Rainer Prölß, Product & Project Management E-Procurement, Conrad Electronic im Interview mit der A&D:
Mehr zum Thema erfahren Sie auch im kostenlosen Webcast mit Rainer Prölß! Hier anhören!
Was sind derzeit die größten Pain-Points im Einkauf, die sich auf die Entwicklungs- und Instandhaltungsabteilungen, sowie die Produktion auswirken?
Die Auswirkungen von Krisen wie die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und damit verbundene Versorgungsengpässe stellen auch den Einkauf vor Herausforderungen. Dazu gesellen sich aktuelle Nachhaltigkeitsziele und rechtliche Regularien, wie etwa das neue Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz, welches weitere Anforderungen mit sich bringen. Einkaufsverantwortliche müssen den Balanceakt zwischen Qualitätssicherung, Versorgungssicherheit und Kosteneinsparung meistern und gleichzeitig dem Tagesgeschäft „Beschaffen” nachkommen. Wartezeiten müssen bestmöglich vermieden und Planungssicherheit hergestellt werden.
Als B2B-Beschaffungsplattform will Conrad Electronic seinen Geschäftskunden den Einkauf von technischem Bedarf und elektronischen Komponenten vereinfachen. Wie wollen Sie das erreichen?
Conrad feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Dementsprechend können wir auf ein international bestens vernetztes Lieferantennetzwerk zurückgreifen. Dazu kommt unser Marketplace, über den wir unseren Geschäftskunden Zugriff auf über sieben Millionen Produktangebote ermöglichen und damit ein breites und tiefes Sortiment passgenau zu den individuellen Kundenanforderungen bereitstellen. Unser Ziel ist es also, Kunden als verlässlicher Lösungsanbieter zu begegnen, der ihnen einfache und schnelle Beschaffung aus einer Hand ermöglicht. Das Schlüsselwort, um diesen Anspruch an modernen Einkauf in die Tat umzusetzen, lauten Digitalisierung und Automatisierung. Gerade im Bestellprozess von C-Teilen ist die Einführung einer elektronischen Beschaffung beziehungsweise E-Procurement-Lösung ein Level-Up im Einkauf. Im Kern geht es darum, Prozesse und Workflows zu beschleunigen und dafür zu sorgen, dass alle am Prozess Beteiligten die jeweils notwendigen Informationen mit einem Klick parat haben.
Welche verschiedenen Wege der Materialbeschaffung bietet Conrad der Industrie?
Unternehmen mit eigenem ERP-System können sich per Open Catalog Interface (OCI) an unsere Plattform anbinden. So erhält der Kunde in seiner Systemlandschaft Zugriff auf einen webbasierten Katalog, dort kann er seinen Warenkorb erstellen und in sein ERP oder seine Procurement-Lösung übertragen (PunchOut). Per EDI, also elektronischen Datenaustausch, können zudem nach dem Bestellvorgang Nachrichten automatisiert ausgetauscht werden, wie etwa Bestellbestätigung, Lieferschein, Zahlungsavis oder Rechnung. Unsere Lösung für Unternehmen ohne eigenes ERP-System: Conrad Smart Procure. Mit dieser browserbasierten und kostenfreien E-Procurement-Lösung können Teams über verschiedene Abteilungen hinweg ihren eigenen Bedarf über einen zentralen Account decken. Gleichzeitig behalten Vorgesetzte oder Einkaufsverantwortliche dank Freigabeworkflows und Analyse-Dashboard immer und überall den vollen Überblick.
Welche Vorteile bringt die elektronische Beschaffung durch Ihre E-Procurement-Lösung im Vergleich zu herkömmlichen Webshops?
Der größte Vorteil ist, dass Einkaufsprozesse an die Unternehmensstruktur angepasst werden können. Durch digitale Freigabeworkflows mit dediziertem Rollenmanagement entstehen mehr Flexibilität und Geschwindigkeit. Dabei werden Daten in Echtzeit übermittelt, was eine schnelle Abwicklung der Bestellung ermöglicht und Fehler minimiert. So kann durchschnittlich mit bis zu 30 Prozent Einsparung bei den Prozesskosten gerechnet werden.
Was ändert sich mit Ihrer E-Procurement-Lösung für das Unternehmen beziehungsweise für den klassischen Einkäufer von Bauteilen, Komponenten oder Werkzeugen?
Das Team im Einkauf gewinnt Zeit für wichtigere Themen, um den aktuellen Herausforderungen in der Beschaffung zu begegnen, Preis- und Konditionsverhandlung mit neuen Lieferanten zu führen und ausführliche Marktanalyse zur Beschaffung neuer Bauteile durchzuführen. Und natürlich wird durch einen verschlankten und konsolidierten Beschaffungsprozess auch Maverick Buying reduziert und somit vermieden, dass Artikel am Einkauf vorbei bestellt werden.
Wie schafft es Conrad die Lösung, in ERP-Systemen, Finanzbuchhaltung und Rechnungswesen zu integrieren?
Ein eigenständiges Team arbeitet direkt mit unseren Geschäftskunden zusammen, um eine ideale Integration in deren Systeme und einen reibungslosen Prozess möglich zu machen. Interessierten Unternehmen mit eigenem ERP-System stehen also zum einen unsere Kundenbetreuer*innen zur Verfügung, welche die jeweils gegebenen Voraussetzungen prüfen und Kundenanforderungen passgenau bearbeiten. Geschäftskunden können aber auch auf unseren OCI-Selfservice zurückgreifen und sich ihren OCI-Shop eigenständig konfigurieren. Das ist kostenfrei und einfach zu finden unter conrad.de/oci.
Können Sie ein kurzes Praxisbeispiel geben, wie Ihre E-Procurement-Lösungen ein Unternehmen geprägt haben? Und wie konnte Conrad in diesem Fall helfen?
Ein gutes Beispiel ist die junge Tochterfirma eines Energieversorgers, mit der wir eine E-Procurement-Anbindung an unseren Shop realisiert haben. Status quo in diesem Unternehmen waren aufwändige manuelle Bestellprozesse, die gut und gerne mal sieben bis acht Schritte erforderten: Es ging los mit der Bedarfsermittlung. Dann muss die Anfrage per Mail gestellt und bei uns erfasst werden. Wir erstellen daraufhin ein Angebot und schicken es per Mail wieder zurück. Dort wird es vom Kunden geprüft und anschließend die Bestellung erfasst. Und schließlich ist es an den Verantwortlichen der Muttergesellschaft, sich alle Bestandteile in ihrer Procurement-Lösung zusammenzusuchen und die Bestellung aufzugeben. Alles in allem also ein Riesenaufwand. Erleichterung brachte in diesem Fall unsere browserbasierte Lösung Conrad Smart Procure, durch die der Zeit- und Personalaufwand beim Bestellprozess entfällt. Denn seitdem können die Einkaufsverantwortlichen die individuellen Konditionen und Live-Bestände der gewünschten Produkte direkt im System einsehen und dort ihre Bestellung vornehmen.
Der Einkauf von elektronischen Komponenten wird auch in Zukunft problematisch bleiben. Welche Pläne haben Sie für Ihre E-Procurement-Lösungen?
Natürlich wollen wir unser Online-Angebot weiter ausbauen: Das bedeutet zum einen eine stetige Anpassung der Systeme an den neuesten Stand der Technik und zum anderen die fortlaufende Erweiterung unserer Sortimente für die Deckung der Kundenbedarfe an einem Ort. Und wir setzen weiterhin auf Internationalisierung: Nach dem Launch des Conrad Marketplace 2017 in Deutschland, ist 2021 unser Marktplatz in Österreich gestartet. Vergangenes Jahr kamen die Niederlande und Italien dazu. Weitere Länder werden folgen. Im Zuge dieser Internationalisierung haben wir auch das Thema Cross-Border-Beschaffung im Blick und auch hier ist E-Procurement ein wesentlicher Bestandteil für moderne und zukunftsweisende Beschaffung über Landesgrenzen hinweg.