Interview „Offshore-Winkraft ist eine riesige Herausforderung­“


Boris Schucht: Vorsitzender der Geschäftsführung des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz Transmission

09.11.2012

Die stärkere Einbindung erneuerbarer Energien ins Stromnetz provoziert Angst vor Netzausfällen. Mit dem Zubau von Offshore-Anlagen betritt die Energiebranche zudem technologisches Neuland. Energy 2.0 sprach mit einem Übertragungs­netzbetreiber darüber, ob die Netze in Deutschland stabil genug für die Energiewende sind, wie der Offshore-Ausbau vorankommt und wer für Ausfälle zahlt.

Energy 2.0: Herr Schucht, sinkt durch den steigenden Anteil erneuerbarer Energie die Zuverlässigkeit unserer Netze?

Boris Schucht: Die Herausforderung ist, dass die erneuerbaren Energien volatil sind und nicht unbedingt dann anfallen, wenn gerade der Strom verbraucht wird. Wir müssen lernen, das zu managen, damit wir Energieerzeugung und Energieverbrauch immer in Balance halten. Bisher ist uns das aber sehr gut gelungen - oder haben Sie schon jemals das Gegenteil bei uns gesehen?

In Deutschland kam es im letzten Winter zu kritischen Situationen, als kurz vor Weihnachten zu viel Strom im Netz war und im Februar zu wenig. Wie wird der nächste Winter aussehen?

Das sind Situationen, in denen wir keine Panik machen dürfen. Sie sind insofern kritisch, als wir immer stärker ans Netzlimit gehen. Aber unsere Instrumente, um in solchen Fällen trotzdem die Stromversorgung stabil und sicher zu halten, haben immer funktioniert.

Beim Wind setzen wir große Hoffnungen auf den Offshore-Ausbau vor der Küste, der aber anscheinend ins Stocken kommt. Warum gibt es Verzögerungen?

Der Ausbau der Offshore-Windkraft ist sowohl für die Windkraftanlagenbetreiber als auch für uns Netzbetreiber eine riesige Herausforderung. Es ist technologisches Neuland. Wir bauen schon das zweite und das dritte Projekt, bevor wir genug Erfahrungen im ersten Projekt gesammelt haben.

Wie beurteilen Sie die Offshore-Lage?

An der Nordsee weht etwas mehr Wind, deswegen haben sich mehr Windparkbetreiber erst einmal auf die Nordsee gestürzt. Wir sind für die Ostsee verantwortlich und haben das Glück, dass dort bisher jedes Jahr immer genau ein Projekt entsteht. Insofern können wir das sehr gut managen und beim Ausbau und Anschluss der Ostseewindkraft ist bisher alles nach Plan verlaufen. Wir hatten dort bisher keinerlei Engpässe und keinerlei größere technische Probleme und auch keine finanziellen Engpässe.

Apropos Finanzen: Wenn etwas schief geht, haften jetzt die Verbraucher. Glauben Sie nicht, dass so die Akzeptanz bei den Bürgern für die Erneuerbaren weiter schwindet?

Die Energiewirtschaft hat häufig das Problem, dass ihre extrem komplexen Sachverhalte in den Medien und gegenüber der Öffentlichkeit sehr schwer zu transportieren sind. An Land ist normalerweise jedes Kraftwerk im Netz von zwei Seiten angebunden. Wir haben uns gemeinsam mit der Bundesnetzagentur und den Ministerien darauf verständigt, auf See keine redundante Leitung zu jedem Windpark zu legen.

Aus welchem Grund haben Sie sich dagegen entschieden?

Es wäre volkswirtschaftlich Wahnsinn: Diese Leitungen kosten für jeden Windpark eine halbe bis dreiviertel Milliarde Euro. Eine Windparkleitung kann nicht rund um die Uhr zu hundert Prozent verfügbar sein. Sie wird mal gepflegt, gewartet, sie wird planmäßig außer Betrieb gesetzt und kann auch mal einen Schaden haben. Das ist Technik, die kann auch mal kaputtgehen.

Das ist aber nicht die Schuld der Stromkunden �?�

Wenn wir aus volkswirtschaftlichen Gründen auf eine redundante Windparkanbindung verzichten, muss man sich darüber unterhalten, wer das Risiko trägt, wenn diese eine Leitung nicht zur Verfügung steht. Aus purem Gerechtigkeitssinn würde ich sagen: Wenn die Volkswirtschaft davon profitiert, dass wir nicht den teureren Anschluss bauen, sollte man fairerweise mit vernünftigen Eigenanteilen das Risiko unter allen Beteiligten aufteilen. Aber dann muss auch der Kunde einen Großteil zahlen, anders wird es nicht gehen. Insofern ist nun in der Gesetzgebung eine Eigenbeteiligung der Windkraftanlagen-betreiber, aber auch von uns enthalten. Das ist aber sehr kompliziert und man wird an dem Gesetz noch nachbessern müssen. Ich habe Sorge, dass es so noch nicht funktioniert, aber vom Grundprinzip her ist das der richtige Weg.

Energy 2.0: Herr Schucht, Sie sagen selbst, dass heute schon sehr viel erneuerbare Energie in Ihrem Netz zu finden ist. Sinkt dadurch die Zuverlässigkeit unserer Netze?

Boris Schucht: Nein, unsere Netze werden dadurch nicht weniger sicher. Das ist ein technisches Problem, das man natürlich lösen kann. Wir sind ein Ingenieurunternehmen in einem Ingenieurland. Die Herausforderung ist, dass die erneuerbaren Energien volatil sind und nicht unbedingt dann anfallen, wenn gerade der Strom verbraucht wird. Wir müssen lernen, das zu managen, damit wir Energieerzeugung und Energieverbrauch immer in Balance halten. Bisher ist uns das aber sehr gut gelungen - oder haben Sie schon jemals das Gegenteil bei uns gesehen?

In Deutschland kam es im letzten Winter zu kritischen Situationen, als kurz vor Weihnachten zu viel Strom im Netz war und im Februar zu wenig. Wie wird der nächste Winter aussehen?

Das sind Situationen, in denen wir keine Panik machen dürfen. Sie sind insofern kritisch, als wir immer stärker ans Netzlimit gehen. Aber unsere Instrumente, um in solchen Fällen trotzdem die Stromversorgung stabil und sicher zu halten, haben immer funktioniert. Wir machen natürlich nur darauf aufmerksam, wenn an vereinzelten Stellen Situationen auftreten, die bei extremem Wetter kritisch sein könnten.

Welche Stellen im Netz wären das?

Nach Abschalten der Kernkraftwerke sind da der Großraum Hamburg und der süddeutsche Raum zu erwähnen. Wir haben in diesem Jahr die Genehmigung bekommen, den letzten Abschnitt der sogenannten Windsammelschiene zu bauen, einer Leitung zwischen Schwerin und Hamburg. Damit werden wir in Zukunft nicht nur den Wind an der Küste einsammeln und Richtung Süden transportieren, sondern auch zur Versorgungssicherheit von Hamburg beitragen. Ich hoffe, dass diese Leitung vor dem kommenden Winter steht, sodass wir im nächsten Winter im Großraum Hamburg eine sehr hohe Versorgungssicherheit garantieren können, wie wir sie aus der Vergangenheit gewohnt sind.

Beim Wind setzen wir große Hoffnungen auf den Offshore-Ausbau vor der Küste, der aber anscheinend ins Stocken kommt. Warum gibt es Verzögerungen?

Der Ausbau der Offshore-Windkraft ist sowohl für die Windkraftanlagenbetreiber als auch für uns Netzbetreiber eine riesige Herausforderung. Es ist technologisches Neuland. Das sind Projekte, bei denen wir nicht viel Zeit haben, um eine Lernkurve zu durchlaufen. Wir bauen schon das zweite und das dritte Projekt, bevor wir genug Erfahrungen im ersten Projekt gesammelt haben.

Wie beurteilen Sie als Netzbetreiber die aktuelle Lage beim Offshore-Ausbau?

Die Situationen in der Nordsee und in der Ostsee unterscheiden sich etwas. Wir sind für die Ostsee verantwortlich. An der Nordsee weht etwas mehr Wind, deswegen haben sich mehr Windparkbetreiber erst einmal auf die Nordsee gestürzt. Wir haben das Glück, dass an der Ostsee bisher jedes Jahr immer genau ein Projekt entsteht. Insofern können wir das sehr gut managen und beim Ausbau und Anschluss der Ostseewindkraft ist bisher alles nach Plan verlaufen. Wir haben dort bisher keinerlei Engpässe und keinerlei größere technische Probleme gehabt und auch keine finanziellen Engpässe, sondern können unsere Verpflichtung, Offshore-Windanlagen vor der Küste an das deutsche Netz anzuschließen, in vollem Umfang erfüllen.

Da Sie von Finanzen sprechen: Wenn etwas schief geht, haften jetzt die Verbraucher. Glauben Sie nicht, dass dadurch die Akzeptanz bei den Bürgern für die Erneuerbaren, die heute schon nicht mehr so groß ist wie einst, weiter schwindet?

Die Energiewirtschaft hat häufig das Problem, dass ihre extrem komplexen Sachverhalte in den Medien und gegenüber der Öffentlichkeit sehr schwer zu transportieren sind. An Land ist normalerweise jedes Kraftwerk im Netz von zwei Seiten angebunden. Wenn eine Leitung ausfällt, gibt es eine zweite. Wir haben uns gemeinsam mit der Bundesnetzagentur und den Ministerien darauf verständigt, auf See keine redundante Leitung zu jedem Windpark zu legen.

Aus welchem Grund haben Sie sich dagegen entschieden?

Es wäre volkswirtschaftlich Wahnsinn: Diese Leitungen kosten für jeden Windpark eine halbe bis dreiviertel Milliarde Euro. Eine Windparkleitung kann nicht rund um die Uhr zu hundert Prozent verfügbar sein. Sie wird mal gepflegt, gewartet, sie wird planmäßig außer Betrieb gesetzt und kann auch mal einen Schaden haben. Das ist Technik, die kann auch mal kaputtgehen.

Das ist aber nicht die Schuld der Stromkunden �?�

Wenn wir aus volkswirtschaftlichen Gründen auf eine redundante Windparkanbindung verzichten, muss man sich darüber unterhalten, wer das Risiko trägt, wenn diese eine Leitung nicht zur Verfügung steht. Aus purem Gerechtigkeitssinn würde ich sagen, wenn die Volkswirtschaft davon profitiert, dass wir nicht den teureren Anschluss bauen, sollte man fairerweise mit vernünftigen Eigenanteilen das Risiko unter allen Beteiligten aufteilen. Aber dann muss auch der Kunde einen Großteil zahlen, anders wird es nicht gehen. Insofern ist nun in der Gesetzgebung eine Eigenbeteiligung der Windkraftanlagenbetreiber, aber auch von uns enthalten. Das ist aber sehr kompliziert und man wird an dem Gesetz noch nachbessern müssen. Ich habe Sorge, dass es so noch nicht funktioniert, aber vom Grundprinzip her ist das der richtige Weg.

Das Gespräch führte Dr. Karlhorst Klotz, Energy 2.0.

Zum Video des Gesprächs:

http://www.youtube.com/watch?v=_c502-r1x8A

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