Kompaktere und energieeffizientere Anlagen Meilenstein in der Plasmabeschleunigung

Einem Forschungsteam des HZDR ist es gelungen, mit einer neuen Methode die Beschleunigung von Protonen per Laserpuls deutlich zu steigern.

Bild: HZDR/Blaurock
13.05.2024

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) hat einen signifikanten Fortschritt bei der Laserplasma-Beschleunigung erzielt. Mit Hilfe einer neuen Methode konnte ein Forschungsteam den bisherigen Rekord für die Beschleunigung von Protonen deutlich übertreffen und erstmals Energien erzielen, die bis dato nur mit viel größeren Anlagen erreichbar schienen. Dadurch rücken vielversprechende Anwendungen in der Medizin und der Materialwissenschaft näher.

Die Laserplasma-Beschleunigung bietet interessante Perspektiven: Verglichen mit herkömmlichen Beschleunigern verspricht sie kompaktere und energieeffizientere Anlagen. Denn statt Teilchen durch starke Radiowellen auf Touren zu bringen, nutzt die neue Technologie Laser zur Beschleunigung. Das Prinzip: Extrem kurze, aber hochintensive Laserpulse feuern auf hauchdünne Folien.

Das Licht heizt das Material derart auf, dass unzählige Elektronen aus ihm heraustreten, wogegen die Atomrümpfe an Ort und Stelle bleiben. Da die Elektronen negativ und die Atomrümpfe positiv geladen sind, bildet sich zwischen ihnen kurzzeitig ein starkes elektrisches Feld aus. Dieses Feld kann einen Protonen-Pulk innerhalb einiger Mikrometer wegkatapultieren und auf Energien bringen, für die es mit der konventionellen Beschleunigertechnik deutlich längere Anlagen braucht.

Allerdings steckt die Technologie noch im Forschungsstadium: Bisher waren lediglich Protonenenergien bis zu 100 MeV erreichbar, was zudem den Einsatz sehr großer Lasersysteme erforderte, von denen es nur wenige auf der Welt gibt. Um künftig auch mit kleineren Laseranlagen und kürzeren Pulsen ähnlich hohe Beschleunigungsenergien zu schaffen, verfolgte das Team um die HZDR-Physiker Karl Zeil und Tim Ziegler einen neuen Ansatz. Dabei nutzen sie eine Eigenschaft der Laserblitze, die eigentlich als ein Manko gilt: „Die Energie eines Pulses setzt nicht sofort ein, wie es idealerweise der Fall wäre“, beschreibt Ziegler. „Stattdessen eilt ihm ein kleiner Teil der Laserenergie bereits voraus, gewissermaßen als Vorhut.“

Plötzlich durchsichtig

Dieses vorauseilende Licht spielt beim neuen Konzept eine entscheidende Rolle. Trifft es auf eine speziell angefertigte, in einer Vakuumkammer befindliche Plastikfolie, kann es diese auf bestimmte Weise verändern: „Durch den Einfluss des Lichts expandiert die Folie und wird dabei immer heißer und dünner“, erläutert Ziegler. „Die Folie zerfließt während des Heizprozesses regelrecht.“ Für den Hauptpuls, der unmittelbar danach eintrifft, hat das eine positive Folge: Die Folie, die ihn ansonsten zum Großteil reflektieren würde, wird plötzlich für das Licht durchsichtig. Dadurch kann der Hauptpuls deutlich tiefer ins Material eindringen als bei früheren Versuchen.

„Als Folge wird im Material eine komplexe Kaskade von Beschleunigungsmechanismen ausgelöst“, beschreibt Ziegler. „Dadurch werden die in der Folie enthaltenen Protonen deutlich stärker beschleunigt als es zuvor mit unserem DRACO-Laser möglich war.“ In Zahlen: Schaffte die Anlage bislang Protonenenergien von etwa 80 MeV, sind nun 150 MeV machbar – fast eine Verdopplung. Um diesen Rekord zu schaffen, musste sich das Team in mehreren Messreihen an die perfekten Wechselwirkungs-Parameter herantasten, etwa was die optimale Dicke der verwendeten Folien betrifft.

Bei der Analyse der Messdaten stieß die Arbeitsgruppe auf eine weitere erfreuliche Eigenschaft des beschleunigten Teilchenstrahls: Die hochenergetischen Protonen weisen eine enge Energieverteilung auf, sind also bildlich gesprochen alle etwa gleich schnell – ein günstiges Feature für spätere Anwendungen. Für die nämlich sind hohe und gleichmäßige Protonenenergien überaus vorteilhaft.

Vorteil Energieeffizienz

Eine dieser Anwendungen ist die Untersuchung neuer radiobiologischer Konzepte zur präzisen und schonenden Tumorbehandlung. Bei dieser Technik werden sehr hohe Strahlungsdosen in sehr kurzer Zeit appliziert. Bislang kommen für diese Studien vorwiegend große konventionelle Therapiebeschleuniger zum Einsatz, die es in Deutschland nur an wenigen Zentren gibt und an denen die Nutzung für Patienten natürlicherweise Vorrang hat.

Durch das neue HZDR-Verfahren rückt nun die Möglichkeit näher, kompakte Laseranlagen zu nutzen, um mehr Forschungsgruppen Zugang zu diesen Untersuchungen zu eröffnen und zugleich bisher unerreichbare Bestrahlungsszenarien zu ermöglichen, die herkömmliche Anlagen nicht liefern können. „Die heutige Anlagen brauchen zudem viel Strom“, sagt Ziegler. „Auf Basis der Laserplasma-Beschleunigung könnten sie deutlich sparsamer sein.“

Ferner könnte das Verfahren zur effizienten Erzeugung von Neutronen eingesetzt werden. Durch die Laserblitze lassen sich kurze und intensive Neutronenpulse herstellen, die interessant für den Einsatz in Wissenschaft und Technik sowie für Materialuntersuchungen sind. Auch hier versprechen die Plasmabeschleuniger, das bisherige Einsatzfeld deutlich zu erweitern.

Doch zuvor wollen die Fachleute die neue Technik weiter verfeinern und besser verstehen. Unter anderem wollen sie es in Zusammenarbeit mit anderen Laboren schaffen, den Prozess gezielter zu steuern und die Verfügbarkeit der Technik zu steigern. Und auch weitere Rekorde stehen auf der Agenda: Energien von mehr als 200 MeV scheinen durchaus möglich.

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