Funksensoren werden in fast allen elektronischen Geräten verwendet und umgeben uns jeden Tag und jede Sekunde: Von der Wetterstation bis zum Raumklima sind Funksensoren auf diverse Messparameter hin spezialisiert. Aber was wäre, wenn eine Plattform alles könnte? Temperatur, Druck, Feuchte, Abstand, Licht, und vieles mehr in einem messen? Damit wäre eine All-in-One-Lösung gefunden, die den Aufbau für verschiedene vorgenannte Anwendungen in der Industrie nicht immer wieder neu, sondern allgemeingültig und somit kostenreduziert ermöglicht.
Modulare Hardwareplattform
Vor circa fünf Jahren starteten die Forschenden am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin mit genau dieser ehrgeizigen Aufgabe: Entstanden ist ein umfassendes Ökosystem aus Hard- und Software für eine Sensor-Aktor-Plattform, die modulare Sensoraufbauten mit einer niederschwelligen und schnellen Datenerfassung zur Zustandsüberwachung im industriellen Umfeld ermöglicht.
Aber wie hat die Gruppe Sensor Nodes & Embedded Microsystems am Fraunhofer IZM dies erreicht? Durch diverse Projekte und Teilergebnisse, die unter anderem vom Leistungszentrum „Digitale Vernetzung“ in Kooperation mit anderen Fraunhofer-Instituten erarbeitet wurden, sind Stück für Stück neue Erkenntnisse und Erweiterungen an der Plattform hinzugekommen. Werfen wir also einen Blick zurück auf die Geschichte der heutigen Funksensorplattform.
In der ersten Phase von 2017 bis 2018 war das primäre Ziel, eine modulare Hardwareplattform zu entwickeln, die den Großteil der identifizierten Anwendungsbereiche abdeckt. Auf der Hannover Messe wurde damals eine industrielle Anwendung an einem Roboterarm präsentiert, bei der das verdrahtete Sensormodul die Anwendung des „Condition Monitoring“ (Zustandsüberwachung) im Bereich der Temperatur und Beschleunigung eines Produktionsprozesses skizzierte. Samer Al-Magazachi, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Universität Berlin und Kooperationspartner des Fraunhofer IZM, beschäftigt sich bis heute mit dem Thema und schrieb zum damaligen Zeitpunkt seine Masterarbeit über die Erweiterung der Plattform um Ansätze zur Positionsbestimmung mit Bluetooth Low Energy.
So entstand das zweite Modell dieser ersten Plattform. Für einen drahtlosen Einsatz der Plattform wurde zudem die Möglichkeit einer Energieversorgung über ein Akku ergänzt, der über USB aufladbar ist. Darüber hinaus wurden weitere Sensoren zur Messung von Größen wie Lichtintensität und Luftdruck integriert und eine präzise Datenermittlung zu genauesten Zeitangaben ermöglicht (Real-Time-Clock).
Am Fraunhofer IZM wurden zeitgleich Anwendungen im Bereich der Fusion von Beschleunigungsdaten mit Radardaten sowie Stresssensoren evaluiert. Auf der Productronica 2019 demonstrierten die Forschenden mit dem Sensormodul einen Windkanal, der symbolisierte, wie die Datenmessung an einer Maschine oder einem Stahlträger Verformungen als Signal messbar machen kann. Dies könnte genutzt werden, um das Wartungsintervall der jeweiligen Maschinen zu optimieren oder Teile rechtzeitig auszutauschen, bevor es zu Produktionsausfällen kommt.
Für die Datenübertragung entstand zusätzlich zum Akku und der USB-Variante im Rahmen einer Bachelorarbeit die Erweiterung um die Funktechnologie LoRa, ein energieeffizienterer Funkstandard für große Distanzen, aber kleine Datenmengen, der die Sensordaten übertragen kann. Abschließend wurde eine Desktopapplikation für Windows, MacOS und Linux programmiert, um die Daten auf einer GUI zu visualisieren, aufzuzeichnen und zu speichern. Man konnte nun die Hardware also auch steuern und auslesen.
Aktuellste Version: Sensor-Aktor-Plattform
In der letzten und aktuellen Version der Plattform mit dem Namen „Swarmy“ wird aus den Technologiedemonstratoren eine Sensor-Aktor-Plattform, die Motoren ansteuern und damit ein bewegliches System realisieren kann. Außerdem wurden diverse Sensoren auf der Plattform ergänzt, wie ein Time-of-Flight-Sensor, ein Sensor für Lichtintensität, ein Gassensor, um die Luftqualität zu messen, ein Mikrofon zur Lautstärkemessung sowie ein Drucksensor. Zudem ist die Plattform nun auch mit dem Qi-Standard ausgestattet zum induktiven (kabellosen) Laden der Akkus.
Das modulare Konzept mit allen gängigen Schnittstellen ermöglicht eine Nachrüstung externer Sensoren, wie zum Beispiel chemischer Sensoren zur Messung der Zusammensetzung von Flüssigkeiten. Das System ist demnach sehr kompatibel mit bereits bestehenden Systemen, durch die es erweitert werden kann. Softwareseitig wurde die Desktop-App um eine nutzerfreundliche Anwendung mittels einer Android-App für Tablets und Handys erweitert. Die Auswertungssoftware wird via Bluetooth mit der Hardware verbunden und dient somit als Benutzerschnittstelle für Unternehmen, die beispielsweise Daten mit künstlicher Intelligenz auswerten wollen und die Sensorplattform direkt mit ihrer Anwendung verbinden können.
Anwender können ihre Daten lokal auf dem Gerät oder auch in der Cloud speichern. Die Vorgehensweise ist wie folgt: App starten, Sensoren auswählen und schon geht das Messen los. Zum Schluss wurde noch eine Software-Schnittstelle für Tests integriert. Wenn demnach ein Swarmy-Modul aufgebaut und an den PC angeschlossen ist, kann ein automatisierter Test mit der Plattform durchgeführt werden, um zu prüfen, ob die mit der Plattform verbundene Hardware funktionsfähig ist.
Plattform noch intelligenter gestalten
Die Anwendungsbereiche für die Sensor-Aktor-Plattform sind schon jetzt sehr vielfältig. Die Plattform kann in unzähligen Bereichen, in denen dezentrale, verteilte Systeme vorhanden sind, eingesetzt werden. Einige Beispiele sind dem Kasten anbei zu entnehmen.
Doch auch wenn die Forschenden am Fraunhofer IZM ihr Ziel von 2017 längst erreicht und sogar übertroffen haben, wollen sie einen Schritt weitergehen. In der aktuellen Finanzierungsphase wollen sie die Plattform durch die Integration von Schwarmrobotik noch intelligenter machen. Die Arbeiten werden durch die Doktorarbeit von Samer Al-Magazachi zu genau diesem Thema vorangetrieben. Mittels des dort vorgestellten neuen Systemansatzes werden vernetzte Sensorsysteme noch robuster und zuverlässiger, sind flexibler einsetzbar und je nach Anwendung anpassungsfähiger, lassen sich besser skalieren und bieten eine höhere Sicherheit, da es keine zentrale Schwachstelle mehr gibt.
Das Leistungszentrum „Digitale Vernetzung“ wird von der Regierenden Bürgermeisterin von Berlin, Senatskanzlei – Wissenschaft und Forschung, und aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Es ist eine Kooperation von mehreren Fraunhofer-Instituten am Standort Berlin mit dem Schwerpunkt Internet-of-Things, Cyber Physical Systems, Industrie 4.0 und 5G-Mobilfunk.