Fachbeitrag Flüssige Mischung für farbige Bilder

28.04.2012

Displays erfreuen sich als faszinierende intuitive Schnittstelle zwischen Geräten und Menschen nach wie vor steigender Beliebtheit. Dennoch sind sie bislang sowohl hinsichtlich ihrer technischen Umsetzung als auch in ihren möglichen Anwendungen alles andere als ausgereizt. Und mit Elektrowetting-Displays drängt eine weitere Technologie in den umkämpften Markt der Smartphones und E-Books.

Selbst der Laie setzt sich mittlerweile beim Smartphone-Kauf mit LCDs, LEDs, OLEDs und AMOLEDs auseinander. Weniger bekannt hingegen sind derzeit noch die Elektrobenetzungs- oder Electrowetting-Displays (EWDs). Sie ähneln in ihrer Funktionsweise der in E-Paper und Lesegeräten von E-Books (Kindle & Co) verwendeten E-Ink-Technologie - und sind wegen besserer Eigenschaften drauf und dran, diese zu verdrängen. Da bei ihrer Herstellung die meisten vorhandenen LCD-Produktionsanlagen verwendet werden können, wird mit einer raschen Preissenkung gerechnet. Dann könnten der geringe Leistungsverbrauch sowie die hohe Bildwiederholfrequenz der EWDs auch Smartphones und Tablets erobern. Bei der elektrophoretischen E-Ink-Lösung erzeugen in Öl verteilte geladene Titanpartikel Grauwerte, wobei jedes Pixel über Spannungen ein- und ausgeschaltet wird. Bei Electrowetting-Displays treten Schichten von gefärbtem Öl und Wasser an die Stelle des erwähnten Titans. Weil Electrowetting-Displays in Öl gelöste Farbstoffe verwenden, können sie theoretisch bis zu 16 Millionen Farben anzeigen. Durch die Öl-Wasser-Kombination kann jedes Pixel sehr schnell von einem farbigen auf einen weißen (lichtdurchlässigen) Zustand umschalten. Der Schalter ist so schnell, dass sich mit der Technologie auch Videos abspielen lassen - genau hier liegt der gewaltige Unterschied zu elektrophoretischen Displays, bei denen selbst beim Umblättern auf die nächste Seite im E-Book ein störendes Flackern auftreten kann. Das dieser Anzeigetechnologie zugrunde liegende mikrofluidische Prinzip der so genannten Elektrokapillarität ist bereits seit langem, nämlich seit 1875, bekannt: Das Anlegen eines elektrischen Felds wirkt auf die Oberflächenspannung von Flüssigkeitströpfchen („Flüssigkeitsperlen“) ein. Sinkt zum Beispiel das Feld an der Perle, verringert sich dieser Spannungszustand und damit der Anstellwinkel, die Perle wird breiter.

Lichtventil von 1875

Dieser Vorgang lässt sich wie ein optischer Schalter oder eine optische Linse, folglich auch in Displays nutzen. Denn spannungsabhängig können die Flüssigkeitströpfchen, die in einer winzigen Zelle untergebracht sind, so verformt werden, dass sie Lichtwellen entweder passieren lassen oder sperren. Das auf diese Weise entstehende Lichtventil (ELV, Electrowetting Light Valve) findet nun in der Displaytechnik Verwendung, wobei die Tröpfchen eingefärbt werden. �?hnlich aufgebaut sind übrigens die optischen Linsen in Handy-Kameras mit einem Durchmesser von lediglich 3 mm. Sie bestehen ebenfalls aus zwei Flüssigkeiten, die sich nicht vermischen (Wasser und Öl) und die unterschiedliche Brechungsindizes aufweisen. Durch Elektrobenetzung sind die Form der Flüssigkeiten und damit die Flüssigkeitslinse und deren Brennweite kontinuierlich veränderbar. Sie können in wenigen Millisekunden vom Nahbereich bis unendlich fokussiert werden. Grundsätzlich besteht eine Electrowetting-Zelle immer aus einer Art Plattenkondensator, bei dem der Platz zwischen den durchsichtigen Elektroden mit einer hydrophoben Flüssigkeit (in diesem Falle Öl) sowie mit Wasser gefüllt ist.

Grenze zwischen Wasser und Öl

Eine der Elektroden ist mit einer wasserabweisenden (hydrophoben) Schicht versehen. Im Display bildet sich zwischen Wasser und Öl eine Grenzfläche, die durch das Feld verschoben wird. Im Ruhezustand erscheint die Zelle in der Farbe des Öls. Ohne Spannung beziehungsweise elektrisches Feld legt sich das Öl als Film über die Wasser abstoßende beschichtete Elektrode. Legt man eine äußere Spannung an, so kontrahiert das Öl zu einem Tropfen durch das Zusammenspiel von elektrostatischen und hydrophoben Kräften. Die Farbe des Öltröpfchens bestimmt die Farbe des Pixels, beispielsweise schwarz. Im spannungslosen Zustand bedeckt das Öl den weißen Reflektor vollständig, es wird praktisch kein Licht reflektiert. Ist der schwarze Öltropfen dagegen zusammengezogen, wird ein großer Flächenanteil des Pixels „durchsichtig“, und Licht wird reflektiert. Das Flächenverhältnis Pixelfläche zu kontrahiertem Öl ist maßgebend für das erzielbare Kontrastverhältnis. Graustufen werden durch die Spannungshöhe eingestellt. Das Pixel hat einen Durchmesser von wenigen 100 µm. Durch die hohe Oberflächenspannung ist der Ölfilm in allen Lagen stabil. Unter Spannung zieht sich das Öl zusammen und gibt den Blick auf die reflektierende Fläche der Basis frei. Da die Ansteuerspannung inzwischen auf 10 bis 20 V gesenkt werden konnte, sind herkömmliche LCD-Treiberbausteine einsetzbar; die Ansteuerung kann sowohl analog als auch über PWM erfolgen. Die Einschaltzeit liegt in der Größenordnung von 3 ms, die Ausschaltzeit bei 9 ms. Darüber hinaus bieten EWDs einen unbegrenzten Sichtwinkel, vergleichbar mit dem von bedrucktem Papier. Sie sind draußen genau so gut wie drinnen einsetzbar und sie verbrauchen wenig Strom. Die Farbmischung kann additiv (verbunden mit hohem Lichtverlust) oder besser subtraktiv durchgeführt werden: Drei Displays werden übereinander gestapelt, in deren Öl die Farben Cyan, Magenta und Gelb gelöst sind. Bei diesem Lösungsansatz wird der Wirkungsgrad gegenüber der einlagigen Struktur um den Faktor 3 erhöht; verglichen mit reflexiven Displays ist das Licht sogar sechsmal heller. Außerdem verliefen Lebensdauertests über viele Millionen Schaltvorgänge erfolgreich ohne Degradation; konstruktiv bedingt können die Bilder nicht einbrennen (kein „Image Sticking“).

Umsetzung erfolgte in Europa

Die praktische Umsetzung der physikalischen Erkenntnisse in funktionstaugliche (statische) Anzeigeeinrichtungen erfolgte in Europa. Sie entstand in den Forschungslaboren von Philips, aus denen vor sechs Jahren die Firma Liquavista ausgegründet wurde und die das Verfahren zur Serienreife brachte. Im Jahre 2011 wurde dieses Unternehmen von Samsung aufgekauft und als europäisches Entwicklungslabor weiter betrieben. Dieser Tage wurde von dort über ein innovatives flexibles Electrowetting-Display berichtet, das 2013 auf den Markt kommen soll. Die Liquavista-Lösung hat indes den Nachteil, dass beim Ausschalten der Spannung der Inhalt der Anzeige verloren geht.Der andere Ansatz, den der Mikrofluidik-Entwicklungsdienstleister Bartels Mikrotechnik derzeit für seinen Kunden ADT entwickelt, basiert auf der Bewegung des Tropfens aus dem sichtbaren Pixelbereich in eine nicht-sichtbare zweite Ebene. Entscheidender Vorteil dieses Vorgehens ist die erreichte Bistabilität: Nur für den kurzen Moment einer Bildveränderung benötigt ein solches EWD Energie. Auf Aktiv-Matrix-Displays kann verzichtet werden, was die Entwicklung flexibler Displays erleichtert. Besonders stromsparend lassen sich durch das ADT-Prinzip Statusanzeigen wie Ein/Aus, Zustandsanzeigen in Haushaltsgeräten oder Speicherzustandsanzeigen etwa in Handys, PDAs, USB-Sticks oder MP3-Playern realisieren.

Vorteile von D3

Aber auch für Anwendungen in viel größeren Dimensionen bietet das „Droplet Driven Display“ (D3) wichtige Vorteile: Die hohe Transmission der flüssigen Pixel garantiert in Kombination mit einem hinter den Tropfen liegenden Reflektor auch bei hellem Umgebungslicht jederzeit gute Sichtbarkeit. Durch entsprechende Einfärbung und Positionierung der Einzel-Pixel können Electrowetting-Vollfarbanzeigen im RGB- oder CMYK-Modus realisiert werden. Da die Technologie zudem in einem extrem weiten Temperaturbereich eingesetzt werden kann (ungefähr -45 bis über 100 °C, möglicherweise sogar bis 200 °C), bildet sie eine Alternative z. B. zu mechanisch variablen Großplakaten in der Außenwerbung. In Kombination mit der hohen Transmission und der Bistabilität erscheint die Technik somit auch für automobile Anwendungen geeignet.

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