Fachbeitrag Spürnase und Wetterfrosch

03.05.2012

Wieder nichts passiert? Wunderbar! Ein Arbeitstag ohne besondere Vorkommnisse bedeutet für Dr. Michael Schranz: 22.000 Menschen machen alles richtig und in über 90 Unternehmen läuft alles, wie es sein soll.

Keine Anlage ohne Auflage - von dieser Weisheit kann Dr. Michael Schranz ein Lied singen. Und Anlagen gibt es an seinem Arbeitsplatz jede Menge: Als Mitarbeiter im Immissionsschutz des Industrieparks Höchst hat er Produktions- und Forschungsstätten auf vier Quadratkilometern im Blick. Keine Selbstverständlichkeit für den Chemiker: „Durch mein Studium kann ich die Messprinzipien der Messgeräte nachvollziehen. Aber ich musste mir viele juristische Themen aneignen.“ Manchmal muss man aufpassen, dass die eigentliche Überwachung darüber nicht zu kurz kommt. Und gemessen wird in Höchst fast alles, was den Industriepark über Luft oder Wasser verlässt. Meldungen über erhöhte Werte an die zuständigen Behörden und sämtliche Firmen am Standort übernimmt Infraserv Höchst als Standortbetreiber. Für das Unternehmen gehört der Immissionsschutz zum Geschäftsbereich Umwelt, Sicherheit, Gesundheit. Schranz bildet mit fünf weiteren Kollegen das Team des Immissionsschutzbeauftragten Dr. Jürgen Lau. Über fünf Messstationen direkt auf dem Gelände des Standorts und in den umliegenden Ortschaften messen sie unter anderem Schwefeldioxid, Stickoxide, Methan, Schwebstaub und Chlorgas. An einer Station wird zusätzlich Chlorwasserstoff gemessen - spektroskopisch per Laserstrahl. „Eine ganz simple Geschichte“ ist dagegen die Staubniederschlagsmessung, sagt der Chemiker: 20 Einmachgläser, über das Gelände verteilt, werden einmal pro Monat geleert. Abgesehen von einigen Verlusten im Winter, wenn aufgefangenes Regenwasser gefriert und die Gläser platzen lässt, funktioniert das ebenso gut wie die moderne Analytik per Laserspektroskopie. Über diese große Bandbreite an Technik stellt Michael Schranz sicher, dass bei kleinsten Auffälligkeiten sofort Alarm geschlagen wird. Alarme gehen dann automatisch auch direkt an die Feuerwehr. Und wenn nichts passiert? „Dann überwachen wir die Luftgüte im Einwirkungsbereich der Anlage“, erklärt der Chemiker. Ein wichtiger Service für Firmen, die in Höchst eine Produktion auf- oder ausbauen wollen - zum Beispiel, wenn Genehmigungsverfahren anstehen.

Wind und Wetter im Blick

Auch beim Wetter verlassen sich die Höchster lieber auf eigene Messwerte. „Was wir ermitteln, ist repräsentativ“, bestätigt Schranz. An den Messstationen kann er sich über Globalstrahlung, Luftfeuchte und Niederschlag informieren. Zusätzlich wird in 38 Metern Höhe die Hauptwindrichtung gemessen. „Wir haben überwiegend entweder Südwest- oder Nordostwind. Dementsprechend sind die Messstationen auch aufgebaut“, erklärt der Immissionsschützer. „Wenn auf der Straße eine Flasche �?ther umfällt, kennen wir auf Basis der Windrichtung die Ausbreitungsrichtung. Die Windgeschwindigkeiten können aber zum Beispiel auch in Versicherungsfällen wichtig sein, falls einmal ein Sturmschaden entsteht.“ 2011, als der Doktortitel der Universität Marburg noch ganz neu und der Umzug nach Frankfurt beschlossen war, hat er sich noch gefragt, ob sich die Produktion von Grundchemikalien in Deutschland überhaupt noch lohnt. Inzwischen kennt er die Synergieeffekte eines Verbundstandorts: „Ohne große Transportwege wird hier alles weiterverwendet, bis die aufwendigsten Farbstoffe, die komplexesten Medikamente entstehen.“ Auch hier nimmt Schranz inzwischen selbstverständlich die Umweltschutz-Perspektive ein: „Je mehr transportiert wird, desto höher ist ja auch das Gefährdungspotenzial.“ Wer auf der grünen Wiese Grundchemikalien produzieren will, muss außerdem viele Investitionen in Sicherheit und Umweltschutz tätigen, die in Höchst schon lange gemacht wurden.

Wolken aus Wasserdampf

Folgt man Michael Schranz auf einem Rundgang über das Gelände, fällt auf, dass er genau wissen muss, wer am Standort was produziert - und welche Stoffe dabei eingesetzt werden. Sorgen angesichts unangenehmer Gerüche kann er schnell mildern, indem er sie als Folge von Fermentation identifiziert. Wo ein skeptischer Nachbar vielleicht eine Chemiewolke vermuten könnte, sieht Schranz Wasserdampf aus dem Schornstein kommen. Wenn Anwohner in den umliegenden Stadtteilen sich Sorgen machen, wird das im Industriepark ernst genommen. „Das ist menschlich“, findet Schranz. Gleichzeitig weiß er aber auch, dass die Sicherheitsbestimmungen in Höchst hoch sind und das Sicherheitsbewusstsein der Mitarbeiter in den Betrieben sehr stark ausgeprägt ist. Zu Grenzwertüberschreitungen kommt es im normalen Betrieb allenfalls bei Feinstaub und Stickoxiden - wegen des Autoverkehrs. „Teilweise sind aber sogar diese Werte niedriger als anderswo, weil im Industriepark weniger Fahrzeuge fahren als außerhalb“, ergänzt der Chemiker. Gibt es also überhaupt nichts, worüber sich Michael Schranz auf der Arbeit sorgt? Die Antwort kommt ohne langes Zögern. „Die Eintracht könnte etwas später spielen - bis halb sechs schaffe ich es meistens nicht ins Stadion.“

Bildergalerie

Firmen zu diesem Artikel
Verwandte Artikel