Die Elektromobilität erlebt einen Aufschwung, den auch die Zulieferer für Ladeinfrastruktur spüren. Um alle Elektroautos, die künftig in Deutschland unterwegs sein sollen, mit Energie zu versorgen, ist ein flächendeckendes Netz an Ladestationen notwendig. Dieses muss bezogen auf die Anzahl der Fahrzeuge deutlich dichter sein als das heutige Tankstellennetz, da der Ladevorgang länger dauert und die Reichweite gleichzeitig geringer ist.
Seit 2013 entwickelt und produziert Phoenix Contact E-Mobility Komponenten für die Ladeinfrastruktur. Zum Produktspektrum der 100-prozentigen Phoenix-Contact-Tochter gehören Ladeelektronik, elektrotechnische Komponenten für Ladesäulen sowie Ladestecker.
Variantenreichtum für Stromer
Für das Laden mit Wechselstrom sind drei verschiedene Varianten für unterschiedliche Märkte erhältlich. Die Geometrie der Steckgesichter und Fahrzeug-Inlets, die mechanischen Verriegelungen sowie die Kontakte für das Laden und für die Steuerleitungen sind in entsprechenden Normen festgelegt. Auch für das Laden mit Gleichstrom oder für kombinierte Systeme bietet das Unternehmen passende Stecker und Inlets an – dem Steckergegenpart am Fahrzeug.
„Neben den verschiedenen Steckgesichtern, verwenden wir unterschiedliche Leitungsquerschnitte und Längen in unseren Produkten und kommen so schnell auf Hunderte Varianten“, erklärt Bodo Finken, Manager Industrial Engineering für die Produktionsplanung bei Phoenix Contact E-Mobility. Sein Unternehmen bietet zusammen mit der Muttergesellschaft als einziger Lieferant sämtliche Produkte für die Ladeinfrastruktur für Kunden aus allen Märkten weltweit an.
Dazu zählen Herstellern von Ladesäulen und anderer Ladeinfrastruktur, aber auch die großen Automobilkonzerne, die Inlets benötigen. „Da wir dadurch Zulieferer für Komponenten sind, die in das Fahrzeug eingebaut werden, müssen wir auch die in der Automobilindustrie üblichen Standards zur Qualitätssicherung erfüllen“, sagt Finken. Das Unternehmen ist nach ISO/TS 16949 qualifiziert – eine wichtige Voraussetzung, um die Automobilhersteller direkt beliefern zu können.
Aufgrund der vielen verschiedenen Varianten ist die Losgröße bei den Aufträgen häufig gering. „Heute produzieren wir schon einmal Aufträge, bei denen die Stückzahl die 1.000 übersteigt – kleinere Losgrößen sind aber eher die Regel“, betont Finken. Die Montage der Stecker erfolgt deshalb überwiegend in Handarbeit. Gerade das Crimpen von Leitungen mit großen Querschnitten ist aber ein sehr anspruchsvoller Prozess, der für die Qualität entscheidend ist. Da sehr hohe Ströme fließen, muss der Crimp-Prozess absolut zuverlässig ausgeführt werden.
Die Montageanleitungen, nach denen die Mitarbeiter in der Fertigung die Einstellungen der Crimp-Automaten vornehmen, müssen exakt befolgt werden. „Für die zahlreichen Varianten mussten wir jeweils eine eigene Montageanleitung erstellen“, erklärt Finken die Crux dabei. Standardwerkzeuge hierfür waren zunächst Excel-Tabellen und ausgedruckte PDF-Dateien. Wurde jedoch in einem Arbeitsschritt ein Detail geändert, mussten sämtliche Montageanleitungen angepasst werden. „Da die verschiedenen Varianten immer modular aufgebaut sind, kam das relativ häufig vor“, erinnert sich Finken.
Zentrale Montageanleitungen
Eine Lösung für dieses Problem sprang dem Verantwortlichen für die Produktionsplanung auf der Motek-Messe ins Auge. Dort präsentierte Computer Aided Works sein System zur autosynchronen Werkerführung (siehe Kasten). Auf dem Messestand demonstrierte das mittelständische Unternehmen, wie mit Hilfe einer Spiegelreflexkamera schnell multimediale Montageanleitungen erstellt werden können. Für Finken steht vor allem die zentrale Verwaltung sämtlicher Montageanleitungen im Mittelpunkt: „Sowohl die Erstellung als auch die Pflege der Montageanleitungen waren für uns immer mit großem Aufwand verbunden.“
Als Phoenix Contact E-Mobility neue Arbeitsplätze in der Montage eingerichtet hat, wurden acht Arbeitsplätze, an denen Leitungen abisoliert und Steckkontakte gecrimpt werden, mit dem System ausgestattet. Der Crimp-Prozess gehört zu den technischen Kernkompetenzen, die bei der Montage der Stecker entscheidend sind. Um an einem der Montageplätze arbeiten zu können, muss sich ein Mitarbeiter zunächst mit seinem Ausweis über einen Barcode-Scanner anmelden. Erst dann kann er das System bedienen und mit der Montage beginnen. Die aktuelle Montageanleitung wird dabei auf einem großen Bildschirm mit Touch-Bedienung in Sichthöhe dargestellt. Nach dem Abschluss eines Arbeitsschritts kann er die Montageanleitung auf dem Bildschirm weiterschalten.
Die neuen Arbeitsplätze sind flexibel eingerichtet: Mit einer Hängebahn können die vorbereiteten Leitungen einfach zum jeweils nächsten Arbeitsplatz verschoben werden. „Da die Leitungen je nach Ausführung bis zu zwölf Kilogramm schwer sein können, ist diese einfache Transportmöglichkeit eine große Erleichterung bei der Arbeit“, erläutert Finken. An den einzelnen Stationen werden die Leitungen abisoliert und anschließend die Kontakte aufgecrimpt. Für die unterschiedlichen Leitungsdurchmesser stehen verschiedene halbautomatische Abisolier- und Crimp-Maschinen zur Verfügung. Je nach Arbeitsanfall kann ein einzelner Mitarbeiter die Montageschritte nacheinander an den acht Arbeitsplätzen durchführen, alternativ kann man jeden Arbeitsplatz mit je einem Mitarbeiter besetzen.
Durch die zentrale Verwaltung der Dateien steht dem Mitarbeiter am Arbeitsplatz nur die jeweils aktuelle Montageanleitung zur Verfügung. Der Aufbau der Produkte, die gefertigt werden, ist modular und lässt sich auch in den Montageanleitungen im System abbilden. Diese Struktur vereinfacht Änderungen an den Montageanleitungen, da jeweils nur ein Modul geändert werden muss.
Elegant und funktional
Anschließend ist der entsprechende Schritt in allen Montageanleitungen geändert. Dies zeigt ein aktuelles Beispiel: Die Mitarbeiter in der Montage hatten den Wunsch, dass die aktuellen Parameter zum Einstellen der Crimp-Maschinen auf dem Bildschirm größer dargestellt werden. Diese Änderung musste nur einmal durchgeführt werden und war dann in allen Montageanleitungen umgesetzt. „Früher hätte ich dafür Tage oder sogar Wochen gebraucht – jetzt war das eine Sache von Minuten“, lobt Finken die elegante Lösung.
Das System von Computer Aided Works hat noch viele weitere Funktionalitäten, die Phoenix Contact E-Mobility aktuell noch nicht umfänglich nutzt. Dazu gehören die Anbindung von Peripheriegeräten oder die Anbindung an ein Warenwirtschaftssystem. In Bezug auf die Qualitätssicherung ist geplant, die Kräfte beim Crimp-Vorgang zu protokolieren und abzuspeichern. Derzeit entsteht eine Vorserien-Fertigung, in der ebenfalls das System von Computer Aided Works installiert wird. Der Vorteil hierbei: Wenn die Produkte von der Vorserie in Serie gehen, ist die Montageanleitung schon fertig. Auch die Anbindung an das PDM-System wird aktuell realisiert, damit dort stets die aktuelle Version hinterlegt ist. Dass immer mehr Arbeitsplätze mit der Lösung von Computer Aided Works ausgestattet werden, zeigt wie gewinnbringend das System in der Montage eingesetzt werden kann.