Spritzverfahren für Servoleitungen Stecker mit doppelter Umspritzung

Der Flachstecker hat eine asymmetrische Form mit einer Schrägung, weil direkt neben ihm ein weiterer Rundstecker am Antrieb platziert ist.

Bild: Lapp
10.09.2017

Von Hand montierte Rechteckstecker zum Anschluss von Servoantrieben sind oft am Kabeleinlass und zum Motor undicht. Eine innovative anschlussfertige Systemlösung mit gespritztem Stecker umgeht nun diese Dichtigkeitsprobleme, ohne die Kosten zu erhöhen.

Ausfall wegen eines undichten Steckers – diese Diagnose kennen Anwender von Servoantrieben nur zu gut. Eine neuralgische Stelle besonders bei handmontierten kompakten Rechtecksteckern neuerer Servos ist der Kabeleinlass. Dort muss die mitgelieferte Dichtung von Hand eingesetzt werden. Das kann leicht vergessen werden, das gleiche gilt für die Dichtung vorne zum Antrieb. Macht das Kabel hinter dem Stecker eine enge Biegung, kann zudem die Schirmung oder gar die ganze Leitung aus dem Stecker rutschen. Dann kann Feuchtigkeit eindringen und im schlimmsten Fall den Motor zerstören, was in der Praxis immer mal wieder vorkommt.

Teilautomatisierte Konfektion

Die Lapp Gruppe hat eine anschlussfertige Systemlösung entwickelt, die diese Fehlerquellen eliminiert – ohne die Kosten zu erhöhen. Die Stecker werden teilautomatisiert hergestellt und sind durch ein umspritztes Gehäuse geschützt. Bei dem neuen Verfahren wird der Stecker auf der Antriebsseite in einem teilautomatisierten Prozess konfektioniert und in einem einzigen Arbeitsgang erst mit einem Kunststoff umgossen und dann mit einer zweiten Kunststoffsorte umspritzt.

Normalerweise wird der Kunststoff aus kleinen Tanks zugeführt, dabei wird meist nicht alles Material verbraucht und dieses immer wieder aufgeheizt und abgekühlt. Das lässt das Material altern und der Prozess ist nicht sicher reproduzierbar, weil keiner exakt überwachen kann, wie viel Material ins Werkzeug gelangt. Bei dem neuen Verfahren wird das Vergusswerkzeug aus zwei hintereinander sitzenden Extrudern mit Kunststoffen gespeist, wobei diese mit unterschiedlichen Temperaturen und Drücken arbeiten – das ist neu in einer einzigen Maschine. Extruder eins arbeitet mit Niederdruck, im Werkzeug herrschen maximal sieben Bar. Dadurch fließt der Kunststoff – ein Polyamid – ein, wird aber nicht in die Kontaktkammer gespritzt. Damit wird sichergestellt, dass die Kontakte weiterhin schwimmend gelagert sind. Andernfalls ließe sich der Stecker nicht mehr stecken. Extruder zwei arbeitet dann mit beim Spritzgießen üblichen 350 bar. Hier wird ein thermoplastisches Polyurethan mit Flammschutz verwendet, das gegen Öle, Säuren, Kühl-, Schmier- und Reinigungsmittel beständig ist und das Polyamid schützt.

Das innovative Verfahren kommt erstmals bei Servokonfektionen mit Stecker für die Alpha-02-Antriebe von Fanuc zum Einsatz. Dieser Stecker hält mehrere Herausforderungen bereit. In der Regel kommen an Antrieben Rundstecker zum Einsatz. Hier handelt es sich aber um einen Flachstecker, was mit der Bauform des Motors zusammenhängt. Weil der Antrieb recht klein ist, fällt auch der Stecker kompakt aus. Das gleiche gilt für die Leitung, die sechs Adern enthält: vier für den 400-Volt-Drehstrom sowie zwei für die Bremse. Da der kompakte Motor häufig dort eingesetzt wird, wo früher pneumatische Antriebe vorherrschten, und geringere Massen zu bewegen sind, zum Beispiel in Antrieben für Regalmagazine, benötigt er weniger Leistung als viele andere Antriebe. Deshalb haben die Adern einen Querschnitt von jeweils nur einem Quadratmillimeter, üblich sind sonst 1,5 mm2. Lapp hat eigens für diese Servoleitung ein dünneres Kabel entwickelt. Ohne besondere Gegenmaßnahmen ist jedoch die Gefahr, dass dieses dünne Kabel aus dem Steckereinlass rutscht, noch größer.

Unverlierbare Dichtungen

Bei der neuen Verbindung von Lapp wird die Dichtung am Kabelaustritt beim Spritzgießen erzeugt, das Kabel ist fest vergossen. Vorne zum Antrieb hin hat der Stecker eine Profildichtung, die eingeklemmt und eingepresst wird. In den Kontaktträger eingearbeitete Nasen halten die Dichtung zum Antrieb am Platz. Vorteil: Die Dichtungen sind unverlierbar. Der Stecker ist dadurch absolut dicht, der Kabelmantel rutscht auch in einer engen Biegung nicht aus dem Gehäuse. Lapp hat ein ähnliches Spritzverfahren mit unterschiedlichen Kunststoffen in einem einzigen Arbeitsgang zum ersten Mal an Ladesteckern für Elektroautos für den Kunden BMW realisiert. Nun hat Lapp das Verfahren auf Servoleitungen für die kompakten Alpha-02-Antriebe von Fanuc übertragen.

Bei der teilautomatisierten Konfektion des Antriebssteckers wird auch der Anschluss des Schirmkontakts hergestellt. Dieser erfolgt ebenfalls nach einem neuen Prinzip. Dabei schiebt das Werkzeug einen Ring über die Schirmung des Kabels, dazwischen wird ein Draht geklemmt. Der Draht führt zum entsprechenden Pin im Stecker, wo er durch Crimpen befestigt wird – auch alle anderen Adern werden an die Pins gecrimpt. Das schafft eine haltbare Verbindung, die gasdicht ist und somit Oxidation am Kontakt verhindert. Insgesamt enthält der Stecker zehn Pins, von denen sechs belegt sind.

Stufiger Schnitt

Bei der Montage steckt der Teufel im Detail. Weil direkt neben dem Flachstecker ein weiterer Rundstecker am Antrieb platziert ist, hat der Flachstecker der Alpha-02-Serie von Fanuc eine asymmetrische Form mit einer Schrägung. Das bedeutet, dass die Adern im Stecker auf unterschiedliche Längen abgeschnitten werden müssen. Der erwähnte Draht, der die Erdverbindung herstellt, muss dabei am längsten sein, denn laut VDE-Vorgabe darf sich dieser Kontakt erst als letzter lösen, wenn zum Beispiel die Leitung durch einen Unfall aus dem Stecker gerissen wird. Hier für alle Adern die richtigen Längen zu gewährleisten, die Crimpkontakte kontaktsicher auszuführen, dies mit zwei Kunststoffen zu umgießen und zu umspritzen und diesen Prozess tausendfach reproduzierbar auf einen automatisierten Prozess abzubilden, dies erfordert profundes Know-how.

Dieses Know-how hat sich Lapp unter anderem mit der Einführung von Ölflex Connect Servo erworben, einem Portfolio von standardisierten Servokonfektionen, die in einem teilautomatisierten Verfahren hergestellt werden. Darin finden sich neben Servoleitungen für die Alpha-02-Antriebe von Fanuc weitere teilautomatisiert konfektionierte Servoleitungen für Antriebe von Siemens, SEW und Rockwell – weitere Standards sind geplant. Auf der Seite der Steuerung gibt es von Lapp auch einen Stecker für die neue Reglergeneration im Booksize-Format von Siemens. Damit ist Lapp der einzige Hersteller, der eine kosteneffiziente Alternative zu Siemens anbietet.

Konfektionen ab Lager

Die Anwender profitieren von den Servoleitungen für Fanuc-Antriebe, weil diese absolut dicht sind und Ausfälle ausschließen. Außerdem entfällt das langwierige Konfektionieren an der Maschine mit all den Fehlerrisiken. In Europa sind die Konfektionen vorerst ausschließlich über Fanuc erhältlich, in USA und Asien auch bei Lapp direkt. Die konfektionierte Leitung ist UL-gelistet, kann also auch in Nordamerika verkauft werden. Die im Stecker für Fanuc erprobten Produktionsverfahren sollen künftig auch in anderen konfektionierten Leitungen zum Einsatz kommen, nicht nur für Servoleitungen. Auch für andere Anwendungen wie etwa bei weiteren Varianten von Ladesteckern für die Elektromobilität ist der Einsatz geplant.

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