Embedded-Systeme & Mikrocontroller Halbleiter für die Energiewende

02.07.2012

Auf Galliumnitrid basierende Leistungstransistoren sind effizient, leistungsfähig und kompakt. Besonders für die zukünftigen Systeme der Energieversorgung können sie neue Impulse geben. Doch noch sind die Fertigungsverfahren nicht massentauglich - das wollen Industrie und Forschung jedoch in wenigen Jahren ändern.

Leistungsfähige Halbleitermaterialien sind die Grundlage für eine moderne Energieversorgung, denn mit ihnen lässt sich Energie effizient und nachhaltig erzeugen, übertragen, wandeln und speichern. Dabei sind niedriger Energieverbrauch und hohe Leistungen die zentralen Anforderungen an moderne Leistungskonverter-Systeme. „Der Absatzmarkt für Komponenten der Leistungselektronik hat ein neues Niveau erreicht. Gefordert sind leistungsfähige und gleichzeitig kosteneffiziente Bauteile - Kriterien, die sich nicht immer ohne Weiteres miteinander vereinbaren lassen und daher nur mit einer überlegenen Prozesstechnologie umsetzbar sind,“ so Dr. Bernd Schulte, Chief Operating Officer bei Aixtron, einem Hersteller von Fertigungsanlagen für die Halbleiterindustrie. Aixtron hat sich daher dem EU-Forschungsprojekt HiPoSwitch angeschlossen, das sich unter Federführung des Berliner Ferdinand-Braun-Instituts in den kommenden drei Jahren mit neuartigen Galliumnitrid-basierten Leistungstransistoren beschäftigt. Galliumnitrid (GaN) wird von Fachleuten als ein wichtiges Halbleitermaterial der Zukunft angesehen. Bereits heute wird es - in Form weißer und blauer Leuchtdioden - in energiesparenden Lichtquellen eingesetzt. In Zukunft soll GaN auch bei Leistungskonverter-Systemen für weniger Volumen und Gewicht bei gleichzeitig höherer Leistungsfähigkeit sorgen. Die Effizienz derzeitiger Systeme wird in der Regel durch die verwendeten aktiven Schaltelemente begrenzt. Heutzutage kommen meist Komponenten auf der Basis von Silizium oder Siliziumkarbid zum Einsatz. Die Silizium-Technologie ist mittlerweile jedoch so weit fortgeschritten, dass das Material selbst an seine Grenzen stößt, oder, wie im Fall von Siliziumkarbid, sehr teuer ist. Bessere Materialeigenschaften verspricht GaN. „Galliumnitrid ermöglicht es, auf ganz kleinen Abmessungen hohe Spannungen anzulegen - um den Faktor Zehn höher als zum Beispiel bei Silizium“, erklärt Dr. Joachim Würfl, am Ferdinand-Braun-Institut für das HiPoSwitch-Projekt verantwortlich. „Höhere Spannungen bei gleichen oder ebenfalls höheren Strömen bedeuten entsprechend höhere Leistungen.“ Mit GaN-Bauelementen lassen sich also sehr hohe Leistungen bei kleinen Abmessungen erreichen. GaN ermöglicht dabei Bauelemente, die bei einer gegebenen Abmessung mindestens die zehnfache Leistung liefern oder bei einer gegeben Leistung mindestens um einen entsprechenden Faktor kleiner sind.

Deutlich höhere Schaltfrequenz

Auf der anderen Seite bietet GaN auch in punkto Schaltzyklen klare Vorteile, wie Dr. Joachim Würfl weiter erklärt: „Die mit GaN möglichen kleineren Abmessungen wiederum bedeuten, dass die Elektronen auch nur kurze Zeit brauchen, um durch das Bauelement zu laufen.“ Mit GaN-basierten Bauelementen können Leistungsschalter also bei deutlich höheren Frequenzen betrieben werden, ohne signifikante Schaltverluste in Kauf nehmen zu müssen. Mit höherer Schaltfrequenz lässt sich zugleich die Größe der passiven Komponenten wie Spulen, Stromwandler und Kondensatoren deutlich reduzieren - die Baugruppe wird insgesamt kleiner.

Ziel ist die massentaugliche Produktion

Diese Vorteile will man im HiPoSwitch-Projekt in Galliumnitrid-basierten Transistoren nutzen. Sie sollen in etwa die Eigenschaften heutiger aus reinem Silizium-Karbid aufgebauter Bauelemente bieten, aber nur so viel kosten wie Silizium-Transistoren. Dazu werden die GaN-Transistoren auf kostengünstigen Silizium-Substraten aufgebaut. Unter Laborbedingungen ist das heute schon möglich, für eine massentaugliche Industrieproduktion müssen noch verschiedene Probleme überwunden werden. „Da wir mindestens eine Betriebsspannung von 600 Volt erreichen wollen, müssen wir die Epitaxie - also das geordnete Aufwachsen des Galliumnitrids auf dem Substrat - so gestalten, dass wir die erforderlichen Durchbruchspannungen von bis zu rund 1.000 Volt erreichen“, so Dr. Würfl. Das erfordert jedoch sehr dicke Epitaxie-Schichten, die zu mechanischen Verspannungen des Wafers führen. Diese Durchbiegung erschwert noch die Fertigung in automatisierten Prozessen, wie sie für die Massenproduktion erforderlich ist.

Kristallbaufehler vermeiden

Doch noch ein anderes Problem bereitet den Forschern Kopfzerbrechen: Auch wenn die GaN-auf-Si-Wafer kostengünstig sind, so entstehen jedoch wegen der großen physikalischen und chemischen Unterschiede zwischen Substrat und Schicht zwangsläufig eine große Zahl von Kristallbaufehlern in der abgeschiedenen Schicht. Dr. Würfl: „Wir haben in den Epitaxie-Schichten bei Galliumnitrid auf Silizium-Karbid ungefähr 108 Defekte pro Quadratzentimeter, bei Silizium sogar bis zu 1010, das heißt, jeder Transistor beinhaltet Hunderte bis Tausende Defekte. Inwiefern davon die Zuverlässigkeit tatsächlich beeinflusst wird, wissen wir aber noch nicht.“ Am Fraunhofer Technologiezentrum Halbleitermaterialien (THM) wird daher daran gearbeitet, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem kostengünstig aktive Schichten auf arteigenem, einkristallinen GaN-Substraten abgeschieden werden können. Derartige Substrate sind heute noch extrem teuer. Bezogen auf das Gewicht ist ein GaN-Substrat mit einem Durchmesser von 50 mm fast zehnmal teurer als Gold. Die Hauptursache dafür liegt darin, dass große GaN-Einkristalle bis heute nicht in ausreichenden Mengen verfügbar sind, da deren Herstellung schwierig ist.

Optimierung des HVPE-Verfahrens

GaN-Einkristalle stellt man heute vorwiegend nach dem so genannten HVPE-Verfahren (Hydride Vapor Phase Epitaxy) her, das weltweit von einer Handvoll Firmen technologisch vorangetrieben wird. Bei der Methode reagiert zunächst gasförmiger Chlorwasserstoff mit flüssigem, rund 880 °C heißem Gallium zu Galliumchlorid. In einer Reaktionszone wird das Galliumchlorid bei Temperaturen zwischen 1.000 und 1.100 °C in die Nähe eines GaN-Kristallkeims gebracht. Unter Kontakt mit einströmendem Ammoniak verbindet sich das Galliumchlorid mit dem Ammoniak unter Freisetzung von Chlorwasserstoff zu kristallinem GaN. Unter optimalen Bedingungen können mit dem HVPE-Verfahren Kristalle bis zu 50 mm Durchmesser und mit Dicken von einigen Millimetern hergestellt werden. Schon seit einiger Zeit forschen Experten der Freiberger Compound Materials GmbH (FCM) und Wissenschaftler vom Fraunhofer THM in Freiberg sowie vom Fraunhofer IISB in Erlangen, einem Mutterinstitut des THM, am HVPE-Verfahren und der Analyse des damit hergestellten Materials. Dr. Jochen Friedrich, stellvertretender Sprecher des THM und Leiter der Abteilung Kristallzüchtung am IISB: „Hauptproblem sind die hohen Herstellungskosten. Diese ergeben sich unter anderem dadurch, dass gegenwärtig nur ein geringer Teil der gasförmigen Ausgangsstoffe, also Galliumchlorid und Ammoniak, an der gewünschten Stelle zu GaN reagiert.“ Genau hier setzen jetzt die FCM- und Fraunhofer-Forscher an. In einem gemeinsamen Projekt entwickeln sie das HVPE-Verfahren weiter, so dass eine effizientere Umsetzung der eingesetzten Materialien zu GaN erfolgt. Dadurch können die Herstellungskosten reduziert und die Kommerzialisierung von GaN vorangetrieben werden.

Schlüsselposition bei der Energiewende

„Die von der Bundesregierung eingeleitete Energiewende in Deutschland wird große Anstrengungen in allen gesellschaftlichen Bereichen erfordern. Neben der eigentlichen Gewinnung regenerativer Energien besitzt dabei die intelligente und sichere Verteilung sowie die Einsparung elektrischer Energie eine besondere Bedeutung. All dies wird sich nur durch maßgeschneiderte Lösungen in der Mikro- und Leistungselektronik realisieren lassen. Eine Schlüsselposition nehmen hierbei hochqualitative und kostengünstige Elektronik-Werkstoffe ein, die in Form von Kristallmaterialien und daraus gefertigten Wafern eingesetzt werden“, betont Jochen Friedrich die Bedeutung der aktuellen Forschungsprojekte rund um Galliumnitrid.

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