Smart Traffic & Mobility „Brennstoffzelle erfüllt Kundenerwartungen“

Brennstoffzellenentwickler: Katsuhiko Hirose mit Prototyp

31.03.2014

Elektrisch fahren ohne Reichweiteneinschränkung, das soll die Brennstoffzelle eines Tages ermöglichen. Im Gespräch mit Mobility 2.0 erläutert Katsuhiko Hirose, Leiter der Brennstoffzellenentwicklung bei Toyota, warum der größte Automobilhersteller der Welt die noch nicht wirtschaftliche Technologie schon 2015 in Serie bringt.

Mobility 2.0: Hirose-san, Sie gelten als einer der Väter des Prius und entwickeln jetzt Brennstoffzellen. Ist der Hybrid nicht gut genug?

Katsuhiko Hirose: Mit dem Prius haben wir bessere Verbrauchswerte erreicht, als wir das zu Beginn der Entwicklung selbst glaubten – wir hatten zu niedrige Erwartungen. Und auch am Markt haben wir einen größeren Erfolg erzielt, als wir zunächst dachten. Dennoch gibt es aus Sicht von Toyota nur einen Antrieb, mit dem lange Strecken ohne mineralölbasierte Kraftstoffe zurückgelegt werden können: die Brennstoffzelle.

Beim Toyota Prius hat es zehn Jahre gedauert, bis eine kumulierte Stückzahl von einer Million erreicht war. Ist dieser Zeitraum auf die Brennstoffzelle zu übertragen?

Auch bei der Brennstoffzelle wird es zehn, vielleicht auch 15 Jahre dauern, bis sie so hohe Stückzahlen erreicht. Dennoch ist es wichtig, jetzt mit der Entwicklung zu beginnen. Uns ist bewusst, dass mit Brennstoffzellenfahrzeugen anfangs noch kein Geld zu verdienen ist.

Und in zehn bis 15 Jahren soll das anders sein?

Wir denken in sehr langen Amortisationszyklen und haben dafür auch die Rückendeckung unseres Topmanagements.

Welche Herstellkosten muss die Brennstoffzelle zu diesem Zeitpunkt erreicht haben?

Wir wollen, was die Kosten für den Autofahrer betrifft, konkurrenzfähig zu heutigen Antrieben sein.

Eine Roland-Berger-Studie rechnet 2025 noch immer mit Kosten von 9000 Euro für eine 100-kW-Brennstoffzelle.

Wenn das zuträfe, dann wäre es zukünftig schwierig für die Brennstoffzelle. Wir gehen von anderen Annahmen aus als die Autoren der von Ihnen genannten Studie.

Ist Platin nicht der Hauptkostentreiber?

Wir werden im nächsten Jahrzehnt nicht mehr Platin benötigen als in den Katalysatoren heutiger Dieselfahrzeuge.

Werden Brennstoffzellen eines Tages ganz auf Platin verzichten können?

Ich glaube nicht. Es ist einfach ein sehr talentiertes Material, zu dem wir aktuell keine Alternative sehen. Aber wir sehen noch erhebliches Potenzial, den Wirkungsgrad der Brennstoffzelle zu erhöhen, sodass wir mehr Leistung aus weniger Bauraum holen. Vor zwei Jahren lagen unsere Brennstoffzellen noch bei einer Leistungsdichte von 1 kW je Liter Volumen, nun sind es schon 3 kW pro Liter. Wir haben einen Weg gefunden, um aus jedem Kubikzentimeter des Brennstoffzellen-Stack mehr Leistung herauszuholen.

Können solche Werte in der Zukunft nicht auch von Traktionsbatterien erreicht werden?

Toyota entwickelte die erste Batterie bereits in den 1940er Jahren. Und wir fertigen die Batterien für den Prius selbst. Deshalb können wir uns ein fundiertes Urteil erlauben. Wir gehen nicht davon aus, dass batterieelektrische Fahrzeuge im nächsten Jahrzehnt die Energiedichte erreichen werden, die man für den Langstreckenverkehr benötigt. Die Brennstoffzelle erfüllt die Erwartungen des Kunden an die Reichweite besser.

Die ersten Brennstoffzellenfahrzeuge bringen Sie 2015 auf den Markt, obwohl damit noch kein Geld zu verdienen ist. Was erhoffen Sie sich?

Wenn Sie einen Berg besteigen wollen, können Sie die Route zunächst anhand der Karten exakt planen. Vielleicht wird Ihre Einschätzung dabei sein: Diesen Berg können wir nicht besteigen, es ist zu schwierig. Sie können sich aber auch anders entscheiden: Wir gehen die erste Etappe und schauen dann mal weiter. Eventuell ergeben sich dann neue Perspektiven und es funktioniert doch. Toyota ist da pragmatisch.

Wie ausgereift wird die Technologie zu diesem Zeitpunkt sein?

Als wir den Prius auf den Markt brachten, haben viele gesagt: So eine komplizierte Technik, mal sehen, welche Fehler auftreten. Tatsächlich war der Prius in den USA schnell das zuverlässigste Auto. Weltweit konnten wir viele Taxifahrer überzeugen, das sind hinsichtlich Zuverlässigkeit die kritischsten Kunden, die man sich vorstellen kann. Ich hoffe, dass uns Ähnliches mit dem Brennstoffzellenfahrzeug wieder gelingt.

Das funktioniert aber nur, wenn auch eine Wasserstoff-Infrastruktur existiert. Wie weit ist Japan da?

Vor zwei Jahren haben wir gemeinsam mit Honda und Nissan sowie einigen Energieunternehmen eine Allianz gegründet. Bis Anfang 2016 bauen wir gemeinsam ein Netz von mehr als 100 Tankstellen in vier miteinander verbundenen Metropolregionen auf. Dieser Plan wird von der Regierung unterstützt.

Wie wird der Wasserstoff in Japan erzeugt?

In den Ölraffinerien existieren schon heute große Kapazitäten, um Wasserstoff zu produzieren, weil man ihn für die Herstellung heutiger Kraftstoffe auch benötigt. Diese Kapazitäten können wir nutzen.

Dann ist Rohöl die Basis für den Wasserstoff?

Wir nutzen Fraktionen des Rohöls, die heutzutage nicht gut anders verwendet werden können. Aber in Zukunft wollen wir natürlich weg von fossilen Energieträgern und den Wasserstoff beispielsweise per Elektrolyse aus Windstrom erzeugen.

Aber wird Japan nicht künftig wieder stärker auf Kernkraft statt auf erneuerbare Energien setzen?

Das entscheiden nicht wir als Automobilhersteller, sondern die Gesellschaft. Aber wir werden niemals den gesamten Energiebedarf Japans über Kernkraft decken können. Wenn wir von Energieimporten unabhängiger werden wollen, müssen wir die erneuerbaren Energien ausbauen, auch wenn wir die Kernkraft weiter nutzen. Und wenn dies geschieht, müssen wir – wie Sie in Deutschland auch – Wege finden, die Energie zu speichern. Wasserstoff ist eine sehr gute Möglichkeit, überschüssigen Strom aus Sonne und Wind zu speichern.

Wann kommt das Brennstoffzellenfahrzeug nach Deutschland?

Wir starten 2015 weltweit in ausgewählten Regionen, die sich um den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur bemühen. Dazu gehören neben Japan und Kalifornien auch europäische Länder. Wo wir wann genau starten, werden wir jedoch erst kurzfristig entscheiden. Deutschland ist uns aber besonders wichtig, weil hier schon seit Jahren an der Wasserstoffinfrastruktur gearbeitet wird. Übrigens wirken wir daran mit.

Was wird das Brennstoffzellenfahrzeug kosten?

Wir reden von einem Preis von weniger als 80.000 Euro. Für eine viertürige Oberklasse-Limousine mit vier Sitzen, einer Leistung von mehr als 100 kW und hohem Komfort ist das ein fairer Preis.

Sie haben auf dem Gebiet der Brennstoffzellenentwicklung eine Partnerschaft mit BMW. Was bringt BMW ein?

BMW hat ja eine lange Tradition im Bereich der Wasserstoffantriebe, setzte jedoch lange darauf, den Wasserstoff im Hubkolbenmotor zu verbrennen. Gemeinsam kommen wir nun schneller auf akzeptable Stückzahlen für die Brennstoffzelle.

Das heißt?

Nach 2020 wollen wir bei Toyota fünfstellige Stückzahlen mit dieser Technologie erreichen.

Das Interview führte Johannes Winterhagen, Mobility 2.0.

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