Nicht nur der gestiegene Serienkonsum auf Netflix, Amazon Prime und Co. stellt die Kapazitäten der Rechenzentren auf eine harte Probe. Auch unzählige E-Mails, Social Media Posts, Videokonferenzen oder Kryptowährungen wie Bitcoin tragen zu einem gigantischen Datenverkehr bei. Die Folge ist ein extrem hoher Energieverbrauch. „Konzepte für umweltfreundliche Rechenzentren müssen auch in Deutschland stärker Einzug halten“, sagt Klaus Dederichs, Head of ICT beim Beratungs- und Planungsunternehmen Drees & Sommer mit Sitz in Stuttgart. Aktuelle Projekte wie der Technologiepark IN-Campus von Audi in Ingolstadt gehen mit einem ausgeklügelten Energiekonzept und Abwärmenutzung mit gutem Beispiel voran. Gemäß einer kürzlich veröffentlichten Bitkom-Studie beträgt global das CO2-Äquivalent von Rechenzentren und Kommunikationsnetzen etwa 200 bis 250 Megatonnen. „Unser digitaler Alltag, beruflich wie privat, braucht Unmengen an Strom, verursacht CO2 und wirkt sich erheblich auf das Klima aus. Eine Stunde auf Netflix zu streamen, benötigt genau so viel Energie, wie etwa sieben Kilometer mit dem Pkw durch die Stadt zu fahren“, erklärt Dederichs.
Verbrauch entspricht Berlins Strombedarf
Zu einem umweltfreundlicheren Energieverbrauch der Digitalisierung müssen künftig grünere Rechenzentren beitragen. Schätzungen zufolge werden Data Center bis zum Jahr 2025 bis zu einem Fünftel des globalen Stromverbrauchs ausmachen. Wo genau er derzeit weltweit liegt, ist aufgrund fehlender Angaben vieler Betreiber unklar. Die Bandbreite reicht von 200 bis 500 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Laut Berechnungen des Borderstep Instituts entfielen auf die geschätzt mehr als 55.000 deutsche Rechenzentren, davon viele im Eigenbetrieb der Unternehmen oder Banken, etwa 13 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Das entspricht dem gesamten jährlichen Strombedarf einer Großstadt wie Berlin.
Luft nach oben bei der Abwärme
Bei Drees & Sommer begleitet Dederichs mit seinem ICT-Team derzeit die Konzeption, den Bau und Betrieb vieler Rechenzentren. Bei letzterem bieten nicht nur erneuerbare Energien viel Potential in Sachen Nachhaltigkeit. Luft nach oben sieht Dederichs vor allem auch bei der Nutzung der Abwärme. Andreas Ahrens, Rechenzentrumsexperte bei Drees & Sommer stimmt ihm zu: „Beim Betrieb der Data Center erhitzen sich die Server, was erfordert, sie kontinuierlich zu kühlen. Es entsteht Wärme, die ungenutzt verpufft, statt mit ihr angrenzende Bürogebäude, Wohnungen oder Gewächshäuser zu heizen.“ Anders als in Schweden existierten in Deutschland noch zu wenig Rechenzentren, die an das Nah- und Fernwärmenetze angeschlossen seien. In Stockholm gibt es bereits rund 30 Rechenzentren, die ihre Abwärme in das Stockholmer Fernwärmenetz einspeisen. Bis 2035 sollen sie sogar etwa zehn Prozent des Heizbedarfs von Stockholm decken.
Abnehmer im Sommer wie Winter finden
Warum die Abwärmenutzung in Deutschland noch hinterherhinkt, dazu führt Ahrens aus: „Über das gesamte Jahr gibt ein Rechenzentrum Abwärme ab. Ideal sind daher benachbarte Abnehmer, die sie permanent und nicht nur im Winter zum Heizen benötigen. Das gilt für Schwimmbäder, Wäschereien oder für landwirtschaftliche Vorhaben wie Urban Farming. Das muss eine Stadt oder Kommune frühzeitig bei Genehmigungen berücksichtigen und kluge Quartiersplanungen fördern.“ Laut Ahrens reiche bei den meisten Data Center die Temperatur der Abwärme mit bis zu 30 Grad Celsius für direkte Heizzwecke zumeist nicht aus. Hier könne es sich lohnen, über den Einbau sogenannter Niedertemperaturheizungen bei angrenzenden Büro- und Wohngebäuden nachzudenken. Alternativ könnten die Rechenzentrumsbetreiber mittels Wärmepumpen die Temperatur auch erhöhen. „Das steigert jedoch die ohnehin schon erheblichen Herstellungs- und Betriebskosten der Betreiber. Die Kosten für die Temperaturerhöhung müssen daher unter dem Verkaufspreis für die Wärme liegen, damit es sich für die Betreiber rechnet“, sagt Rechenzentrumsexperte Andreas Ahrens.
Anreize für Umweltfreundlichkeit schaffen
Letzteres erschweren die hohen Strompreise in Deutschland, woran das Erneuerbare-EnergienGesetz (EEG) mit der gleichnamigen Umlage einen großen Anteil hat. Drees-&-Sommer-Partner Klaus Dederichs befürwortet, Rechenzentren von der EEG-Umlage zu befreien, bei denen die Abwärme genutzt wird: „Die Data Center erfüllen dann ja das EEG-Ziel, nämlich umweltfreundliche Energien zu fördern“.
Insbesondere Skandinavien punktet bei Rechenzentren-Betreibern mit niedrigen Strompreisen, geringen Kosten für die Kühlung und teilweise auch mit Steuervergünstigungen. Im vergangenen Jahr stoppte Amsterdam allerdings den Bau von Rechenzentren. Für sie sollen künftig strengere Umweltauflagen gelten. Klimaschutz bei Data Centers will auch die Europäische Kommission vorantreiben. Im Strategiepapier „Shaping Europe´s Digital Future“4 skizziert sie einen Fahrplan für die Klimaneutralität der Rechenzentren bis 2030. Für den Masterplan sollen mindestens 100 Milliarden Euro mobilisiert werden. IN-Campus von Audi mit zukunftsweisenden Null-Energie-Konzept und Abwärmenutzung Mit dem aktuell entstehenden Technologiepark IN-Campus auf dem Gelände einer ehemaligen Erdölraffinerie im Osten von Ingolstadt setzt Audi Maßstäbe, und das nicht nur für zukunftsweisende Mobilitätsformen oder in puncto umweltfreundliche Sanierung. „Unsere Vision ist ein Null-EnergieCampus", erzählt Markus Faigl, der bei Audi die Planung des Energiekonzepts verantwortet. Gesteuert wird es über eine Energiezentrale.
Das Rechenzentrum soll im Laufe des Jahres 2022 in den Live-Betrieb gehen und die Abwärme der rund 8.000 Server als Heizenergie genutzt werden. Drees & Sommer begleitet die CampusEntwicklung mit Projektsteuerung, Green Building-Beratung, technischem Projektmanagement sowie Inbetriebnahme-Management und Integrationstests für das Rechenzentrum. „Die Synergie aus Energieeffizienz und Resilienz ist dabei das oberste Projektziel“, erklärt Mathias Franke, der seitens Drees & Sommer als Resilienz-Experte für kritische Infrastrukturen die Leitung des ICT-Projektteams übernimmt