Studie zur Stromversorgung Sind unsere Stromnetze überhaupt Energiewende-fähig?

ZVEI fordert massive Investitionen in Klimaneutralitätsnetz. Der Fokus muss zunächst auf Digitalisierung der Netze gelegt und daran der physische Netzausbau ausgerichtet werden.

Bild: iStock, chameleonseye
17.03.2023

Wir befinden uns mitten in der Energiewende. Für viele Unternehmen ist das eine der Top-Prioritäten, doch kaum jemand hat unser Stromnetz dabei auf dem Schirm. Eine Studie vom Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) untersucht nun, ob die Basis für eine Energiewende überhaupt gegeben ist.

„Wir müssen das Klimaneutralitätsnetz in Deutschland schleunigst in die Tat umsetzen“, so Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, anlässlich der Veröffentlichung der Studie „Stromnetze der Zukunft“.

Große Leistungslücke

Wie die neue Studie von PWC im Auftrag des ZVEI zeigt, besitzen insbesondere die Verteilnetze derzeit nicht die Eigenschaften, die ein Stromnetz für die verlässliche und gesicherte Versorgung ab 2030 benötigt. Würden jetzt die für 2030 geplante Zahl an Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen angeschlossen, würde das die Netze heute in die Knie zwingen.

„Wir gehen derzeit von einer Leistungslücke in den Netzen von 80 GW über alle Spannungsebenen aus. Bis 2030 braucht es daher massive Investitionen in diese kritische und für die Energiewende so wichtige Infrastruktur – mindestens 100 Milliarden Euro“, schätzt Weber. Bei diesem Betrag sei es enorm wichtig, ein zukunftsfähiges Zielbild vor Augen zu haben. „Unsere Studie definiert eben dieses als Klimaneutralitätsnetz, das Erzeugung und Verbrauch multidirektional, zeitlich sowie räumlich miteinander koordiniert und die Sektorkopplung ermöglicht – über alle Spannungsebenen, Stakeholder und Technologien hinweg.“

Zu den wichtigsten Eigenschaften zählen die zuverlässige Bereitstellung verlässlicher Netz- und Energiezustandsdaten in Echtzeit, der systemdienliche Einsatz von Flexibilitäten für eine effizientere Netzauslastung und die Nutzung und Vorhaltung von Speicherkapazitäten, etwa durch bidirektionales Laden von Elektroautos.

Auf Basis der konkret beschriebenen Funktionalitäten in der Studie könne nun eine dringend nötige zukunftsorientierte Netzausbauplanung erstellt werden. Bisher seien nur zwei von 39 Funktionalitäten im gesamten Stromnetz umgesetzt. Der größte Ausbaubedarf besteht dabei der Studie zufolge in der Hochspannung. Allerdings sei zuvor auch eine Bestandsaufnahme durch die Verteilnetzbetreiber essenziell.

Gezielte Investitionen zu Beginn notwendig

Die Ergebnisse zeigen zudem, dass zunächst gezielt in die Digitalisierung der Netze investiert werden muss. Nur dadurch kann der ebenfalls nötige physische Ausbau an die größten Engpässe exakt angepasst angegangen und extreme Anstiege von Netzentgelten abgemildert werden.

Gleichzeitig bildet die Digitalisierung schon heute die Grundlage für flexible Stromtarife, von denen alle Endverbraucher profitieren können. „Daher müssen wir endlich für mehr Transparenz im Netz sorgen“, so Weber. Dieser Umbau sei eine Transformation „am offenen Herzen“, der reibungslose Netzbetrieb müsse zu jeder Zeit gewährleistet sein.

Für die zügige, flüssige und planungssichere Umsetzung der Transformation zum Klimaneutralitätsnetz sei nun zudem ein Beschleunigungspaket sowie kluge Fachkräfte- und Weiterbildungskonzepte nötig. Weber: „Statt in ewigen Verfahren festzuhängen, muss der Netzausbau schnell vorangehen. Dafür braucht es viele gut ausgebildete Fachkräfte – insbesondere müssen die jetzigen Beschäftigten in die Lage versetzt werden, die veränderten Anforderungen des Klimaneutralitätsnetz zu managen.“

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