mit LED gesammelt haben, unter anderem mit unserem Prototyp Connected Vertical Farm. Wie Pflanzen aus dem Indoor-Anbau werden auch hochwertige Algen aus verbrauchernaher Produktion ihren Beitrag zur Ernährung der rasant wachsenden Weltbevölkerung leisten. Wir von Würth Elektronik übernehmen Verantwortung für unseren Lebensraum, indem wir auch in diesem wichtigen Bereich Innovationen ermöglichen.“
