Im Rahmen der vergangenen SPS IPC Drives 2018 hat Steute Technologies zwei neue Produkte vorgestellt: Zum einen präsentierte das Unternehmen aus Löhne den Seilzug-Notschalter ZS 92 S und zum anderen den Bandschieflaufschalter ZS 92 SR. Beide Geräte stammen aus dem Extreme-Portfolio von Steute und stehen auch im Fokus des Messeauftritts auf der diesjährigen Powtech. Was aber bedeutet extrem überhaupt, was ist das Besondere an diesen Schaltern und wofür eignen sie sich?
Den Geschäftsbereich Extreme gibt es inzwischen seit der SPS 2010. Zusammen mit den Sparten Wireless und Automation decken diese drei Geschäftsbereiche vor allem industrielle Anwendungen ab. Hinzu kommt als letzter Bereich noch das medizintechnische Portfolio Meditec. Doch wie unterscheiden sich die Extreme-Produkte von den anderen Baureihen?
Auf der Homepage findet sich dazu folgender Passus: „Wo andere Schaltgeräte an Grenzen stoßen, sind die Baureihen aus dem Geschäftsbereich Extreme in ihrem Element.“ Rainer Lumme, Product Manager Extreme bei Steute, ergänzt das noch: „Wir wollten extrem. Das ist unser Motto für diesen Geschäftsbereich – Hauptsache, unsere Schalter können bestehen und dazu haben wir inzwischen ein umfangreiches Produktprogramm.“ Das umfasse aber nicht nur den Einsatz der Geräte in explosionsgefährdeten Bereichen, wie Rainer Lumme betont: „Mit unserem Programm decken wir zahlreiche weitere Anforderungen wie Korrosionsbeständigkeit, hoher IP-Schutz und Beständigkeit bei hohen und tiefen Temperaturen ab.“ Für genau dieses Umfeld sind nun auch die beiden Schalter ZS 92 S und ZS 92 SR konzipiert worden.
Not-Halt-Funktion in zwei Richtungen
Die grundsätzliche Anforderung an einen Seilzug-Notschalter ist es, einen zuverlässigen Not-Halt an größeren Anlagen zu gewährleisten. Die Schaltfunktion wird durch senkrechten Zug am Seil ausgelöst. Die Auslösung ist dabei an jedem Punkt des Seiles möglich. In Not-Halt-Stellung verrastet der Schalter und kann durch Betätigung des Rückstellhebels wieder entriegelt werden. Nach der Norm EN 60947-5-5 dürfen bei der Betätigung des Schalters senkrecht zum Seil die Maximalwerte der Betätigungskraft von 200 N und des Betätigungsweges von 400 mm nicht überschritten werden. Zusätzlich zu dieser Forderung muss das Zugseil der 10-fachen senkrechten Zugkraft, die zum Erzeugen des Not-Halt-Signals erforderlich ist, widerstehen.
Beides erfüllt der ZS-92-S-Seilzug-Notschalter. Zudem kann er in zwei Richtungen wirken – bei Seillängen von jeweils bis zu 100 m. Die zweite wichtige Funktion ist die Seilrissüberwachung. Bei der Montage muss das Seil hierfür mit einer bestimmten Vorspannkraft montiert werden.
Förderbänder in der Spur halten
Bandschieflaufschalter wie Steutes ZS 92 SR überwachen hingegen den Lauf von Förderbändern. Bewegt sich ein Band nicht mehr mittig zwischen den Förderrollen, spricht der Schalter an. Zu den häufigen Ursachen für schief laufende Bänder zählen nicht richtig positioniertes Transportgut oder die Verschmutzung von Tragrollen und Umkehrtrommeln. Das wiederum führt ohne Überwachung schnell zu Beschädigungen, Materialüberschüttungen oder Fehlabwürfen am Band. Der ZS 92 SR bringt nun für die Überwachung ein zusätzliches, praktisches Feature mit: Der Schalter verfügt über gestaffelte Kontakte mit einzeln einstellbaren Schaltpunkten. Mit deren Hilfe lassen sich die Schaltpunkte für Vorwarnung und Abschaltung jeweils in einem Bereich von 5 bis 35 Grad einstellen. Die Justierung ist ohne großen Aufwand möglich, da sich die Einsätze einfach per Hand entriegeln und in die richtige Position schieben lassen.
Hilfreich ist darüber hinaus die Möglichkeit, den Schalter zunächst eine Warnmeldung ausgeben zu lassen. Erst bei einer weiteren Betätigung veranlasst er schließlich die Abschaltung des Bandes. Diese Vorwarnkontakte können helfen, die Stillstandszeit von Fördereinrichtungen zu verringern, da der Bediener noch Gelegenheit hat einzugreifen, bevor das Band stoppt.
Da es sich beim ZS 92 S und dem ZS 92 SR um Modelle aus der Extreme-Baureihe handelt, spielt die Eignung für Heavy-Duty-Anwendungen und extreme Umgebungsbedingungen natürlich eine herausgehobene Bedeutung. So ist die Einsatzfähigkeit bei extremen Temperaturen zwischen -40 bis 85 °C gewährleistet. Geschützt wird das Innenleben der Schalter jeweils durch ein stabiles, korrosionsbeständiges Aluminiumgehäuse mit einer speziellen Passivierung, Grundierung und Pulverbeschichtung; die Anbauteile sind aus Edelstahl gefertigt. Zusätzlich schützen hochwertige Dichtungsmaterialen vor einem Eindringen von Schmutz und Flüssigkeiten ins Innere des Schalters. Beide Geräte erfüllen die Vorgaben von IP 66 und 67.
Handarbeit statt Massenfertigung
Um die hohe Qualität seiner Produkte zu gewährleisten, setzt Steute nicht nur auf hochwertige Materialien und intensive Forschungsarbeit, sondern vor allem auch auf eine sorgfältige Fertigung. „Wir machen in dem Sinne auch keine Massenproduktion wie viele unserer Marktbegleiter, die im Bereich der normalen Industrieautomation tätig sind und bei denen es um hohe Stückzahlen und niedrige Preise geht. Entsprechend fertigen wir viel in Handarbeit“, erklärt Rainer Lumme.
Hinzu kommt, dass die Schaltgeräte nach ihrer Fertigstellung umfangreichen Prüfungen unterzogen werden. „Jeden Schalter, den wir hier herstellen, testen wir im Nachgang noch einmal auf seine Funktionstüchtigkeit. In der Regel führen wir dann noch zusätzlich einen Lecktest durch, um die Dichtigkeit sicherstellen zu können“, ergänzt Carsten Both, Entwicklungsleiter Industrieprodukte bei Steute. „Unsere Kunden müssen sich auf die Funktionstüchtigkeit voll und ganz verlassen können.“
Geräte im Härtetest
Mit Blick auf die Funktionstüchtigkeit geht der Schaltgeräte-Hersteller heute sogar noch einen Schritt weiter. Neben den üblichen Labortests setzen die Verantwortlichen inzwischen verstärkt auf Versuche unter realen Bedingungen. Gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut IFAM haben Carsten Both und sein Team etliche Schalter der Extreme-Serie einem wahren Härtetest unterzogen. Die Geräte wurden über ein Jahr lang den rauen Witterungsbedingungen auf Helgoland ausgesetzt. „Mit den Versuchen wollten wir unsere Schalter erstmals auch unter realen Bedingungen prüfen. Normalerweise testen wir sie nur unter Laborbedingungen. Diese entsprechen der Wirklichkeit aber nur bedingt“, berichtet Carsten Both.
Dank der sorgfältigen Verarbeitung und robusten Bauweise eignen sich die beiden Schaltgeräte ZS 92 S und ZS 92 SR jedenfalls für viele unterschiedliche Anwendungsfelder, bei denen extreme und besonders harsche Bedingungen herrschen. Zu den typischen Einsatzfeldern gehören Recyclinganlagen, Kieswerke, Applikationen im Tagebau, Mülldeponien, Kohlekraftwerke oder die Düngemittelindustrie.
Ein Beispiel für besonders harsche Umgebungsbedingungen, denen Seilzug-Notausschalter ausgesetzt sein können, ist die Herstellung von Düngemitteln. Um etwa aus Rohsalz einen wirkungsvollen Spezialdünger zu erzeugen, sind aufwendige Verfahren wie zum Beispiel Flotation notwendig. In den Becken von Flotationsanlagen werden die Bestandteile des Salzes elektrostatisch voneinander getrennt. Das Problem: Die Salzlösung in den Flotationsbecken ist extrem korrosiv, und bei Temperaturen um 40 °C befinden sich auch magnesiumchloridhaltige Dämpfe in der Umgebungsluft. Selbst Edelstähle rosten sehr schnell; zusätzlich greifen die Dämpfe das Innere von Schaltgeräten an.
Die häufigste Ursache für den Ausfall von Schaltgeräten, die in der Nähe solcher Anlagen verwendet werden, ist daher Korrosion am Schaltstößel, wodurch der Not-Halt nicht mehr betätigt werden kann. Entscheidend für eine dauerhafte Funktionstüchtigkeit von Seilzug-Notschaltern sind deshalb hochwertig beschichtete Materialien und zusätzliche Dichtmanschetten. Genau für solche Einsatzzwecke hat Steute seine Extreme-Seilzug-Notschalter-Baureihen.
Mehr zu Steutes Extreme-Schaltgeräten und dem Härtetest auf Helgoland lesen Sie in unserem Titelinterview der P&A Extra 1.2019.