Fachbeitrag Ernten, wo die Sonne brennt


Strom in die Hütten: Installation einer Solaranlage in �?thiopien

09.03.2012

Näher am �?quator herrschen ideale Voraussetzungen für Photovoltaik, wenigstens was die Einstrahlung betrifft. Wirtschaftlich sind die Verhältnisse nicht immer so eindeutig. Doch auch deutsche Firmen orientieren sich zunehmend in Richtung der Länder, wo die Sonne intensiv scheint. Für die Geschäftsmodelle spielt jedoch auch die Zeit eine Rolle, in der es dunkel ist.

Um halb sieben abends gehen die Kerosinlampen an. Stromleitungen und damit Elektrizität gibt es nur in den Großstädten. Stattdessen taucht die Flamme des brennenden Paraffins das Innere der Lehmhütte in ein dämmriges Licht.

Es geht aber auch anders. Im äthiopischen Dorf Rema etwa, sechs Stunden Autofahrt von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt, hängt in den Hütten der Bewohner ein dünnes schwarzes Kabel von der Decke mit einem Schalter: Damit lässt sich eine LED-Energiesparleuchte anknipsen. Der Strom kommt aus einer Batterie, die tagsüber das Solarpanel auf dem Strohdach speist. Eine Mini-Solaranlage sorgt für elektrische Energie, denn in der Nähe ist kein Kraftwerk.

4000 Menschen leben in Rema. Die über 1000 Hütten sind ebenso mit Solaranlagen ausgestattet wie Handwerksbetriebe, die Schule, Gesundheitsstation, Gemeindeverwaltung, Polizei, Kirche und Moscheen. Um die Aufstellung kümmerte sich die Stiftung Solarenergie: Etwa 1100 Solaranlagen sind in Rema verteilt, weitere 100 Anlagen stehen als Reserve bereit. Zusammengebaut wurden die Systeme vor Ort, durch äthiopische Mitarbeiter, die zuvor geschult wurden.

Solarenergie als Aufbruchssymbol

Auch wenn an eine flächendeckende Versorgung in vielen Entwicklungsländern noch lange nicht zu denken ist, Beispiele wie in Rema gibt es bereits viele. Die Firma Steca Elektronik etwa hat autarke Solarsysteme rund um den Globus installiert. Krankenhäuser in Burkina Faso, Kamerun, auf Madagaskar oder in Afghanistan profitieren sowohl von der Sonnenausbeute als auch von der von Steca entwickelten Solarkühltruhe für Impfstoffe. Und in vielen Hütten sorgen die Mini-Solarsysteme für Beleuchtung, Aufladen des Handys und Radioempfang.

Für Europäer ist kaum nachzuvollziehen, wie eine LED-Lichtquelle das Leben dort verändern kann. Dr. Harald Schützeichel von der Stiftung Solarenergie hält Licht für ein Aufbruchs-Symbol. Erst durch Nutzung der Solarenergie können die Bewohner nach Sonnenuntergang weiter Schulaufgaben oder Hausarbeit verrichten, arbeiten, miteinander kommunizieren.

Hilfe zur Selbsthilfe

Wie ein Engagement deutscher Firmen in Entwicklungsländern entstehen kann, beschreibt Lars Kirchner, Geschäftsführer der Kirchner Solar Group in Alheim: Von ihrem geringen Monatseinkommen geben die Menschen einen großen Teil für den Lampenbrennstoff Paraffin aus.

Es liegt nahe, die tägliche intensive Sonneneinstrahlung zu nutzen. Folglich entwickelt Kirchner Solar seit nunmehr sieben Jahren mobile Solarsysteme für die Dritte Welt. Der Solarkoffer besteht aus Solarpanel, Kabeln, zwei Batterien und einem Schalter mit Bimetall-Sicherung.

Endgeräte wie Lampe, Radio oder Ladestation fürs Mobiltelefon werden in eine der drei Buchsen gesteckt, die sich an dem weltweit gültigen Standard für Zigarettenanzünder im Auto orientieren. Die ersten Anlagen waren zum Test entwickelt und kosteten um die 700 Euro. Womit anfangs niemand gerechnet hatte: Die Resonanz auf die Systeme war enorm. Insbesondere Frauengruppen kauften sie mittels Mikrokredit und zogen damit über die Märkte. Gegen eine Gebühr luden sie Handys der Kunden auf - erstaunlicherweise amortisieren sich die Systeme innerhalb weniger Monate. Inzwischen haben sich technische Spezifikation, Kapazität und Preis der Solarkoffer weiter diversifiziert, erste Systeme kosten 200 bis 250 Euro.

Zwar ließe sich laut Kirchner in Entwicklungsländern auf Dauer auch Geld verdienen, aber nicht von Anfang an. Kirchner sieht die Arbeit nicht als ein Geschäftsfeld an, mit dem sich das Haupteinkommen bestreiten lässt. Viel wichtiger sei es aber, dort Grundlagen zu schaffen, auf Basis deren die Menschen sich selbst helfen können (siehe Interview im Kasten).

Die Marktentwicklung der letzten Jahre ist für den weiteren Ausbau von Solarsystemen förderlich. Kostete das Kilowatt/peak aus der Quelle der Photovoltaikleistung vor Jahren noch über 5000 Euro , sind es jetzt 1500 bis 2000 Euro. „Indem Deutschland als weltweit größter Photovoltaikmarkt die Kapazitäten auch von asiatischen Herstellern forcierte“, meint Lars Kirchner, „gingen die Marktpreise nach unten und wir haben damit unwissentlich Entwicklungshilfe geleistet.“

Solarenergie schafft Arbeitsplätze. Der dezentrale Ausbau von Solarenergie in Ländern wie �?thiopien oder Uganda ist auch in wirtschaftlicher Hinsicht ein Erfolgskonzept. Mit der Ausbildung von Einheimischen für Zusammenbau, Installation und Wartung der Solaranlagen sind wichtige Voraussetzungen für den weiteren Ausbau geschaffen .

Ein problematischer Effekt bei traditionellen Entwicklungshilfeprojekten ist die mangelnde Nachhaltigkeit. Über Mikrokredite oder gemeinsame Finanzierungskonzepte mit monatlichen Gebühren wie in Rema sollte der Betrieb der Anlagen jedoch gewährleistet sein.

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