Fachbeitrag Batterie-Kraftwerk am Start

17.09.2014

Eckpfeiler der Energiewende oder überflüssig? Energieminister Gabriel verlieh einem Großspeicher höhere Weihen – just einen Tag nachdem vier renommierte Forschungsinstitute darauf hinwgewiesen haben, dass die Energiewende nicht auf solche Batterien warten muss.

Unter den Augen von Bundesminister Sigmar Gabriel, Ministerpräsident Erwin Sellering und Wemag-Vorstand Thomas Pätzold (im Bild oben von links) ging Mitte September Europas erstes „kommerzielle Batteriekraftwerk“ ans Netz: Der von der Berliner Younicos konzipierte und realisierte Lithium-Ionen-Speicher stabilisiert mit einer Kapazität von 5 MWh beim Schweriner Ökostromversorger Wemag die Netzfrequenz mit Regelleistung. „Der erste wirtschaftlich operierende Batteriespeicher in dieser Größenordnung ist ein wichtiger Schritt zum Gelingen der Energiewende“, lobte der Bundesminister bei der feierlichen Eröffnung. „Gerade im Bereich der Regelleistung zur Stabilisierung der Netzfrequenz können Batterien ihre Stärke ausspielen.“

Bislang werde das Stromnetz größtenteils von inflexiblen Kohlekraftwerken stabilisiert, führte Younicos-Technik-Vorstand Clemens Triebel aus. Mit der Folge, dass sie „dafür aber ein Vielfaches der tatsächlich benötigten Ausgleichsleistung produzieren müssen und die Netze demzufolge mit Strom aus fossilen Energieträgern blockieren.“ So werde ungewollt Energie aus Wind und Sonne abgeregelt. Batterieparks lassen sich dagegen deutlich schneller und genauer steuern als thermische Kraftwerke.

Den praktischen Beweis liefert nun die in Mecklenburg-Vorpommern verwurzelte Wemag: Im Inneren eines fast turnhallengroßen Gebäudes hat Younicos 25.600 Lithium-Manganoxid-Zellen von Samsung installiert; fünf jeweils vier Tonnen schwere Mittelspannungs-Transformatoren verbinden die Batterie sowohl mit dem regionalen Verteilnetz als auch mit dem nahegelegenen 380-kV-Höchstspannungsnetz. „Unsere 5-Megawatt-Batterie in Schwerin ersetzt das Regelpotenzial einer konventionellen 50-Megawatt-Turbine“, erklärte Younicos-Mitgründer Triebel weiter.

Attraktiv dank Förderung

Auch Thomas Pätzold, Technischer Vorstand der Wemag, die in ihrem Netzgebiet bereits mehr als 80 Prozent der verbrauchten Strommengen aus Wind und Sonne produziert, sieht den Batterie­speicher als wegweisende Technik: „Er ist die technisch beste Lösung, um die naturbedingten Schwankungen aus regenerativer Einspeisung auszugleichen und ist zudem wirtschaftlich sehr attraktiv“ – allerdings nicht ohne Förderung. Nach der Anschubfinanzierung durch das Innovationsprogramm des Bundesumweltministeriums in Höhe von 1,3 Millionen Euro rentiert sich der Großspeicher laut Hochrechnungen der Wemag jedoch bereits von Beginn an am Primärregelleistungsmarkt. „Zukünftig soll die Batterie darüber hinaus andere Systemdienstleistungen wie Schwarzstartfähigkeit oder Blindleistung bereitstellen. Sie bietet also weitere lukrative wirtschaftliche Perspektiven“, so Pätzold. Und Ewald Woste, Aufsichtsratsvorsitzender der Wemag und Vorsitzender des Vorstands der Thüga unterstrich: „Die Wemag zeigt, dass sich intelligente Kurzzeitspeicher schon heute aus betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Sicht lohnen.“

Studie hebt Alternativen hervor

Ganz so euphorisch klang das tags zuvor in der Bundeshauptstadt nicht, als die „Denkfabrik“ Agora Energiewende die Studie „Stromspeicher in der Energie­wende“ [1] veröffentlichte. Sie betont, dass der in Deutschland geplante Ausbau von Wind- und Solaranlagen in den kommenden 20 Jahren nicht auf neue Stromspeicher angewiesen sei. Weitaus günstiger könne die zum Ausgleich der wetterabhängigen Stromproduktion benötigte Flexibilität im Stromsystem bereitgestellt werden durch Alternativen wie eine flexible Fahrweise von fossilen Kraftwerken, durch Lastmanagement bei industriellen Stromverbrauchern sowie Stromhandel mit Nachbarstaaten. „Die Energiewende muss nicht auf Speicher warten. Für die nächsten 15 bis 20 Jahre – das heißt bis zu einem Anteil von 60 Prozent erneuerbaren Energien – haben wir noch genügend andere, günstigere Flexibilitätstechnologien zur Verfügung“, sagte Patrick Graichen, Direktor der von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation getragenen Agora Energiewende. „Die Märkte für neue Speichertechnologien wie Batterien, Power-to-Heat oder Power-to-Gas werden vermutlich dennoch dynamisch wachsen – aufgrund eines steigenden Bedarfs aus den Bereichen Verkehr, Wärme und Chemie.“

Die von vier renommierten Forschungsinstituten erstellte Studie unterscheidet in Lang- und Kurzzeitspeicher und variiert den Speicherzubau in jeweils drei Szenarien (Stromsystem 2023 und 2033 sowie bei 90 % erneuerbaren Energien). Detailliert wurde neben dem Einsatz von Speichern zum Ausgleich von Stromerzeugung und -nachfrage auch ihr Einsatz für Systemdienstleistungen betrachtet. Dabei wurde auch die Verteilnetz-Ebene eingehend analysiert. Hierbei zeigte sich, dass bereits heute einige Anwendungen existieren, bei denen Batteriespeicher kosteneffizient eingesetzt werden können. Diese Nischenanwendungen werden jedoch auch langfristig nur ein beschränktes Marktvolumen erreichen, so die Studie.

„Noch sind neue Stromspeicher teuer. Das kann sich aber auch schnell ändern“, betont Graichen. „Speicher müssen deswegen schon jetzt gleichberechtigten Zugang zu den Märkten erhalten. Das gilt zum einen bei Märkten für Flexibilität, wie dem Regelleistungsmarkt oder einem zukünftigen Kapazitätsmarkt. Dies gilt aber auch im Verteilnetz, wo Speicher ein Element im Baukasten der Netzbetreiber sein können.“

Kritik des BDEW

Der BDEW sah sich trotz dieser Einschränkung noch am selben Tag zu einer Stellungnahme veranlasst. Die Ansicht, dass der Ausbau der Erneuerbaren nicht zwangsläufig auf den Ausbau der Stromspeicher angewiesen ist, teile der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, beklagte aber handwerkliche Mängel. Die Studie diskriminiere Energiespeicher, da ausschließlich bei Energiespeichern die Investitions- und Betriebskosten mit in den Vergleich einbezogen werden. Alle anderen Flexibilitätsoptionen, etwa konventionelle Grund- und Spitzenlastkraftwerke, Netz­ausbau, Lastmanagement und Power­-to-Heat, werden durch die Voraussetzung eines definierten Ausbaupfades als „gesetzt“ betrachtet.

Ein Investor entscheide heute jedoch, ob er zum Beispiel in einen Energiespeicher, eine Stromerzeugungsanlage oder Lastmanagementmaßnahmen investiere. Somit werde sich ein Optimum entsprechend des Bedarfs im System einstellen. „Der BDEW setzt sich in diesem Zusammenhang weiter für faire, gleiche Wettbewerbsbedingungen ein, die alle Flexibilitätsoptionen beinhalten.“ Denn Energiespeicher bleiben grundsätzlich ein wichtiger Bestandteil für das Gelingen der Energiewende im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten, so der Verband.

Weitere Informationen

[1] „Stromspeicher in der Energiewende“. Studie der FENES (OTH Regensburg), IAEW (RWTH Aachen), ef.Ruhr (TU Dortmund) und ISEA (RWTH Aachen) im Auftrag von Agora Energiewende: www.agora-energiewende.de

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