Optimale Verbindung Durchgängig kommunizieren mit TSN

SPS – Smart Production Solutions

Bild: iStock; imaginima
14.09.2018

Bisherige Echtzeit-Ethernet-Systeme machen eine spezielle Hardwareunterstützung erforderlich, um eine korrekte Funktionsweise und ausreichende Echtzeit- und Übertragungsperformance zu gewährleisten. Ethernet TSN dagegen erlaubt nun erstmals die deterministische Übertragung über Standard-Hardware.

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Ethernet TSN erlaubt erstmals in der über 40-jährigen Geschichte von Ethernet eine zeitgesteuerte und deterministische Übertragung von echtzeitkritischen Nachrichten über Standard-Hardware. Genutzt wird hierfür ein Zeitschlitzverfahren, welches Sercos schon seit über 25 Jahren für die Echtzeitkommunikation verwendet. Mit TSN wird das Anwendungsspektrum von Ethernet auf Echtzeitanwendungen, zum Beispiel im Automobil oder in Industrieanlagen, erweitert.

Die Verwendung von Ethernet TSN bringt dabei einige Vorteile mit sich: So kann Standard-Hardware mit integrierter Echtzeitfähigkeit eingesetzt werden, was in niedrigen Kosten und einem breiten Hersteller- und Produktangebot resultiert. Darüber hinaus ermöglicht der TSN-Standard die Konvergenz von Produktions- und IT-Netzwerken. Das heißt, Echtzeitkommunikation und normale Ethernet-Kommunikation können über einen einheitlichen Netzwerkstandard übertragen werden. Dies stellt eine ideale Basis für die Umsetzung von Industrie 4.0 und IIoT-Konzepten dar.

Evolution der drei Feldbus-Generationen

Mit der Verfügbarkeit von Ethernet TSN wird auch die Evolution der Feldbussysteme fortgeschrieben. Feldbusse der ersten Generation wurden für spezifische Anforderungen und Aufgaben konzipiert. Sercos wurde etwa als Antriebsbus entwickelt, um die analoge +/- 10 V Antriebsschnittstelle abzulösen. Profibus, Interbus oder auch DeviceNet wurden als Feldbusse für die E/A-Kommunikation entwickelt. Und Ethernet setzte man zum damaligen Zeitpunkt nicht auf der Feld­ebene ein, sondern lediglich, um Maschinen in übergeordnete IT-Systeme einzubinden.

Feldbussysteme der zweiten Generation zeichnen sich dadurch aus, dass sie allesamt auf Ethernet basieren und somit über eine sehr viel höhere Bandbreite verfügen. Im Gegensatz zu den spezifischen Feldbussen der ersten Generation sind sie universell einsetzbar. Allerdings benötigen sie zur korrekten Funktionsweise und zur Erreichung einer entsprechenden Übertragungs- und Echtzeitperformance eine spezielle Hardwareunterstützung. Damit sind diese Systeme nicht konform zu den Standards IEEE 802.1 und 802.3. Dadurch lässt sich die vertikale und horizontale Integration mit Ethernet nicht optimal umsetzen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten Echtzeit-Ethernet-Protokolle in einer gemeinsamen Netzwerk-Infrastruktur nicht koexistieren können, ohne dass die Performance und Echtzeitcharakteristik beeinträchtigt wird. Verschiedene Echtzeit-Ethernet-Lösungen nutzen die Netzwerkinfrastruktur sogar exklusiv, so dass andere Protokolle über das jeweils unterlagerte Echtzeit-Protokoll getunnelt werden müssen. Allerdings setzt dies ein laufendes beziehungsweise funktionierendes Echtzeit-Protokoll voraus, um mit den Geräten überhaupt kommunizieren zu können. Einen anderen Ansatz verfolgen Echtzeit-Ethernet-Lösungen, die eine Koexistenz mit anderen Ethernet-Protokollen unterstützen. Dabei können andere Protokolle sowohl mit als auch ohne das jeweilige Echtzeit-Protokoll genutzt werden. Vertreter dieser Echtzeit-Ethernet-Lösungen sind zum Beispiel Sercos III und Profinet IRT.

Ethernet TSN läutet nun die dritte Feldbusgeneration ein. Die Technologie erlaubt erstmals eine zeitgesteuerte und deterministische Übertragung von echtzeitkritischen Nachrichten über Standard-Ethernet-Hardware. Ethernet TSN nutzt dafür das Prinzip eines Zeitschlitzverfahrens, welches Sercos schon seit über 25 Jahren für die Echtzeitkommunikation verwendet. Da bei Ethernet-TSN-Echtzeitkommunikation und normale Ethernet-Kommunikation über einen einheitlichen Netzwerkstandard übertragen werden können, ergeben sich zukunftsweisende Lösungsansätze für die Konvergenz von Produktions- und IT-Netzwerken.

Sercos III im Kontext von Ethernet TSN

Das Übertragungsverfahren von Sercos basiert seit der Einführung der ersten Generation (Sercos I) im Jahre 1990 auf einem Zeitschlitzverfahren und einer zyklischen Kommunikation. Sercos III unterstützt nicht nur die Übertragung von Echtzeittelegrammen im sogenannten Echtzeit-Kanal, sondern erlaubt außerdem die Übertragung beliebiger anderer Ethernet-Protokolle im sogenannten UC-Kanal. Ethernet TSN besitzt alle Eigenschaften und Mechanismen, um das Sercos-­Übertragungsverfahren mit Standard-Ethernet-Hardware umzusetzen beziehungsweise nachzubilden. Die Basis von Ethernet TSN ist der Standard IEEE 802.1Q, welcher die Aufteilung physikalischer Netzwerke in mehrere logisch getrennte, priorisierte virtuelle Netze spezifiziert. Mit verschiedenen Sub-Standards werden darauf aufbauend vier ergänzende Features spezifiziert, die im Folgenden erläutert und in den Kontext des Übertragungsverfahrens von Sercos gebracht werden:

1. Zeitsynchronisation: Alle Netzwerkteilnehmer haben ein gemeinsames Verständnis der Zeit. Dazu greift Ethernet TSN auf Mechanismen aus IEEE 802.1ASrev beziehungsweise IEEE 1588 zurück. Das darin beschriebene Protokoll zur Zeitsynchronisation (PTP; Precision Time Protocol) definiert, wie räumlich verteilte Echtzeituhren untereinander synchronisiert werden.

2. Zeitschlitzverfahren: Synchrone Zeitschlitze erlauben die Übertragung verschiedener Traffic-Klassen und eine zeitgesteuerte Datenübertragung. Ethernet TSN nutzt dafür den Substandard IEEE 802.1Qbv (Enhancements for Scheduled Traffic).

3. Scheduling und Traffic Shaping: Alle teilnehmenden Geräte arbeiten bei der Bearbeitung und Weiterleitung von Netzwerkpaketen nach den gleichen Regeln. Ethernet TSN nutzt dafür den Substandard IEEE 802.1Qcc (Stream Reservation).

4. Frame Preemption: Telegramme können unterbrochen werden und später fortgesetzt werden. Ethernet nutzt dafür den Substandard IEEE 802.1Qbu (Frame Preemption).

Erster Sercos-TSN-Demonstrator

Für Echtzeit-Ethernet Protokolle der zweiten Feldbusgeneration ergeben sich interessante Migrationskonzepte für TSN-basierte Netzwerke. Zur SPS/IPC/Drives im November 2016 wurde erstmals ein Sercos-TSN-Demonstrator präsentiert, in dem Sercos-III- und Ethernet-Geräte in einer gemeinsamen TSN-basierten Netzwerkinfrastruktur betrieben werden, ohne dabei die Echtzeitperformance von Sercos III zu beeinträchtigen.

Zum Einsatz kommt dabei ein TSN-basierter Sercos-­III-SoftMaster mit einer Soft-CNC von ISG Industrielle Steuerungstechnik unter Verwendung des Echtzeitbetriebssystems InTime von TenAsys. In diesen Master wurde das Precision Time Protocol (PTP) nach IEEE 1588 integriert, so dass sämtliche Netzteilnehmer, die über TSN-Switche der Firma Hirschmann Automation & Control kommunizieren, eine einheitliche Zeitbasis verwenden.

Der SoftMaster kommuniziert über die TSN-Netzwerk­infrastruktur mit den Sercos-III-Slaves, die räumlich abgesetzt an einem anderen TSN-Switch angeschlossen sind. Parallel zur Sercos-Echtzeitkommunikation über TSN werden Videostreams einer Webcam zu einem Remote-Display übertragen. Die Untersuchung des Echtzeitverhaltens zeigte, dass sich die Fehler in der Zeitsynchronisation auf einen zweistelligen Nanosekundenbereich beschränken. Somit beeinträchtigt Sercos weder die Funktionalität noch die Echtzeitcharakteristik. Sercos-III-Geräte können unverändert und gemeinsam mit anderen Ethernet-Geräten in ein TSN-Netzwerk integriert werden und über TSN miteinander kommunizieren. Auch lassen sich bestehende Tools, wie beispielsweise der Sercos-Monitor als Diagnose- und Analysewerkzeug, weiterhin vollumfänglich verwenden.

Zusammenfassung

Ethernet TSN hat das Potential, die bisher strikte Trennung von IT- und Automatisierungsnetzwerken aufzuheben und damit eine Konvergenz der Kommunikationstechnologien herbeizuführen. Damit wird eine neue Ära der industriellen Kommunikation eingeläutet. Bisherige Echtzeit-Ethernet-Lösungen, die für eine korrekte Funktionsweise und ausreichende Echtzeit- und Übertragungsperformance eine spezifische Hardware erforderlich machten, können dabei in vielfacher Hinsicht profitieren. Mit dem oben beschriebenen „Sercos over TSN“-Demonstrator konnte der Nachweis erbracht werden, dass Sercos-III-Geräte unverändert in einem Ethernet-TSN-Netzwerk gemeinsam mit anderen Ethernet-Teilnehmern betrieben werden können. Damit werden einerseits von Herstellern und Anwendern getätigte Investitionen geschützt. Andererseits wird die Migration zu Ethernet TSN auf einfache Art und Weise ermöglicht.

Bildergalerie

  • Im ersten Sercos-TSN-Demonstrator kommt ein SoftMaster mit Ethernet-TSN-Anschaltung und PTP-Unterstützung nach IEEE1588 zum Einsatz.

    Im ersten Sercos-TSN-Demonstrator kommt ein SoftMaster mit Ethernet-TSN-Anschaltung und PTP-Unterstützung nach IEEE1588 zum Einsatz.

    Bild: Sercos

  • Die Grafik veranschaulicht das Übertragungsverfahren von Sercos III im Kontext von Ethernet TSN.

    Die Grafik veranschaulicht das Übertragungsverfahren von Sercos III im Kontext von Ethernet TSN.

    Bild: Sercos

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