Inline-Dispergier-Technologie „Effizient und flexibel produzieren“

Ystral GmbH Maschinenbau + Prozesstechnik

Dr. Hans-Joachim Jacob, Senior Expert Process and Applications bei Ystral: „Bei der Slurry-Fertigung habe ich im Gegensatz zur Co-Grind-Fertigung optimale Dispergierbedingungen.“

Bild: Ystral
21.07.2022

Die Trends auf dem Markt für Lacke und Farben sind sehr vielseitig. Dr. Hans-Joachim Jacob, Senior Expert Process and Applications bei Ystral, gibt im Gespräch mit der P&A einen kleinen Einblick in die Entwicklungen des Markts für Lacke und Farben.

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Herr Jacob, welche drei wesentlichen Trends beobachten Sie aktuell im Markt der Farben und Lacke?

Ein großes Problem in der Herstellung von Lacken und Farben ist, dass die dominierende Technologie, die Dissolver-Technologie, veraltet ist; sie geht bis auf die 1930er Jahre zurück. Hier hat sich in den letzten Jahrzehnten auch nicht viel verändert – das Prinzip ist noch immer das gleiche.

Die Reduzierung von Lösemitteln ist ebenfalls ein großes Thema. Wie kann der Lösemittelverbrauch so gering wie möglich gehalten werden?

Die Reduzierung von Lösemitteln erfordert eigentlich eine Anpassung der Basisbindemittel. Allerdings sind diese scherempfindlich, weshalb Bindemittel erst so spät wie möglich in den Prozess eingebracht werden können. Hier kommt wieder die Inline-Dispergier-Technologie zum Einsatz. Denn eine Reduzierung des Lösemittelanteils verringert die Flüssigkeit in der Mischung zu Prozessbeginn – für unsere in den Inline-Dispergieranlagen eingesetzte Verdrängerpumpe ist dies kein Problem, da diese auch bei höheren Viskositäten eingesetzt werden kann.

In der Herstellung von Farben und Lacken steht auch die Einsparung von Titandioxid im Fokus, da das Weißpigment ein wesentlicher Kostentreiber ist. Wie ist eine Reduzierung hier möglich?

Das Titandioxid, das in der Herstellung von Farben und Lacken zum Einsatz kommt, weist eine außerordentlich hohe Brechzahl auf. Diese finden wir in keinem anderen Pigment, folglich gibt es aktuell keine vernünftige Alternative zu Titandioxid. Es gab Untersuchungen, beispielsweise von der BASF, Titandioxid durch Kaolin, Kreide, Talkum oder andere weiße Farbinhaltsstoffe zu ersetzen. Das Ergebnis: Es müssen sehr große Mengen dieser Ersatzstoffe verwendet werden; zugleich ist eine höhere Schichtdicke der Farben und Lacke erforderlich, um weiterhin ein gutes Deckvermögen zu erreichen – somit ist eine Substitution durch Füllstoffe auch keine Alternative.

Titandioxidpartikel haben die Eigenschaft zu agglomerieren und sich aneinander zu heften. Wie lässt sich das vermeiden?

Titandioxid hat wie jedes anorganische Pigment eine bestimmte Oberflächenladung. Normalerweise stoßen sich gleich geladene Teilchen ab, allerdings gibt es im Lack- und Farbbereich gegeneinander wirkende Kräfte. Deshalb halten wir das Verhältnis der elektrostatisch abstoßenden Kräfte größer als die anziehenden Van-der-Waals-Kräfte: Wir gestalten die Reihenfolge der Zugaben so, dass sich die Titandioxidpartikel so lange wie möglich durch ihre elektrostatischen Kräfte auf Abstand halten. Deshalb stellen wir den pH-Wert der Farben und Lacke auch erst am Ende des Prozesses ein, da Titandioxidpartikel im Bereich des optimalen pH-Werts flocken.

Was müssen Anwender bei der Umstellung auf Vakuumdispergierung beachten?

Mit Vakuumdispergierern lassen sich alle Dissolver-Rezepturen umsetzen, es müssen lediglich einige Prozessschritte angepasst werden. So werden beispielsweise Verdicker nicht zu Beginn des Prozesses, sondern am Ende hinzugegeben – so werden sie nicht kaputtgeschert. Inline-Dispergiermaschinen arbeiten mit Vakuum. Folglich können Netzmittel, die im Dissolverprozess eine Verringerung der Oberflächenspannung bewirken, komplett weggelassen werden.

Was spricht gegen eine Co-Grind-Fertigung?

In der Von-Grund-auf-Fertigung liegen nicht die optimalen Dispergierbedingungen für die einzelnen Bestandteile vor: Große Partikel erzeugen hier, wenn sie zusammenstoßen, einen Zwischenraum, in welchem sich kleinere Partikel wiederum ansammeln – dies bezeichnet man auch als Crowding. Für farbgebende und streuende Partikel wie beispielsweise Titandioxid ist so eine effektive Dispergierung nicht möglich.

Welche Vorteile hat hingegen die Slurry-Fertigung?

Zunächst: Bei der Slurry-Fertigung habe ich im Gegensatz zur Co-Grind-Fertigung optimale Dispergierbedingungen. Für die Slurry kann ich außerdem flüssige Dispersionen herstellen, die sich wesentlich einfacher dosieren lassen als Pulver, wie es bei der Co-Grind-Fertigung der Fall ist. Pulverdosierung ist immer schwierig, da ein Teil des Pulvers bereits im Filter verloren geht und die Dosierung somit ungenau wird. Pulver stauben zudem. Mit der Slurry-Fertigung wird deshalb eine höhere und konstantere Qualität erzeugt.

Ein Beschluss des Verbands der Lack- und Druckfarbenindustrie besagt, dass gefährliche Stoffe bis 2025 weitestgehend ersetzt werden sollen. Wie ist Ihre Beobachtung: Wie weit ist hier die Industrie?

Wir erhalten sehr wohl vermehrt Anfragen nach Reduzierung von Bioziden und Lösemitteln – letztere finden ihren Einsatz ja nicht nur im Herstellungsprozess, sondern auch in der Reinigung. Auch Titandioxid wurde als gefährlicher Stoff eingestuft. Dies wird aufgrund fehlender Alternativen sehr kritisch aufgefasst. Folglich richtet sich hier der Fokus auf eine staubfreie Verarbeitung von Titandioxiden.

Zum Abschluss: Wie lässt sich der ökologische Fußabdruck der Lack- und Farbenindustrie verbessern?

Hier spielen ebenfalls Lösemittel- und Biozidreduzierungen sowie Energieeinsparungen eine Rolle. Kurzum: effektiver produzieren mit geringerer Temperatur. Außerdem gilt es, vermehrt auf Rohstoffe mit einem niedrigeren Carbon Footprint zu setzen sowie die Lagerbestände zu reduzieren – also eine schnellere, auftragsbezogenere, flexiblere Fertigung.

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