Fachbeitrag Produktion im Plastikbeutel

22.05.2012

Flexibilität, geringe Umrüstzeiten, Minimierung von Kontaminationsrisiken - das Konzept der Single-Use-Technologien überzeugt. In der Biopharma-Industrie hat es längst den Weg aus der Nische in breite Anwendungen gefunden. Doch im Downstream-Bereich gibt es Nachholbedarf.

Die Verbreitung von Single-Use-Systemen in biopharmazeutischen Prozessen nimmt stetig zu. 35 Prozent jährliche Wachstumsrate 2009 war allerdings vor allem Produkten für das Upstream Processing zuzuschreiben. Dafür ist ein weites Spektrum an Komponenten, geeigneten Sensoren und Single-Use-Pumpen verfügbar, was die Realisierung eines kompletten Single-Use-Upstream-Processing bis 2 m 3Kulturvolumen erlaubt. Wellendurchmischte Bioreaktoren (Wave Bioreactor von GE Healthcare und Biostat CultiBag RM von Sartorius Stedim Biotech) sind ebenso erhältlich wie gerührte Single-Use-Bioreaktoren in verschiedenen Ausführungen (z. B. rigide Kunststoffkessel von Mobius CellReady, UniVessel SU, CelliGen Blu oder flexible Beutel-(Bag) Systeme von S.U.B., Biostat CultiBag STR, XDR Bioreactor). Sie unterscheiden sich hinsichtlich Größe, Wirk- und Mischprinzip sowie Instrumentierung und zeichnen sich durch eine definierte Fluiddynamik aus. Für die Realisierung sich wiederholender Teilaufgaben hat sich die Zusammenfassung verfahrenstechnischer Grundoperationen zu Prozessplattformen bewährt: etwa für die Medienherstellung, die Fermentation und die Biomasseabtrennung. Technische Grenzen für den Einsatz der Single-Use-Technologien im Upstream-Processing ergeben sich aus den eingesetzten Kunststoffen. Gegenwärtig liegt die Größengrenze bei 1.000 bis 2.000 Liter Bagvolumen und 30 Zoll Filterkartuschen, auch wenn herstellerseitig größere Bagsysteme (bis 5.000 l) offeriert werden. Anlagenkapazitäten oberhalb dieser Größenordnung werden durch die Anwender aktuell durch Parallelisierung bewerkstelligt. Die zur Herstellung biopharmazeutischer Produkte angewendeten Grundoperationen im Downstream-Bereich beinhalten klassische Filtration und chromatographische Schritte, aber auch neuartige Technologien wie funktionelle Absorptionsverfahren und „Mixed-Mode“-Technologien - multiple Retentionsmechanismus als Grundlage der Wechselwirkungen zwischen Probe und Sorbens. Der Abfüllprozess des formulierten Endprodukts ist in der biopharmazeutischen Produktion dagegen in den meisten Fällen ein klassischer Flüssigtransfer mit oder ohne finale Gefriertrocknung.

Flaschenhälse im Downstream Processing

Wie im Upstream-Processing liegen auch im Downstream-Processing die Hauptvorteile von Single-Use-Technologien gegenüber wiederverwendbaren Systemen in niedrigeren Investitionskosten, verkürzten Entwicklungs- und Implementierungszeiten, reduziertem Qualifizierungs- und Instandhaltungsaufwand und erhöhter Flexibilität. Dennoch besteht im Downstream-Bereich noch Nachholbedarf. Schon etabliert sind Einwegmischer bis 1.000 L sowie die Einwegversionen klassischer Mikrofiltrations- (0,1/0,2 µm) und Tiefenfiltrationssysteme, während die Ultrafiltration nach wie vor ein Flaschenhals ist. Ganz anders verhält sich die Situation bei den chromatographischen Systemen. Den Vorteilen Flexibilität und reduzierter Zeit- und Kostenaufwand durch vorgepackte, sofort nutzbare („ready-to-use“) Säulen stehen die Kosten für die eingesetzten chromatographischen Gele als Nachteil gegenüber. Für Prozesse mit häufigen Ernten und Aufreinigungen in Säulen mit hoher Lebensdauer sind chromatographische Einwegsysteme momentan keine attraktive Lösung. Die zögerliche Entwicklung im Bereich der Chromatographie hat zur Entwicklung von alternativen Aufreinigungstechniken geführt. Funktionelle Filtrationen mit Membranadsorbern kombinieren die Vorteile der Einwegfiltration mit funktionellen Oberflächen, vor allem mit Ionenaustauscher- und Affinitätseigenschaften. Sie werden von vornherein als Single-Use-Systeme konzipiert. Dennoch sehen Experten wie Detlef Eisenkrätzer, Roche, im Fehlen von preiswerten Alternativen zu „Mehrweg“-Affinitäts-Chromatografiesäulen eines der größten Hindernisse für den Einsatz von Single-Use-Technologie. Hinsichtlich Prozessmonitoring und Automatisierungstechnik verfügen Single-Use-Systeme bis jetzt nicht über den vollen Funktionsumfang wie ihre traditionellen Gegenspieler. Für die Messung von Standard-Prozessparametern wie Druck, Temperatur und zum Teil auch pH und pO 2gibt es mehrere Systeme. Für weitere Prozessparameter ist die Auswahl jedoch eingeschränkt auf die Systeme, für die ein Hersteller eine Integrationsmöglichkeit in sein Produkt anbietet. Aus klein- und mittelvolumigen Verfahren für Biopharmazeutika sind Single-Use-Techniken nicht mehr wegzudenken. „Wir sehen vor allem im Bereich der Impfstoffe vielversprechende Anwendungsfelder: kleine Volumen, kampagnenweise Produktion, flexible Produktionsanforderungen, Risiko von Crosskontamination, hier können Single-Use-Technologien ihre Vorteile ausspielen“, meint Dr. Karsten Behrend, M+W Process Industries. Im deutschsprachigen Raum nutzen zahlreiche Produzenten Single-Use-Systeme: u. a. Baxter, Boehringer Ingelheim, Hoffmann La-Roche, Merck Serono, Novartis, Rentschler und Werthenstein BioPharma. Noch dominieren dort hybride Produktionsanlagen, in denen Single-Use- und traditionelle Systeme aus Glas oder Edelstahl kombiniert werden. Doch werden erste Produktionsanlagen, die durchgängig mit Single-Use-Systemen arbeiten, geplant. Dem generellen Trend hin zu Single-Use-Systemen tragen auch die global operierenden Entwickler und Hersteller Rechnung. Von ihnen haben GE Healthcare, Merck Millipore und Sartorius Stedim Biotech gegenwärtig das größte Portfolio.

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