Die Integration von erneuerbarer Energie in die Stromnetze erfordert eine Vielzahl an Maßnahmen, damit die dezentrale Einspeisung und die dadurch bedingten starken Schwankungen bei den Stromflüssen bewältigt werden können. Speisten vor 15 Jahren nur wenige Hundert Energieerzeuger Strom in die deutschen Netze, so gibt es heute bereits mehr als 1,3 Millionen Einspeisepunkte in die Mittel- und Niederspannungsnetze. Bisherige Energie-Konsumenten werden inzwischen als Photovoltaikanlagen-Besitzer immer öfter zu Produzenten.
Um dies zu bewältigen ist laut der Egrid Applications & Consulting, einer Dienstleistung des Allgäuer Überlandwerk (AÜW), nicht ein breiter und schneller, sondern vor allem ein intelligenter Netzausbau erforderlich. Dadurch sei es möglich, bis zu 40 Prozent der Investitionen zur Integration neuer, dezentral eingespeister Energie schon bei der Netzplanung zu sparen. Bundesweit schätzt die Deutsche Energieagentur den Investitionsbedarf für den Verteilnetzausbau auf 27,5 bis 42,5 Milliarden Euro. Es geht hier also um ein enormes Einsparpotenzial.
Um die Herausforderung für die Netzbetreiber zu verstehen, hilft ein einfaches Bild: Wurde das bisherige Stromnetz als Einbahnstraße vom Erzeuger zum Verbraucher aufgebaut, taucht nun in Form von Stromflussumkehr, Spannungsanhebung im Versorgungsnetz und Betriebsmittelauslastung auf einmal Gegenverkehr auf. Um diese neue Situation zu regeln, hilft keine einfache Ampelschaltung. Vielmehr ist ein „intelligentes“ Stromnetz erforderlich, das die elektrische Infrastruktur mit Informations- und Kommunikationstechnik verbindet. So können Strom und Informationen über den Stromfluss in beide Richtungen verfolgt und gesteuert werden. Dazu benötigen die Netzbetreiber aber genaue Kenntnis über den Netzzustand, also über die aktuellen Werte bei Verbrauch und Erzeugung. Und zwar permanent und auf allen Ebenen.
Drei Säulen für das „intelligente“ Netz
Diese Informationen zu gewinnen, auszuwerten und für die weitere Planung des Netzausbaus zu verwenden – das ist die Geschäftsidee der Egrid Applications & Consulting. Ihr Dienstleistungsangebot umfasst drei Säulen: Die wissensbasierte Netzanalyse, die Netzmessung und Validierung sowie eine applikationsbasierte Netzoptimierung. Es geht darum, ein Netz zu verstehen und an bestimmten Punkten im Netz tatsächliche Energieströme zu messen. Darauf aufbauend ist es schließlich möglich, das Netz zu steuern und Schwankungen bei Einspeisung und Verbrauch abzufedern.
Bei der wissensbasierten Netzanalyse wird das bestehende Netzwerk gründlich erfasst und ein digitalisiertes Modell erstellt, in dem die Einspeisung und Umsetzung von Planung und Realisierung simuliert werden. Dabei werden Parameter wie Leitungslängen und -typen ebenso berücksichtigt wie standardisierte Leistungen für Erzeuger und Verbraucher. Mit den Smart-Meter- und Betriebsmitteldaten, den Solarpotenzialen einzelner Standorte sowie stochastischen Lastprofilen kann der Netzausbau im Modell optimiert werden.
Bei der Netzmessung und Validierung wird dann der Betriebszustand im Verteilnetz über einen repräsentativen Zeitraum erfasst. Dabei werden Spannungs- und Stromverläufe räumlich verteilt gemessen. Mit den gewonnenen Werten werden statistische Annahmen über die Netzlast überprüft. Darauf aufbauend werden die Netzberechnungen verbessert und weitere intelligente Maßnahmen wie etwa regelbare Ortsnetztrafos integriert und das Einspeisemanagement angepasst.
Bei der applikationsbasierten Netzoptimierung wird ein ganzheitliches Regelkonzept mit verteilten Messstellen für Stationen, Verbraucher und Erzeuger der Mittel- und Niederspannungsebene entworfen. Umfangreiche Regelungen können auch Biogasanlagen und E-Car-Ladeeinrichtungen mit einbeziehen. Das Ergebnis ist ein „intelligentes“ Verteilnetz mit Regelungs- und Schaltfunktionen in Echtzeit, bei dem die Messwerte dezentral gemessen und übertragen werden.
Für das Energienetz von morgen sind deshalb eine „intelligente“ Messtechnik sowie die Umwandlung von Messdaten in Fernwirkvariablen entscheidend, die über Protokolle zwischen den Energieversorgungsunternehmen und den dezentralen Einspeisepunkten und Verbrauchern übermittelt werden.
Komponenten für das Verteilnetz von morgen
Die dafür benötigten Komponenten zur Messung von Stromflüssen sowie zur Umwandlung von Messdaten in Fernwirkvariablen für Datenübertragungsprotokolle liefert Wago. Wie das in der Praxis funktioniert, zeigt das Umspannwerk der AWÜ in Kempten. Hier wird der Strom aus dem Hochspannungsnetz von 110 kV über Transformatoren zunächst in Mittelspannung von 20 kV umgewandelt, ehe er durch Ortsnetztransformatoren für die unmittelbare Umgebung in 400 Volt transformiert wird.
Die Umwandlung von Mittel- in Niederspannung wird mittels Rogowski-Spulen gemessen, die an 3-Phasen-Leistungsmessklemmen von Wago angeschlossen sind. Die Leistungsmessklemmen berechnen aus den Effektivwerten für Spannungen und Ströme des dreiphasigen Versorgungsnetzes direkt für jede Phase die Energie- und Verbrauchsdaten: darunter Wirkenergie, Wirkleistung und Wirkfaktor sowie Phasenlage, Blind- und Scheinleistung ebenso wie Drehfelderkennung, Spitzenstrom und Leistungsfaktor. Besonders die Umsetzung standardisierter IEC-Protokolle wie 60870-5-101/103/104 und 61850 sind Hauptbestandteil des von Egrid eingesetzten Systems.